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Neuer Zank ums Spreehotel

Neuer Zank ums Spreehotel

Ein Bild aus besseren Tagen: Zuletzt beherbergte Hotelier Peter Rausch (Mitte) anerkannte Flüchtlinge in seinem Haus am Stausee, um ihnen gerade in der Anfangszeit ein Dach über dem Kopf zu bieten. Doch damit soll Ende des Jahres definitiv Schluss sein.

Bautzen. Für die einen ist es ein Auslaufmodell, für die anderen nach wie vor ein wichtiges Instrument bei der Integration von anerkannten Asylbewerbern: Um das Spreehotel ist ein handfester Streit im Stadtrat entbrannt. Nachdem der Finanzausschuss in seiner jüngsten Sitzung einer Beschlussvorlage der Stadtverwaltung wider Erwarten kein grünes Licht erteilte, wird weiterhin heftig über die Beweggründe einzelner Mitglieder des Gremiums diskutiert. Eigentlich sollte die ehemalige Vier-Sterne-Herberge am Stadtrand von Bautzen, nachdem sie im Sommer Teil des Förderprogramms „Quartiersmanagement“ wurde, durch die Kommune mit einer Finanzspritze in Höhe von 25.000 Euro unterstützt werden. So hatten es scheinbar Landkreis, Freistaat und Hotelbetreiber Peter Rausch im Vorfeld mit der Rathausspitze ausgehandelt. Zumindest bezieht sich Landrat Michael Harig auf eine solche „Geschäftsgrundlage“. Im Gespräch mit dem Oberlausitzer Kurier kündigte er an, sich mit der Stadt Bautzen in Verbindung setzen zu wollen, um die Zahlung der „in Rede stehenden Summe“ doch noch zu erreichen – und das, so hofft er, möglichst außergerichtlich. Hintergrund war, auf diese Weise einen Beitrag zu leisten, um Obdachlosigkeit in der Kommune zu vermeiden. Diese hat sich um die Unterbringung anerkannter Asylsuchender, also ihrer neuen Bürger, zu kümmern. So argumentiert das Landratsamt.

Zukunft von Spreehotel bereits im Sommer ungewiss

Das hatte schon für Mitte Juli seinen Mietvertrag mit den Spreehotelbetreibern aufgekündigt, nachdem die Asylbewerberzahlen in der Region deutlich zurückgegangen waren. Zum damaligen Zeitpunkt mussten 80 Flüchtlinge ihre Koffer packen und die Unterkunft am Stadtrand verlassen. Dennoch schätzt man in der Kreisbehörde die Arbeit von Hotelier Peter Rausch und seiner Mannschaft. Um die engagierten Flüchtlingshelfer nicht im Regen stehen zu lassen, wurde kurzerhand die Idee eines „Übergangsheimes“ für anerkannte Asylsuchende geboren. Im Idealfall wäre dieses Modell über die bis zum Jahresende vereinbarte Frist hinausgegangen. Doch nicht mehr für den Unternehmer aus dem Schwarzwald. Er hat das Handtuch geworfen. Wie viele seiner Mitstreiter kann er das Votum im Finanzausschuss nicht nachvollziehen. „Das ist ein unlauteres Geschäftsgebaren. Hätte ich das vorher gewusst, wäre ich nicht darauf eingegangen.“ Der Geschäftsmann, der im Zuge einer Insolvenz ungewollt zum Flüchtlingsmanager wurde, bleibt kurz vor Toreschluss nun auf einer ganzen Stange Geld sitzen, das er selbst aufbringen muss, um den Betrieb bis zum 31. Dezember sicherzustellen. Danach will der einstige Wahl-Bautzener in seiner alten Heimat wieder Fuß fassen.

Trotz allem hält der Hotelier die Idee eines Integrationszentrums nach wie vor für vernünftig. „Wenn die Wohnsitzauflage für Flüchtlinge kommt, und davon gehe ich aus, werden wir vor allem für besonders große Familien Wohnraum benötigen, den wir durchaus für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stellen können“, begründet Peter Rausch die Notwendigkeit seines Spreehotels. Auch Oberbürgermeister Alexander Ahrens sieht in dem Haus einen gewissen Nutzen. „Das erklärte Ziel aller Beteiligten war und ist die Vermeidung von Obdachlosigkeit. In diesem Fall wäre die Stadt zuständig und hätte bedeutend höhere Kosten für die Unterbringung“, ließ das Stadtoberhaupt in einer Pressemitteilung wissen. „Allein die zwölf vorhandenen Plätze kosten uns im Jahr etwa 132.000 Euro“. Zudem stünden in Bautzen nicht ausreichend Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung. Betroffene müssten also im Extremfall in anderen Hotels untergebracht werden.

Patt im Ausschuss blockiert Finanzhilfe

Dieser Argumentation des Stadtoberhauptes wollten nicht alle Mitglieder des Finanzausschusses blindlings folgen. Wohl auch, weil sie scheinbar ganz andere Informationen besaßen. Am Ende stand es vier zu vier, der Antrag der Verwaltung war damit abgelehnt.

