Kamenzer Tafel hilft 400 Bedürftigen

Blick in die Kühlkammer: Sandra Muschter, Leiterin der „Kamenzer Tafel“, erläutert, wie die Waren vor der Ausgabe geprüft werden. Foto: Beate Diederichs

Sandra Muschter (links), Leiterin der „Kamenzer Tafel“, und Ein-Euro-Jobberin Ina Langanki sind bereit für den Ansturm.
Foto: Beate Diederichs
Kamenz. Vom „Tafel“-Prinzip profitieren alle: Händler und Hersteller müssen überschüssige Ware nicht entsorgen. Bedürftige Menschen können einmal pro Woche für eine Handvoll Euro diese Lebensmittel und Getränke abholen und so kostengünstig ihren Speisezettel aufwerten. Auch die Umwelt freut sich, da keine unnötigen Ressourcen verbraucht werden. An der Schnittstelle zwischen denjenigen, die Waren abgeben, und denjenigen, die sie bekommen, stehen die Mitarbeiter. Das ist bei der „Kamenzer Tafel“ nicht anders als bei ihren Schwestereinrichtungen in ganz Deutschland. Derzeit sind dort sechs Ein-Euro-Jobber beschäftigt, acht Ehrenamtliche, die über das Programm „Wir für Sachsen“ eine Aufwandsentschädigung erhalten, drei Freiwilligendienstleistende, ein Minijobber und eine wechselnde Zahl „normaler“ Ehrenamtler. Sie sichern unter den wachsamen Augen von Leiterin Sandra Muschter die beiden Ausgabestellen in Kamenz und in Bernsdorf ab. Die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Vereins „Kamenzer Tafel“ e. V. hat als einzige eine reguläre Vollzeitstelle inne.
Am Donnerstagnachmittag ist es für diese Tageszeit ungewöhnlich ruhig in den „Tafel“-Räumen am Kamenzer Garnisonsplatz. „An den anderen Wochentagen warten zu dieser Stunde schon die Leute draußen, während die Frauen und Männer drin alles vorbereiten. Donnerstag ist aber Ausgabetag in Bernsdorf“, erläutert Sandra Muschter. Die „Tafel“ arbeitet von Montag bis Samstag nach einem durchgetakteten Plan: Ab halb acht holen die drei Fahrer die Waren bei den Spendern im Großraum Kamenz ab: unter anderem Lebensmittel nahe dem Ablaufdatum bei Discountern, Brot vom Vortag bei Bäckern oder überschüssige Wurstpakete bei einem Fleischer. Ab zehn Uhr sortieren die Mitarbeiter vor Ort sie nach Kategorien Kühlware, Brot und Brötchen, Obst und Gemüse.... „Wir prüfen die Lebensmittel nach strengen Vorschriften, schauen und riechen überall hinein. Nur das, was in einwandfreiem Zustand ist, kommt in die Ausgabe“, betont Sandra Muschter. Um vierzehn Uhr rücken die Leute aus der Schlange vor der Tür einer nach dem anderen zur Ausgabe vor.
Sie müssen dabei ihren „Tafel“-Ausweis vorzeigen – und eine Nummer ziehen. So wird sichergestellt, dass nicht immer die selben Menschen als erste eintreten und aus dem vollen Angebot schöpfen können. Für einen symbolischen „Obolus“ von höchstens sechs oder sieben Euro bekommen sie von den Mitarbeitern die gewünschten Waren über die Ausgabetheke gereicht. Wenn nach halb vier der letzte durch ist, sichtet das Team, was übrig geblieben ist, räumt auf und macht sauber.
Um die vierhundert Bedürftige versorgt die „Kamenzer Tafel“ derzeit. Jeder darf einmal pro Woche kommen. „Wer als Bürgergeldempfänger, Wohngeldempfänger oder Ruheständler mit wenig Rente seine Bedürftigkeit nachweisen kann, bekommt den Tafelausweis. Wichtig: Er oder sie muss einen festen Wohnsitz haben. Dies schließt die Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtung aus. Leider gibt es dazu immer wieder Diskussionen“, berichtet die Leiterin.
Während bis vor zehn Jahren fast nur Deutsche die Angebote der „Tafel“ nutzten, betrage der Ausländeranteil nach Sandra Muschters Schätzung nun um die vierzig Prozent: vor allem Syrer und Menschen aus anderen arabischen Ländern, seit 2022 verstärkt Ukrainer. Ein Teil dieser Klientel habe sich anfangs unpassend oder anmaßend verhalten. Klare Ansagen, Plakate mit Verhaltensregeln und die Androhung von „Tafelverbot“ hätten aber geholfen. Bezüglich einer anderen Gruppe unter den Bedürftigen fürchtet Sandra Muschter, dass deren Zahl in Zukunft stark steigen wird: Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien, oft Frauen, die nur eine geringe Rente erhalten. „Sie tun mir unglaublich leid. Denn anders als die Bürgergeldempfänger, die hier die Mehrheit stellen, müssen sie die steigenden Mieten und Nebenkosten selbst stemmen und bekommen sie nicht vom Staat gezahlt.“
Andere „Tafeln“, vor allem in Großstädten, klagen darüber, dass sie mit geringer werdenden Lebensmittelspenden eine wachsende Zahl von Bedürftigen satt bekommen müssen.
Dieses Problem hat Kamenz zum Glück nicht. „Man merkt, dass wir uns im ländlichen Raum befinden. Bei uns ist eigentlich immer genug da. Oft bringen Bauern auch Kartoffeln oder Gemüse vorbei oder Gartenbesitzer Unmengen von Obst.“ Sorgen macht Sandra Muschter dagegen, dass sie die täglichen Aufgaben mit weniger Mitarbeitern als früher bewältigen muss: So würden dauerhaft weniger Stellen für Ein-Euro-Jobber bewilligt – obwohl diese die meiste Arbeit erledigen. „Und die Arbeitseinstellung und die Selbstständigkeit derer, die kommen, lässt manchmal zu wünschen übrig.“
Dennoch motiviert Sandra Muschter und ihr Team jeden Tag wieder der Gedanke, etwas Sinnvolles zu tun. Manchmal sind es auch die kleinen Lichtblicke, die helfen, wie die geplante Weihnachtsfeier am 6. Dezember. „Dafür suchen wir wie jedes Jahr Bürger, die Geschenke für bedürftige Kinder einpacken und vor der Feier hier abgeben.“