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Landkreis Görlitz als Kuchen ohne Rosinen

Landkreis Görlitz als Kuchen ohne Rosinen

O⋌hne Breitband nutzt der beste Router nicht viel: Der Landkreis Görlitz will die bislang unterversorgten Gebiete an das schnelle Internet anbinden. Foto: um

Der Landkreis Görlitz will bis 2020 eine flächendeckende Versorgung seines Kreisgebietes mit Breitbandinternet (mindestens 50 Mbit/Sekunde) gewährleisten. Die Kosten betragen je nach gewählter Technologie zwischen 84 und 145 Millionen Euro und können vom Bund und vom Freistaat Sachsen mit bis zu 92 Prozent gefördert werden.

Görlitz. Vor wenigen Jahren galt beim Internet eine Übertragungsrate von 30 Mbit pro Sekunde noch als gigantisch. Wer über einen solch leistungsfähigen Anschluss verfügte, konnte sich den Anforderungen des Informationszeitalters gewappnet fühlen. Alles Schnee von Gestern: Heutzutage gelten erst Übertragungsraten ab 100 Mbit pro Sekunde als schnell, und die Entwicklung ist noch lange nicht ausgereizt.

Dennoch spielt die Marke von 30 Mbit pro Sekunde in der Breitbandstrategie des Landkreises Görlitz eine wichtige Rolle: Der Ausbau für noch höhere Geschwindigkeiten ist in Gebieten, die bereits über eine solche oder eine bessere Versorgung verfügen, nicht förderfähig. Oder anders ausgedrückt: Wer sich frühzeitig „gekümmert“ hat, der guckt jetzt in die Röhre.

Für die für Kreisentwicklung zuständige Dezernentin des Landratsamtes, Heike Zettwitz, stellt dies durchaus ein Problem dar: „Die förderfähigen, also noch nicht mit 30 Mbit versorgten Gebiete verteilen sich wie ein Flickenteppich über den Landkreis“, erklärt sie. Oder man könnte auch ein anderes Bild wählen: Der Kreis Görlitz gleicht, was den Breitbandausbau anbelangt, einem Kuchen, aus dem die Rosinen bereits herausgepickt wurden. Die Rosinen – das sind in diesem Fall die Städte oder auch Gemeinden mit einer gewissen baulichen Verdichtung. Dort nämlich hat es sich für die Telekommunikationsunternehmen bereits in der Vergangenheit gelohnt, zu investieren. Die Folge: Während zum Beispiel große Teile der Stadtgebiete von Görlitz, Niesky und Zittau bereits mit (relativ) schnellem Internet versorgt sind, so trifft dies für Emmerichswalde, Dürrbach oder Saalendorf nicht zu. Insgesamt 17 300 Haushalte befinden sich in den nach diesem Kriterium förderfähigen Gebieten.

Der bisherige Nachteil kann sich jedoch im Zuge des jetzt anvisierten Ausbaus zu einem Vorteil wandeln: „Überall dort, wo noch kein schnelles Internet anliegt, kann jetzt nach den Förderrichtlinien modernste Technologie zum Einsatz kommen, die Geschwindigkeiten von 50 oder auch 100 Mbit ermöglicht“, wie Bernd Böhlke vom Kreisentwicklungsamt betont.

Dies führt zu der paradoxen Situation, dass die „Häuser am Waldrand“ nach 2020 wahrscheinlich über eine bessere Internetanbindung verfügen werden als die Zentren der größeren Städte. Ob dies tatsächlich Sinn macht – darüber hat Heike Zettwitz auch schon nachgedacht. Allerdings ist es nicht an ihr, darüber zu urteilen: „Die Förderbedingungen sind so, und wir werden das Beste daraus machen.“ Seit kurzem liegt die von der Tele-Kabel-Ingenieurgesellschaft Chemnitz erarbeitete Studie zur Breitbandversorgung im Landkreis vor, die die Grundlage für den Förderantrag und die Ausschreibungen bilden soll. Daraus ergeben sich Gesamtkosten zwischen 84 Millionen Euro (beim Einsatz der so genannten Vectoring-Technologie; für die Endanschlüsse kommen Kupferkabel zum Einsatz) und 145 Millionen Euro (alles komplett aus Glasfaser). Bei einer Förderquote von circa 90 Prozent muss der Kreis immer noch gewaltige acht bis 14 Millionen Euro selbst stemmen. Heike Zettwitz will versuchen, die davon mit profitierenden Gemeinden auch bei der Finanzierung mit ins Boot zu nehmen. Rietschen, Schleife, Trebendorf und Groß Düben sind dabei „außen vor“, da diese Gemeinden bereits eigene Lösungen auf den Weg gebracht haben. Eine Beteiligung der Endnutzer – ähnlich wie beim Straßenausbau – ist nicht vorgesehen. Die Ausschreibung erfolgt zunächst technologieunabhängig: „Wir sind auch für alternative Varianten, beispielsweise auf Funkbasis, offen“, so Bernd Böhlich. Und vielleicht ergibt sich ja im Zuge des Bieterwettbewerbs noch eine Reduzierung des Endpreises. Allerdings kann aufgrund des zu erwartenden „Baubooms“ auch das Gegenteil eintreten.

Uwe Menschner / 17.10.2016

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