Unter anderem hatte Steffen Tech, Fraktionsvorsitzender des BürgerBündnis Bautzen e.V. (BBBz), mit Nein gestimmt. Er begründete seine ablehnende Haltung im Nachhinein damit, dass es nach Kenntnis seiner Fraktion momentan ausreichende Kapazitäten für eine Unterbringung in anderen Aufnahmeeinrichtungen gibt. „Auch haben wir die Information erhalten, dass die Wohnungsbaugesellschaft noch Wohnungen vorhält, die sofort von Flüchtlingen bezogen werden können.“ Aus BBBz-Sicht ist nicht die Zuständigkeit der Stadt, sondern die des Landkreises gegeben. „Der Oberbürgermeister hat in der Beratung des Finanzausschusses den Antrag auch damit begründet, dass bei Nichtgewährung des Zuschusses die Einrichtung (das Spreehotel, die Red.) sofort geschlossen wird und die noch dort wohnenden anerkannten Flüchtlinge dann direkt obdachlos werden würden. Für deren Unterbringung wäre dann die Stadt zuständig. Es gab aber bisher keine Signale des Landratsamtes, von der gängigen Praxis, anerkannte Flüchtlinge solange in den Einrichtungen zu dulden, bis diese einen geeigneten Wohnraum gefunden haben, abzurücken.“ Mike Hauschild von der FDP, der keinen Sitz im Finanzausschuss innehat, ließ auf Anfrage wissen: „Dass ausreichend Wohnungen in Bautzen und Umgebung zur Verfügung stehen, hat selbst Herr Rausch durch seine große Zahl an Vermittlungen in kurzer Zeit bestätigt.“ Die CDU mit gleich vier Sitzen in dem Entscheidungsgremium ist basierend auf einer Einschätzung der Wohnungsbaugesellschaft der Auffassung, dass es unproblematisch sei, für die acht derzeit im Spreehotel untergebrachten Großfamilien eine alternative Bleibe innerhalb der Stadt zu finden. Die Christdemokraten treibt vielmehr eine ganz andere Frage um: „Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum in dem gestellten Antrag ein Zuschuss für 80 Hotelzimmer des Spreehotels in Höhe von 25.000 Euro gestellt wurde“, meinte Fraktionschef Karsten Vogt. „Auch auf Nachfrage wurde bestätigt, dass es sich dabei nicht um einen Schreibfehler handelt. Warum benötigen 16 Menschen 80 Zimmer?“ Bei diesen Bewohnern des Spreehotels ist ausschließlich von alleinlebenden jungen Männern die Rede, die aktuell noch keine Perspektive auf eine eigene Wohnung haben.

Rot-Rot hält an Integrationsidee fest

SPD und Linke hingegen befürworten noch immer eine finanzielle Unterstützung. „Das Integrationszentrum Spreehotel sollte auf Grundlage eines Agreements (formlose Abmachung, die Red.) zwischen Land, Landkreis und der Zusage des OB seine Tätigkeit zwischen dem 15. Juli und 31. Dezember 2017 aufnehmen, um den Flüchtlingen das Leben und deren Eingliederung zu erleichtern, dem Landkreis sowie der Stadt schwierige Aufgaben abzunehmen und somit unter anderem die vorhandenen Ressentiments zu mindern. Durch diese Handlungsweise wird genau das Gegenteil erreicht. Die Fremdenfeindlichkeit wird gefördert, die Vorurteile zementiert und der Ruf der Stadt und Region weiter verschlechtert“, ist SPD-Fraktionschef Roland Fleischer der Auffassung. „Es wäre auch möglich gewesen, die Entscheidung in den Stadtrat zu verweisen“, fügt Steffen Grundmann von der Linkspartei hinzu. „Dies ist nun verbaut. Mit dem Wegbrechen einer der Finanzierungssäulen, mit dem fehlenden Rückhalt bei den Abgeordneten und natürlich auch in Hinblick auf die stark zurückgegangenen Zahlen ist die Schließung zum Jahresende leider nur konsequent.“ Trotz der ganzen Querele gibt es einen Hoffnungsschimmer am Horizont. Noch einmal Steffen Grundmann: „Das Unterstützungs- und Betreuungskonzept soll am Leben erhalten werden, indem im neuen Jahr das Projekt ‚Quartierbüro’ als eigenständiges Projekt in der Stadt Bautzen – finanziert von Land und Landkreis – fortgeführt wird. Damit bleiben das in dreieinhalb Jahren erworbene Know-how sowie die Kontakte zu den Flüchtlingen und den Netzwerkpartnern erhalten.“

Keine Invest-Ruine zu befürchten

Auch was die Zukunft des am Bautzener Stadtrand gelegenen Hotels anbelangt, sind durchaus zuversichtliche Töne zu vernehmen. Karsten Vogt: „Nach unseren Informationen gibt es Perspektiven für das Spreehotel, welche nicht erwarten lassen, dass wir an dem Standort eine dauerhafte Invest-Ruine befürchten müssen. Um diese Entwicklung jedoch nicht zu beschädigen, kann darüber derzeit nicht detaillierter gesprochen werden.“ „Der Eigentümer wird das Hotel über kurz oder lang sanieren beziehungsweise verkaufen“, denkt Mike Hauschild. „In dem jetzigen Zustand wird es nicht sehr teuer und somit für verschiedene Investoren interessant sein. Wir sehen eine Nutzung des Hotels im eigentlichen Sinne aber sicherlich mit einem modernen Konzept für die Zukunft an diesem Standort.“ Die BBBz-Fraktion würde es begrüßen, wenn das Spreehotel wieder als Hotel und Tagungsstätte betrieben wird. Steffen Tech: „Offensichtlich gibt es für ein solches Konzept auch schon Interessenten.“

Roland Kaiser / 20.11.2017

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