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Reiche Gemeinde am Tropf

Reiche Gemeinde am Tropf

Obergurig. Die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr im Ortsteil Großdöbschütz haben einen Traum: Sie möchten liebend gern ihr fern ab vom Schuss befindliches, verwinkeltes und beengtes Domizil an der Drohmbergstraße räumen und in ein neues, besser erreichbareres umziehen. Eine geeignete Immobilie an der Hainitzer Straße, die sich auch zum barrierefreien Seniorentreff ausbauen lässt, war recht schnell gefunden und von der Gemeinde erworben worden. Noch zu Jahresbeginn sah alles danach aus, als könnte der Wunsch der Floriansjünger schon recht bald in Erfüllung gehen und sich die Einsatzzeit verkürzen.

Bis zu dem Tag, als die Verwaltung Post vom Finanzamt erhielt. In dem bereits sehnsüchtig erwarteten Schreiben waren bezogen auf einen im Ortsteil Singwitz ansässigen Arbeitgeber anders als in den Jahren zuvor allerdings keine Gewerbesteuern in Größenordnung ausgewiesen, sondern lediglich eine Null. Erst auf Nachfrage erfuhr Bürgermeister Thomas Polpitz den Grund dafür. Ohne die Kommune in die Pläne einzuweihen, schloss die in Nordrhein-Westfalen beheimatete Muttergesellschaft bereits im vergangenen November mit dem Lausitzer Tochterunternehmen einen Gewinnabführungsvertrag. Recht schnell wird klar, warum. Zuletzt hatte der Produzent von porösen Kunststoffprodukten laut dem Internetportal North Data im Jahr 2016 einen Gewinn von rund sieben Millionen Euro eingefahren und Steuern in Höhe von rund 3,2 Millionen Euro abzuführen. Seit 2014 waren die Gewinne sprunghaft gestiegen und damit auch die Abgaben in der Region. Indes bedeutet für Obergurig die jüngste Entwicklung wenig Gutes: Statt einer Millionensumme gibt es künftig nur noch einen Zerlegungsanteil in sechsstelliger Höhe. Darüber hinaus musste die Gemeinde 1,7 Millionen Euro an zuviel eingenommenen Gewerbesteuern an das US-Unternehmen zurückzahlen. Glücklicherweise hatte die Kommune einen Großteil der Summe auf der hohen Kante, meint Thomas Polpitz. Etwas stößt ihm in dem Zusammenhang besonders auf: Trotzdem die Gemeinde jetzt wieder auf Schlüsselzuweisungen vom Land angewiesen ist, muss sie 2018 nochmals die volle Reichensteuer an den Freistaat entrichten. 247.000 Euro sind das in Summe. Hinzu kommt die Kreisumlage.

„Wir hoffen jetzt auf ein zinsloses Darlehen des Landes, damit wir zumindest einige unserer Investitionen in Angriff nehmen und die Pflichtaufgaben weiterhin stemmen können“, fügt der Bürgermeister hinzu. „Unabhängig davon sind wir vor dem Hintergrund geringerer Einnahmen dazu angehalten, die Grund- und Gewerbesteuerhebesätze moderat zu erhöhen. Dadurch werden wir in die Lage versetzt, zusätzlich 26.000 Euro im Jahr einzunehmen.“

Das Haushaltsstrukturkonzept liege momentan beim Landkreis zur Prüfung. Sollte es grünes Licht bekommen, wäre auch der diesjährige Etat genehmigt.

Thomas Polpitz bedauert, dass es gerade die jungen Familien, über die er sehr froh ist und denen er dankt, dass sie sich für Obergurig entschieden haben, doppelt hart trifft.

Sie müssen nicht nur mit einer höheren Grundsteuer rechnen. Wegen der gestiegenen Personalkosten sah sich die Kommune ebenso dazu gezwungen, die Kitabeiträge ein Stück weit anzuheben.

Doch der Bürgermeister gibt auch zu bedenken, dass zumindest ein Teil der Steuereinnahmen in Projekte wie den geplanten Umzug der Großdöbschützer Feuerwehrkameraden oder in den Hochwasserschutz zwischen Blumental und der Ortslage Obergurig zurückfließen soll. Denn davon profitiert nach Ansicht des Gemeindeoberhauptes wiederum die Allgemeinheit.

Die Hochwasserschutzmaßnahme wird, wenn nicht wieder etwas dazwischen funkt, aller Voraussicht nach 2019 starten. Fördermittel flossen beizeiten aus dem Programm „Brücken in die Zukunft“. Eine Verschiebung des Unterfangens auf das kommende Jahr wurde der Gemeinde nach Auskunft des Bürgermeisters bewilligt.
Wie es hingegen mit den Kameraden der Großdöbschützer Wehr weitergeht, steht noch in den Sternen. „Da sind wir gleichfalls auf Fördermittel angewiesen“, betont Thomas Polpitz. „Wenn es ein zweites Mal mit Leader nicht klappt, bemühen wir uns um eine Fachförderung.“

In Richtung der Landes- und Bundespolitik mahnt er indes an, endlich eine gesetzliche Regelung zu finden, die verhindert, das Kommunen förmlich über Nacht am Staatstropf hängen, nur weil ein Unternehmen der Meinung ist, Steuern sparen zu müssen.

Dass eine ehemalige reiche Gemeinde wie Obergurig trotz des finanziellen Desasters auch noch eine Finanzausgleichsumlage in voller Höhe abzuführen hat, vermag Thomas Polpitz nicht nachvollziehen. Bezüglich der Aussage aus dem Finanzministerium, für den Fall einen Kredit aufzunehmen, kann er nur mit dem Kopf schütteln. Tatsächlich aber wird Obergurig erst einmal nicht drum herumkommen.

Roland Kaiser / 27.08.2018

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