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Auftauhilfe für Schulabgänger

Auftauhilfe für Schulabgänger

Julia, Celine und Tara kaupelten im Schreibwarenladen von Elke Förster einen Haar-Conditioner im Wert von 1,30 Euro gegen einen Kalender. Foto: RK

Etwa 80 junge Frauen und Männer haben in diesen Tagen eine Zeitreise angetreten. In Bischofswerda übten sie sich im Tauschhandel. Dieser wiederum fand im Rahmen der alljährlichen Stadtrallye statt. Organisiert wird diese vom Netzwerk für Kinder- und Jugendarbeit, das in den Landkreisen Bautzen und Görlitz aktiv ist.

Bischofswerda. Da haben sich die Vereinskollegen in ihrem an der Lutherstraße gelegenen Domizil eine feine Aufgabe ausgedacht. Generation X und Z, die zurzeit in der Region Ostsachsen ihren Freiwilligendienst ableisten und deren Kommunikationsmittel in erster Linie das Smartphone und der Tablet-PC sind, wurden am Freitag vergangener Woche in puncto Verständigung mit fremden Menschen vor eine wahre Herausforderung gestellt. Das Ganze geschah im Rahmen einer Stadtrallye, deren Ziel es war, sich selbst etwas zu beweisen. „Oft stoßen nach Beendigung der Schule nicht nur junge Leute zu uns, die mit Schwung an die ihnen übertragenen Aufgaben herangehen, sondern auch jene, denen man Rahmenbedingungen wie Pünktlichkeit und Disziplin setzen muss. Und dann gibt es noch jene, die eher verschlossen wirken“, meint Birgit Pietrobelli. Bei ihr laufen die Fäden zusammen, wenn es um die Freiwilligendienste geht, die in Deutschland absolvierbar sind. „Letztere müssen in der Gruppe erst einmal auftauen. Und bei einer Aktion wie der Stadtrallye dürfen sie zeigen, wie offen sie bereits gegenüber ihren Mitmenschen sind.“ Vereinschef Andreas Mikus fügt hinzu: „Die Jugendlichen sollen mit anderen Menschen interagieren, sich auch überwinden und clevere Lösungen finden. Das alles in höflicher und freundlicher Form.“ Bezogen auf den alle Jahre wiederkehrenden Tauschhandel sagt er: „Es geht nicht um die Steigerung des Wertes der eingetauschten Stücke, sondern um Originalität.“

Julia, Celine, Jasmin, Tara und Marie hatten sich genau dieser Aufgabe zu stellen. „Am Anfang war das schon eine Umstellung“, sagen sie wie aus einem Mund in Anspielung auf den Freiwilligendienst im Anschluss an die Schulzeit. „Es wird jedoch von Tag zu Tag besser.“ Ausgestattet mit einer Büroklammer, die ihnen Birgit Pietrobelli und Andreas Mikus am Freitagmorgen in die Hand drückten, zogen sie vom Altmarkt aus los. Die 17 bis 19 Jahre alten Absolventinnen eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) beziehungsweise Bundesfreiwilligendienstes (BFD), die in den nächsten Monaten Erfahrungen in der Altenpflege und der Kommunalverwaltung sammeln, legten einen ersten Zwischenstopp in der Schneiderei einer Schiebockerin ein, die auf diese Weise ihr Hobby zum Beruf machte. Dort erhielten die jungen Damen eine Rolle Garn für ihre Büroklammer. Wenige Augenblicke später tauschten sie diese wiederum gegen einen Conditioner ein – und zwar unweit entfernt von dem Laden in einem Haarstudio. Auf dem Rückweg zum Altmarkt schaute das Quintett noch in ein Schreibwarengeschäft herein. Dessen Inhaberin Elke Förster hatte von der Aktion bereits gehört. Unverzüglich brachte zur Begeisterung der FSJ- und BFDlerinnen ein Mitarbeiter aus dem hinteren Teil des Ladens einen Radfahrkalender.

„Es ist schon eine ungewohnte Situation und auch eine Überwindung“, erklärt Celine, die erst seit wenigen Tagen in Kleinwelka im Bereich der Altenpflege arbeitet. „Als wir von der Idee hörten, waren wir zunächst skeptisch, wie das wohl werden wird.“ Recht schnell bekamen sie und die anderen aber ein Gespür dafür, wie mit ihnen fremden Personen umzugehen ist, um erfolgreich zu sein.

