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Görlitz: Deutschlands Döner-Dorado

Görlitz: Deutschlands Döner-Dorado

Özgür Aslan und Ali Acibucu sind derzeit mit den letzten Arbeiten in ihrem neuen Bistro beschäftigt. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Am Görlitzer Postplatz soll am 20. März der 10. Dönerimbiss zwischen dem Bahnhof und Kloster- sowie Elisabethstraße eröffnet werden. Auf etwa 800 m Länge im engeren Innenstadtbereich hat Görlitz damit eine Dönerdichte, die selbst Berlin-Kreuzberg oder Neukölln schwer toppen dürften. Lohnt sich das ganze noch und wieso nehmen die Görlitzer eigentlich keine anderen türkischen Hauptspeisen als Döner an?

Görlitz. Ein 10. Dönerimbiss in der Innenstadt, zahlreiche weitere Konkurrenz im Stadtgebiet – darunter auch ein Neuling an der Biesnitzer Straße/Ecke Lu-therstraße –, Sedar Gencer vom Efes-Haus auf der Hospitalstraße kann das nicht schrecken. Seit 2015 verkauft er Döner vom Spieß, einschließlich der Variante Döner-Dürüm. „Nichts anderes läuft. Und auch bei der großen Konkurrenz habe ich eigentlich nie größere Schwankungen beim Umsatz gehabt“, sagt er.

Ähnliche Zuversicht scheinen auch die zuvor in Rothenburg am Drehspieß tätigen Ali Acibucu und Özgür Aslan zu haben. Lange hatten sie das Objekt am Postplatz für sich ins Auge gefasst, wo bis Jahresende 2017 ein Asia-Imbiss beheimatet war. Die beiden haben ebenfalls keine Angst, dass der Laden nicht laufen wird. Dafür sei allein schon die Lage zu prädestiniert. Man wolle vor allem auf Hygiene und eine gediegene Atmosphäre setzen und mit Handschuhen am Tresen agieren. Wenn alles gut geht, soll am 20. März Eröffnung sein.

Den ersten Döner in Görlitz bietet seit den frühen 90er Jahren City Pizza auf der Görlitzer Straße an und hat in all den Jahren schon viel Wandel auf dem Dönermarkt erlebt. Chef Sanar Oglu sagt, dass er immer Respekt auch vor neuen Mitbewerbern am Markt habe. Der zu verteilende Kuchen ist dennoch nicht unbegrenzt weiß er. „Ich schaue schon, was sich in dem Bereich so tut“. Die Möglichkeiten, ein Alleinstellungsmerkmal zu finden, sind letztlich auch begrenzt. In Görlitz ist die Masse der Anbieter mehr Imbiss als Bistro und damit schon von den Möglichkeiten in der Küche eingeschränkt. Und der ein oder andere bekennt auch, dass er aufgrund seines Aufenthaltsstatus’ kaum an eine größere Investition denken könne.

Die Lust wäre bei einigen Betreibern durchaus da, über das übliche Imbissprogramm von Döner, Lahmacun oder Pide hinauszublicken, doch da macht merkwürdigerweise das Görlitzer Publikum nicht mit. An der Neiße sucht man beispielsweise Adana-Spieße (scharf gewürzte Hackspieße), Sis-Kebap (Grillspieße mit mariniertem Lammfleisch) oder Talas Kebabi (klein geschnittene Fleischstücke, die nach dem Dünsten in Blätterteig gebacken sind) vergeblich. Auch das in vielen orientalischen Imbissen so beliebte Dessert Baklava (in Zuckersirup eingelegtes Gebäck aus Blätterteig, das mit gehackten Walnüssen, Mandeln oder Pistazien gefüllt ist) ist in Görlitz nicht heimisch geworden.

Selbst einfachere Mittagsalternativen zur Dönertasche wie Falafel (frittierte Kichererbsenbreibällchen), Lahmacun (türkischer Pizzafladen mit Hack), Pide (meist mit Knoblauchwurst oder Feta überbackene dicke Fladenbrote) werden von der Mehrheit der Görlitzer Kundschaft auf der Speisekarte gar nicht wahrgenommen, denn ohne Blick auf die Karte heißt es meist „Ein Döner, bitte“. Die Gegenfrage nach der gewünschten Soße erübrigt sich in Görlitz meist, denn im Gegensatz zum landesweiten Trend und dem türkischen Vorbild bestellt der Görlitzer fast unisono Kräuter- statt Knoblauchsoße, bestätigen im Grunde alle Besitzer der Görlitzer Dönerläden. Ein Auswärtiger muss erst einmal darauf kommen, dass er ohne entsprechenden Wunsch in Görlitz als Standard eher eine Kräutersoße kredenzt bekommt.

