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Sind seine Tage schon bald gezählt?

Sind seine Tage schon bald gezählt?

Viele Bautzener meiden ihn, Touristen schütteln mit dem Kopf: Der Fußgängertunnel zwischen Kornmarkt und Karl-Marx-Straße steht wegen seines Erscheinungsbildes in der dauerhaften Kritik. Graffitisprüher hingegen haben hier eine Wirkungsstätte gefunden.

Bautzen. Den einen dient er als Graffitifläche, andere wiederum sehen in ihm einen unhaltbaren Zustand. Der Fußgängertunnel im Herzen der Spreestadt, der die viel befahrene Staatsstraße S 111 unterquert und Passanten eine sichere Verbindung zwischen Kornmarktpassage auf der einen und Kornmarktcenter auf der anderen Straßenseite ermöglicht, ist einmal mehr ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. „Wir erwarten von der Stadtverwaltung einen Plan, was dort in Zukunft gemacht werden kann“, sagte der Vorsitzende der CDU-Stadtratsfraktion, Rolf-Alexander Scholze, auf Anfrage. „Obwohl das Thema regelmäßig hochkocht, gab es bislang keinen vernünftigen Lösungsvorschlag.“ Das Bürgerbündnis Bautzen (BBBz) wiederum will eigenen Angaben zufolge im November einen Antrag in den Stadtrat einbringen. Ihm geht es in erster Linie um eine Verjüngungskur des Bauwerkes, das einst viel Geld verschlungen habe, und um eine vernünftige Inbetriebnahme. So könnten an den Wänden des Tunnels, die übersät sind mit diversen Graffitis und Schmierereien, abwaschbare Kacheln angebracht werden, meinte BBBz-Sprecher Christian Haase. Auf jeden Fall sollen sich Bau- und Ordnungsamt Gedanken für eine weitere Nutzung machen und bis zum kommenden Frühjahr entsprechende Lösungsvorschläge den Bürgervertretern unterbreiten. „Wenn die Stadt das nicht realisieren kann, droht dem Tunnel unweigerlich das Aus“, fügte er hinzu. Doch einfach den unterirdischen Gang zuschütten, könne nicht das primäre Ziel sein.

Genau dieses wird aber von der Rathausmannschaft offenbar in Betracht gezogen, wie wiederum aus einer Antwort der Stadtverwaltung auf eine Anfrage des Oberlausitzer Kuriers hervorgeht. „Der Fußgängertunnel ist in seiner Funktion ergänzend zu den zweifelsfrei angenehmeren und barrierefreien Querungen auf Straßenniveau. Perspektivisch soll er zurückgebaut oder verfüllt werden, da er für den Fußgängerverkehr entbehrlich ist und als Bauwerk Unterhaltungskosten verursacht“, erklärte Baubürgermeisterin Juliane Naumann. „In einer Machbarkeitsstudie sind Möglichkeiten des Rückbaus untersucht und gleichzeitig zahlreiche Herausforderungen aufgezeigt worden. Im Tunnel mündet ein notwendiger Fluchtausgang aus der Tiefgarage der Hausnummern 4 bis 6, welcher erhalten werden muss. Anschließend an die Befassung mit dem Tunnel wären die Neuplanung und Umgestaltung des gesamten Straßenabschnittes Lauengraben/Mündung Karl-Marx-Straße notwendig. Als Voraussetzung dafür sind jedoch noch konzeptionelle Überlegungen zum Verkehr in der Innenstadt notwendig.“ Die Stadt rechnet für den Fall mit Kosten in Höhe von 250.000 bis 350.000 Euro – je nach Rückbauvariante. Indes ist für die Aufzüge an den beiden Enden des Tunnels bereits eine Entscheidung getroffen worden. „Es gibt derzeit keine Planung, diese wieder zu ertüchtigen“, betonte Juliane Naumann. „In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass der Tunnel – und vor allem die beiden Aufzüge – anfällig für Vandalismus sind. Die Möglichkeiten, dies dauerhaft zu verhindern, sind sehr beschränkt.“ Um bis zu einer endgültigen Lösung einen Verfall des Durchganges zu verhindern, versuche die Kommune über regelmäßige Kontrollgänge und die Beauftragung der Reinigung über die Stadttochter BBB, die negativen Einwirkungen zu minimieren.
BBB-Mitarbeiterin Linda Krause ließ in dem Kontext wissen, dass ein Dienstleister beauftragt wurde, die Unterführung dreimal pro Woche zu säubern. „Leider sind oft schon kurz nach der Feuchtreinigung wieder Verschmutzungen feststellbar“, bedauerte sie. Um welche es sich dabei handelt, sagte sie nicht. Wer jedoch den Tunnel betritt, bekommt recht schnell eine Ahnung davon, worauf sie anspielte. Meter unter der Erdoberfläche riecht es oft verdächtig nach Urin.

Egal wie die Entscheidung am Ende ausfällt – das alles könnte bald Geschichte sein. „In jedem Falle muss der Erhalt und die Sanierung des Tunnels angestrebt werden, alles andere wäre eine Kapitulation vor Vandalismus und asozialem Verhalten“, bekräftigte noch einmal Christian Haase. Ins gleiche Horn bläst die AfD. „Die Stadt beschäftigt sich mit ‚millionenschweren Projekten’, aber Bestehendes zu erhalten oder auszubauen gelingt oft nicht. Oder es steht einfach nicht auf der Tagesordnung“, schimpfte Fraktionschef Sieghard Albert.

Utta Winzer, die sich bereits für die Rettung der Stadthalle Krone einsetzte, plädiert dafür, einen Zugang nur zu bestimmten Zeiten zu ermöglichen. Technisch sei das bereits möglich.
Torsten Wiegel, Geschäftsführer des Bautzener Steinhauses, kann indes die Aufregung um die Sprühereien in der Unterführung nicht nachvollziehen. „Der Tunnel wird als legale Graffitifläche genutzt. Jeder, der sich da ausprobieren möchte, kann dies tun. Von der Zielgruppe wird er gern angenommen. Es ist damit nicht kriminell, sondern eine Art Galerie.“ Deren Tage wären dann auch erst einmal gezählt.

Die Unterführung ist ein Relikt aus DDR-Zeiten, das im Zuge des Kornmarkt-Hochhausbaus entstand und nach der Wende im Verlauf verändert wurde.

Roland Kaiser / 17.10.2020

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