Insgesamt zwei Stunden blieben der Gruppe, bis sie zum Netzwerk in der Lutherstraße zurückkehrten. „Da wartet noch eine Präsentation auf uns, die wir adhoc vor der versammelten Mannschaft zu halten haben“, erklären die jungen Damen. „Wir untermalen das Ganze mit Fotos und Videos, die wir während der Stadtrallye zusammen mit unseren Trophäen aufnehmen.“ Außerdem gab es an dem Vormittag noch eine weitere Aufgabe zu meistern. Im Zoo von Bischofswerda sollten die Teilnehmer der Aktion Tiere ablichten, die der eigenen Persönlichkeit recht nahe stehen. Julia beispielsweise wollte sich für den Waschbären entscheiden. Er sei nicht nur intelligent, sondern auch sehr familiär eingestellt. Celine hingegen entschied sich für die Eule. Beide Frauen zählen zu den etwa einhundert Engagierten, die alljährlich im Einzugsgebiet des Netzwerkes für Kinder- und Jugendarbeit einen Freiwilligendienst absolvieren und somit ihre Kompetenzen erweitern. Laut Birgit Pietrobelli sind die meisten von ihnen unter 27 Jahren.

Doch auch ältere Generationen verschließen sich vor allem im Rahmen des BFD nicht vor einer Arbeit an den Mitmenschen. So zum Beispiel Monika Rudolph aus Kamenz. Auf die Tatkraft der Rentnerin möchte inzwischen in den Reihen des Schiebocker Vereins gar niemand mehr recht verzichten. Auch wenn ihre BFD-Zeit bereits abgelaufen ist, werde die Lessingstädterin weiterhin ge-gen eine Aufwandsentschädigung beschäftigt, so Andreas Mikus. Die Vereinsführung hat sie darum im Deutschbaselitzer Abenteuercamp eingespannt, das ab dem 15. Juli wieder seine Türen öffnet. Nur noch wenige freie Plätze seien zu haben, hieß es. Insgesamt vier Termine stehen auf dem Programm – zwei Kindercamps für Sechs- bis Neunjährige sowie ein Natursportkreativcamp und ein Natursportcamp für alle 10- bis 16-Jährigen. Buchungen werden unter der Telefonnummer (03594) 70 74 60 entgegengenommen.

Was das Freiwillige Soziale Jahr und den Bundesfreiwilligendienst anbelangt, nimmt das Netzwerk zu jeder Zeit Bewerbungen entgegen. Wer den Zuschlag erhält, wird ein Jahr lang in einer der zahlreichen Einsatzstellen mit unterschiedlichsten Aufgaben betraut. Dazu zählen sowohl Kindergärten und Kultureinrichtungen als auch Kliniken und Behinderteneinrichtungen. Zwischendurch sind fünf Seminare zu bewältigen. Diese richtet die Mannschaft des Netzwerkes in den eigenen Räumlichkeiten aus. Dort gibt es unter anderem eine Kreativwerkstatt und eine Schmiede. Aber auch mit Holz dürfen sich die Absolventen, die jeweils zu 40 Prozent Abiturienten und Realschüler sowie zu 20 Prozent Hauptschüler sind, gern beschäftigen. „Mit ihnen zusammen wollen wir in der nächsten Zeit den Außenbereich unseres Domizils weiter gestalten“, betont Andreas Mikus. „Geplant sind zwei Totholzinseln, Sitzecken und das Anlegen von Wegen. Auf diese Weise erhalten unsere Gäste die Möglichkeit, sich zwischen den Seminaren etwas zu entspannen.“

Denn gepaukt wird an der Lutherstraße allerhand. „Wir bieten die vielfältigsten Themen an, die die Jugendlichen in ihrem Freiwilligendienst, in den Einsatzstellen, aber auch für die Zeit danach brauchen können“, weiß Birgit Pietrobelli. „Einiges findet in typischer Seminarform, manches wie die Stadtrallye hingegen in ganz lockerem Rahmen statt.“ Die hat übrigens einen sehr guten Ausgang genommen, wie beide Netzwerkmitarbeiter im Nachhinein mitteilten. Andreas Milkus: „Tauschergebnisse waren Blumen, Süßigkeiten und die mit Abstand ‚älteste Zahnbürste der Welt’.“

Roland Kaiser / 24.02.2019

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