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Unternehmenskonzept eröffnet 
neue Chancen für Bombardier

Unternehmenskonzept eröffnet 
neue Chancen für Bombardier

Der Kampf um den Erhalt der Bombardierwerke in der Oberlausitz hat sich ausgezahlt. Eine Schließung in Görlitz ist vom Tisch. Foto: IG Metall

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Der Chef der IG Metall Ostsachsen Jan Otto ist sich sicher: „Wir müssen jetzt am Ball bleiben.“ Foto: IG Metall

Der kanadische Bahnhersteller Bombardier hat jetzt die Karten für sein künftiges Unternehmenskonzept auf den Tisch gelegt. Demnach müssen in den nächsten drei Jahren bis zu 800 Männer und Frauen um ihren Arbeitsplatz bangen. Trotz allem spricht die Gewerkschaft IG Metall Ostsachsen von einem Erfolg. Wie passt das zusammen? OLK-Redakteur Roland Kaiser hat sich mit Geschäftsführer Jan Otto unterhalten.

Herr Otto, wieso können Sie den Streichplänen von Bombardier etwas Gutes abgewinnen?

Jan Otto: In der Presse ist leider in den letzten Tagen dazu viel durcheinander geschrieben worden. Richtig ist, dass es gelungen ist, über den Aufsichtsrat durch gemeinsam bestellte Berater eine Veränderung der ursprünglichen Unternehmenskonzeption zu erreichen. Dies ist nur gelungen, weil die Kolleginnen und Kollegen massiv Widerstand geleistet und sich für ihre Arbeitsplätze und ihre Region eingesetzt haben. Im Ursprungskonzept hätte das Görlitzer Werk nicht fortbestehen sollen und auch für Bautzen hätte es Einschnitte in der Kernkompetenz gegeben. Die jetzt verfolgten Pläne sind übrigens noch nicht das Ende dieser Auseinandersetzung. Spätestens gegen Ende des Sommers 2017 wird sich die in die Regionen verlagern. Wir haben als IG Metall Ostsachsen eine offene Verhandlungsaufforderung an Bombardier und wollen weitere Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung vereinbaren. Dies gilt für beide Standorte. Besonders hervorzuheben ist, dass in Zukunft alle Bombardier-Rohbauten in Görlitz gefertigt werden, also sämtliche Rohbauten für den deutschen Markt in allen denkbaren Ausführungen – von der Straßenbahn bis hin zu ein- und zweistöckigen Fahrzeugen. Damit ist endlich die werksbezogene Auftragsdebatte vom Tisch. Nun gilt: Jeder Auftrag, den Bombardier in Deutschland fertigen lässt, ist auch ein Auftrag für die ostsächsischen Werke.
Darüber hinaus gibt es die Zusage, europäische Aufträge in den ostsächsischen Kompetenzzentren, den so genannten Center of Competence (CoC), auszuführen.
Hierbei hilft es enorm, dass es bereits jetzt Investitionszusagen des Unternehmens in Millionenhöhe gibt. Was wir aber brauchen ist eine Erweiterung der Kompetenzen, um noch mehr Beschäftigung zu sichern. Nochmal: Die Werksschließung Görlitz ist vom Tisch! Und dies haben wir nur erreicht, weil die Kolleginnen und Kollegen sich aktiv gemeinsam mit der IG Metall für ihr Werk eingesetzt haben.

Ab wann genau sollen die Pläne zum Tragen kommen?

Jan Otto: Der „Transformationsprozess“, wie die Unternehmensseite ihn nennt, soll perspektivisch ab 2020 zum Tragen kommen. Genau das ist auch die Zeitspanne, die uns in der Region bleibt, um weitere Verbesserungen vorzunehmen. Gerade von städtischer Seite und durch den Oberbürgermeister Siegfried Deinege gibt es gute Ideen, wie wir das Werk in Görlitz weiter stabilisieren können. Das Bombardier-Thema wird uns alle also noch eine Weile begleiten. Das ist aber gut so, denn wir als Region und Beschäftigte wollen auch unsere Verantwortung wahrnehmen. Beide Werke sind mit hervorragenden Fachkräften ausgestattet – da geht noch mehr.

