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Ärztliche Außenpolitik mit Courage

Ärztliche Außenpolitik mit Courage

Im Klinikum gibt es für Patienten nur TV-Programm beim Erwerb einer Magnetkarte, die für vier Tage 20 Euro kostet. Immerhin ist beim Zahlen noch die Zuständigkeit klar... Foto: Scholtz-Knobloch

Diese neue Rubrik spürt dem alltäglichen Wahnsinn nach und wird sporadisch im Blatt zu finden sein. Oder doch häufiger? Denn die Anlässe für derartige Glossen türmen sich bereits in Zeiten wie diesen…

Görlitz (oder überall...). Meinen Hausarzt und mich verbindet die Verärgerung über die naive deutsche Außenpolitik, die dadurch kaschiert wird, indem man den Deutschen nebensächliche Themen zur Ablenkung als zentral vorgaukelt. Doch der jüngste Besuch bei ihm krönte den Unterhaltungswert des couragierten Mannes.

Hintergrund: Mitten in der Produktion der letzten Ausgabe befiel mich eine gefährliche Infektion, die für mich mit einer Notaufnahme und einer Woche Aufenthalt im Klinikum endete. Witzigerweise kam ich just in dem Moment am Klinikum an, als der Ministerpräsident zur Einweihung des Frauen-Mutter-Kind-Zentrums im Festzelt sprach, wo ich doch eigentlich eher dienstlich hätte aufschlagen sollen. Nach einer Woche am Tropf meldete ich mich nach Entlassung diesen Montag zunächst beim zuständigen Facharzt, wie auch im Anschluss bei meinem Hausarzt, denn einen Entlassungsbrief hatte ich beiden vorzulegen.

Meinen Hausarzt erboste sofort, dass mir der Facharzt die Medikamente, die ich nun in Form von Tabletten statt intravenös einnehmen sollte, mit der Bemerkung nicht verschrieben hatte, dies sei ja die Aufgabe des Hausarztes. „Zunächst einmal ist die Entzündung seine Sache als Facharzt“, war mein Hausarzt darüber empört, dass man ihm nun diese Aufgabe zugeschoben habe, „zumal: Neben dem fachlichen Grund erhält ein Facharzt noch deutlich mehr Honorar“. In meiner Anwesenheit griff er zum Hörer und wollte sich über dieses Vorgehen des Facharztes beschweren. In der Praxis nahm niemand ab, weswegen wir zunächst begleitend zur Durchsicht der Krankenakte in Lauerstellung noch ein paar Takte über Israel, Bahrain, Katar, die USA, die Türkei und die Krise in der Levante reden konnten. Das Trieb sein Adrenalin nicht herunter. Als auch nach erneutem Versuch in der nur 200 m entfernten Facharztpraxis niemand ans Telefon ging, schnappte er schnellen Schrittes seine Jacke und sagte entschlossen zu mir: „Wir gehen jetzt rüber, sowas muss mal grundsätzlich geklärt werden!“. Während der laufenden Sprechstunde und bei vollem Wartezimmer verließen wir also seine Praxis und schlugen persönlich zum Wortduell mit seinem Kollegen auf.

„Warten Sie bitte ein kleines Weilchen“, sagte die Sprechstundenhilfe zunächst ohne Gespür dafür, dass auch er Patienten zu betreuen hat. Als sich auch das wiederholte, wartete mein Hausarzt nicht mehr auf eine Aufforderung und gewährte sich selbst Eintritt im Sprechzimmer des Kollegen.

Auf dem Rückweg von der Nachbarpraxis schimpfte er weiter: „Das ist genau das Spielchen, was in unserer Welt immer mehr um sich greift. Der Schwarze Peter wird dreist einfach weitergereicht.“ Und irgendwie schlug das dann wieder den Bogen zur Außenpolitik. Denn die Akteure der deutschen Außenpolitik gehören ganz gewiss nicht zu den couragierten Geopolitikern dieser Welt, die sich mit einem bitter notwendigen Donnerwetter auch einmal Achtung verschaffen, sondern sich lieber abhängig machen und denen am Ende nur das laue Lüftchen des „Mahnens“ bleibt.

Übrigens: Mein Hausarzt bestand nicht darauf, dass der Kollege mir die Medikamente verschreiben müsse. Diese Peinlichkeit muss wohl schon weiter auf dem Kollegen lasten. Ach gäbe es doch solche deutschen Außenpolitiker wie meinen Hausarzt!

Till Scholtz-Knobloch / 25.09.2020

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