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Jobcenter betrügen – für Einige wie Sport

Jobcenter betrügen – für Einige wie Sport

Wer Hartz IV-Leistungen bezieht, muss sämtliche Veränderungen seiner persönlichen Einkommenssituation schnell der Behörde melden, sonst besteht die Gefahr, dass zu Unrecht Geld kassiert wird. | Foto: Archiv

Landkreis Görlitz. Wer keinen Job hat, bekommt Geld vom Amt. Weil von den Antragstellern zuweilen – absichtlich oder aus Unwissenheit – geschummelt wird, muss die Bußgeldstelle des Landkreises auf Veranlassung des Jobcenters ermitteln. Strafen bis zu 5.000 Euro sind möglich, wurden in dieser Höhe hier aber noch nicht praktiziert.

Immerhin sieben der 28 in der Bußgeldstelle des Landkreises beschäftigten Mitarbeiter sind mit Ordnungswidrigkeiten befasst, die durch Verstöße gegen die Richtlinien des Sozialgesetzbuches II (SGB II) entstehen. Damit sind all jene Leistungsbezieher gemeint, die sich zu Unrecht Hartz IV-Gelder auszahlen lassen, obwohl die Bedingungen dafür nicht mehr gegeben sind. „Allerdings“, schränkt Sachgebietsleiter Uwe Kaiser ein, „verhalten sich 90 bis 95 Prozent der Leistungsempfänger korrekt. Uns geht es um den Rest, der sich entweder mit Tricks Zahlungen zu erschleichen versucht oder der aus Unkenntnis Dinge anzugeben vergisst.“

Immerhin wurden im vergangenen Jahr 42.510 Euro „ins Soll gestellt“ – wie die Forderungen im Behördendeutsch ausgedrückt werden. Allerdings wurden davon bisher lediglich 7.000 Euro gezahlt. „Ein Teil der Leute erhebt Einspruch, manche Fälle landen sogar vor Gericht. Mit den Meisten werden Ratenzahlungen vereinbart, denn sonst ist das für die Betreffenden kaum zu schaffen.“ Immerhin müssten sie die fälschlicherweise zu viel gezahlten Leistungen rücküberweisen, zusätzlich die von der Bußgeldstelle verhängte Strafe. Die bewegte sich 2015 vom Minimalwert fünf Euro bis zu immerhin 1.015 Euro. Das vom Gesetzgeber vorgegebene maximal mögliche Bußgeld von 5.000 Euro wurde im Landkreis Görlitz bisher noch nicht verhängt. „Dazu müsste man schon jemandem den Vorsatz seiner Tat nachweisen. Und das ist schwierig“, begründet Kaiser.

Immerhin gab es 2015 im Vergleich zum Vorjahr einen deutlichen Rückgang der Bußgeldverfahren: Musste 2014 noch in 2.087 Fällen ermittelt werden (wovon sich wegen Betruges in 492 Fällen Strafanzeigen daraus entwickelten, die über das Hauptzollamt zur Weiterbearbeitung an die Staatsanwaltschaft verwiesen wurden) so waren es ein Jahr später nur noch 1.429 Verfahren, von denen man 370 als Straftatbestände behandelte.

„Wir hatten in diesem Zeitraum eine leicht sinkende Zahl von Leistungsempfängern. Vielleicht waren es aber auch einfach weniger Vorkommnisse. Wir sind ja auf die Zuarbeit des Jobcenters angewiesen, bekommen von dort die Anzeige mit Indizien zum Leistungsmissbrauch übergeben. Dieser Sache müssen wir dann nachgehen“, erklärt der Sachgebietsleiter.

Als Verstöße kommen meist verspätete, unvollständige oder falsche Angaben zur Person oder zu den Leistungsvoraussetzungen in Betracht. Dazu zählt zum Beispiel die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Aber auch Erbschaften von Geld und Immobilien müssen angegeben werden. „Auch Scheinselbstständigkeit und Schwarzarbeit spielen hier mit hinein, wobei dies tatsächlich schwer nachzuweisen ist“, erläutert Kaiser. Geprüft würden auch Fälle von eventuellem Leistungsmissbrauch, wenn Ausländer – oft Polen oder Tschechen – in Deutschland einen Wohnsitz nehmen, ein Gewerbe anmelden, das aber schon nach kurzer Zeit nicht mehr funktioniert, sie dadurch aber leistungsberechtigt sind.

Einen krassen Fall von Betrug haben Uwe Kaiser und seine Mitarbeiter (fünf der sieben sind in Zittau beschäftigt, zwei weitere in Niesky) im vergangenen Jahr bei einem jungen Mann erlebt, der erst Hartz IV-berechtigt war, dann aber studierte und BAföG beantragte. „Durch einen vom Jobcenter veranlassten Kontenabgleich kamen wir ihm schnell auf die Schliche und konnten ihm nachweisen, dass er Gelder von beiden Stellen kassierte. Das kann dann schon kein Zufall oder Versehen mehr sein.“ Für einige Wenige sei das Betrügen von Finanzamt oder Jobcenter wie ein Sport. Allerdings würden die von der Bußgeldstelle verhängten Strafen durchaus eine erzieherische Wirkung entfalten. „Vieles spricht sich unter den Leistungsempfängern herum. ‚Da musst du aufpassen, die kontrollieren‘ – das ist ein Satz, der bei Gesprächen innerhalb des Klientels häufig zu hören ist.“

Obwohl es sich bei den wegen Leistungsmissbrauch verhängten Bußgeldbeträgen um keine Riesensummen handelt und die Kasse des Landkreises dadurch keinesfalls gesunden kann, empfindet Uwe Kaiser die Arbeit seiner sieben Mitarbeiter als durchaus wichtig: „Zum Einen ist es eine gesetzliche Pflichtaufgabe, zum Anderen müssen wir den großen Teil der Leistungsempfänger, der sich an Recht und Gesetz hält, vor denen schützen, die sich Geld unverdient erschleichen wollen.“ Zum Dritten trage die Arbeit auch zur Entlastung des Kreishaushaltes bei: Bei aufgedeckten Vergehen müssten die unberechtigt gezahlten Gelder nicht mehr überwiesen werden. „Wir sorgen dafür, dass nur das gezahlt wird, was dem Betreffenden zusteht.“

Frank-Uwe Michel / 23.04.2016

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