Was kann die Politik in diesem Zusammenhang leisten?

Jan Otto: Auf landes- und bundespolitischer Ebene sind zwei Dinge wichtig. Erstens: Wenn es Fördermittelbedarf für die Themen Standardisierung und Digitalisierung/Industrie 4.0 gibt, dann müssen diese auch kurzfristig abrufbar sein. Zweitens: Wir erwarten von der Politik – und da werden wir sie auch vor uns hertreiben – dass das Thema „local content“ aktiv beworben und auch gefordert wird. Wenn Großabnehmer wie die Deutsche Bahn oder auch die Kommunen Fahrzeuge für den deutschen Markt ordern, dann müssen diese auch in Deutschland gebaut werden. Generell gilt aus unserer Sicht: Die Politik hat uns an vielen Stellen unterstützt. Ich erinnere an die Besuche des stellvertretenden sächsischen Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister, Martin Dulig, oder auch die gute Zusammenarbeit mit den Bundeswirtschaftsministern Gabriel und Zypries. Beiden Oberbürgermeistern müssen wir ebenfalls danken – und zwar dafür, dass sie das Thema immer und immer wieder auf die Tagesordnung geholt haben. Selbst der Ministerpräsident war zu Besuch im Görlitzer Werk. Darüber hinaus gebührt ein Dankeschön dem Bundestagsabgeordneten Thomas Jurk. Er hat viele Türen geöffnet und hält sie auch weiterhin offen.

Wie groß ist die Chance, dass Mitarbeiter aus Görlitz künftig 50 Kilometer weiter westlich ihren Dienst verrichten?

Jan Otto: Diese Chance besteht vielleicht, wird aber nicht den Großteil der Beschäftigten betreffen. Um es klar zu unterstreichen: An dieser Stelle sind wir noch gar nicht. All dies wird Teil des Verhandlungsprozesses sein.

Inwieweit wäre eine Jobverlagerung nach Bautzen überhaupt möglich – und zwar bezogen auf die Qualifikation der Mitarbeiter?

Jan Otto: Genau da haben beide Werke ihre Stärken: Alle Mitarbeiter sind hervorragend ausgebildet. Und mit hoher Sicherheit ist bei vielen auch eine weiterführende Qualifizierung möglich und machbar. Diese steht übrigens sowieso in den meisten ostsächsischen Betrieben an. Industrie 4.0 ist kein Schlagwort mehr, sondern Realität. Dafür bedarf es dringend umfangreicher Qualifizierungsmaßnahmen.

Eine Frage bleibt: Bei Bombardier hatte man in der Vergangenheit stets das Gefühl, dem Unternehmen geht es im Großen und Ganzen gut. Wie sehr sehen Sie gerade vor diesem Hintergrund die angedachten Einsparungen als gerechtfertigt an?

Jan Otto: Wissen Sie, genau das ist ein Thema, das mich seit Jahren nervt. Wirklich schlecht geht es nur der Flugzeugsparte. Bombardier Transportation hat auch viele Jahre richtig gute Gewinne eingefahren. Jetzt läuft es mal nicht ganz rund und wieder sollen sofort die Kolleginnen und Kollegen bluten. Dazu kommt, dass wir bereits im vergangenen September in vielen guten Gesprächen mit den Abnehmern waren. Doch gerade als diese Arbeit so richtig Fahrt aufgenommen hatte, verschwand der deutsche Geschäftsführer schon wieder. Das ist ermüdend.
Dennoch werden wir dem neuen das gleiche Angebot unterbreiten und gemeinsam schauen, wie wir in Gänze noch mehr Aufträge zu Bombardier führen können. Aber natürlich immer unter der Bedingung: Soviel Beschäftigung erhalten wie möglich.

Roland Kaiser / 10.07.2017

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