Kamber Ekici vom Kebap-Haus Nemrut, der selber ein deutsches Stammlokal hat und von den dortigen Schnitzeln mit Pfeffersoße schwärmt, hat anfangs Kavurma (eine meist mit Reis servierte Gualschart) angeboten und blieb darauf sitzen. Er wunderte sich ebenso, als eine Frau nach den „Kugeln“ in der Salatauslage fragte. Seither hat er Oliven aus dem Salatbuffet verbannt. In der Schweiz habe er früher auch in der Gastronomie gearbeitet. Ein mediterraner Salat aus Olivenöl, Tafelwein, Knoblauch, Zwiebeln, Pfeffer und Tabasco sei hundertfach über den Ladentisch gegangen, in Görlitz dann aber überhaupt nicht gelaufen.

Und so schmunzelt auch Özgür Aslan, der am Postplatz der Eröffnung seines Ladens harrt, dass er „Teste Kebap“ aus seiner anatolischen Heimat kaum ins Programm nehmen werde. 24 Stunden im Keramiktopf auf Kohle geschmortes Fleisch ist freilich auch eher etwas für die Speisekarte eines türkischen Restaurants. Doch ein solches hat bereits in Bautzen nicht überlebt.

Der Sparfaktor allein kann an der Fixierung der Görlitzer auf Döner nicht ausschlaggebend sein. Mehmet Cinar vom Best-Kebap-Haus hat beispielsweise Köfte (türkische Buletten) mit Fladenbrot und Salat schon für vier Euro im Angebot. „Das wird so etwa dreimal die Woche verlangt“, sagt er.

Früher habe er in Löbau gearbeitet, wo die Kunden bei Hauptspeisen auch Reis als Beilage nachgefragt hätten. Aber auch das funktioniere in Görlitz nicht. Sein eigenes Lieblingsessen „Gefüllte Weinblätter“, bietet er jedoch deswegen nicht an, da sich dies schon aufgrund der intensiven Vorbereitungszeit nicht lohne. Zudem dürfe man nicht vergessen, dass man auch nur das machen solle, was man wirklich kann. Schwerpunkt der eigenen Vermarktungsüberlegungen bleibt dennoch im Grunde für alle, sich auf das Kundenprofil einzustellen.
Bei einem so kleinen Geschäft wie seinem, könne er ohnehin nur das klassische Dönerprogramm oder als Alternativen Imbissgerichte wie Hamburger, Chicken Wings, Nudeln, Schnitzel, Falafel oder Halloumi (gebackener Käse) anbieten, sagt Mehmet Ates vom Berlin-Döner auf der Görlitzer Straße, der zuvor beim Onkel im Antalya-Imbiss am Demianiplatz sein Handwerk erlernt hat. Er sieht für den Kunden in der wachsenden Konkurrenz aber einen Vorteil. „Der Kunde in Görlitz kann sicher sein, dass sein Döner wohl immer groß ist“, sagt er schmunzelnd.

Doch der Konkurrenzkampf bleibt damit zum Teil beim reinen Sättigungsfaktor stecken. Die Lust, der Kundschaft auch etwas mehr als nur Döner in seinen Varianten anzubieten wäre durchaus vorhanden. Und manchmal hat ja gerade der Eine, der es völlig anders macht als die Konkurrenz und dies deutlich bewirbt, damit besonderen Erfolg. Doch im speziellen Görlitzer Umfeld wird vermutlich auch der 11., 12. oder 13. Anbieter wieder auf Döner und Pizza setzen. Sicher ist eben sicher. Selbst einige Asia-Imbisse bieten in Görlitz Döner oder den skurrilen Mischmasch Nudeln mit Dönerfleisch an. Auch das wird offenbar eher nachgefragt als eine größere Breite beim fernöstlichen Speiseangebot.

Till Scholtz-Knobloch / 12.03.2018

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