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Bautzen ist kein „braunes Nest“

Bautzen ist kein „braunes Nest“

Die Hessin Annalena Schmidt war in der Vergangenheit für viele Menschen in Bautzen eine Reizfigur. Nachdem Rechtsaußen gegen sie mobilisierte, folgte jedoch eine Welle der Solidarität. Foto: M. Neuhof

Steht der Stadt Bautzen womöglich eine Zäsur im gesellschaftlichen Miteinander bevor? Zumindest scheint es so nach den jüngsten Ereignissen. Ursprünglich wollte am Freitag Rechtsaußen gegen die Grünen-Stadtratskandidatin Annalena Schmidt mobil machen. Das jedoch ging vielen Spreestädtern dann offenbar doch zu weit. Jetzt spricht die Historikerin im OLK darüber, wie sie Bautzen in ihren Augen tatsächlich sieht.

Frau Schmidt, wie sind Sie mit dem Demonstrationsaufruf im Internet umgegangen?

Annalena Schmidt: Die Demoanmeldung wurde in der Zwischenzeit zurückgezogen. Der Anmelder wird dafür sicherlich seine Gründe dafür haben. Ich habe diese Demo sehr entspannt gesehen. Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut in Deutschland. Es wäre das gute, demokratische Recht der Menschen gewesen, auf die Straße zu gehen. Gleichzeitig ist es aber auch mein gutes, demokratisches Recht, mich davon nicht beirren zu lassen.

Nach all den Diskussionen um Ihre Person, die sowohl im Internet als auch in der Öffentlichkeit geführt wurden, stellt sich durchaus die Frage, inwieweit Sie sich selbst als Demokratin, also als einen Menschen, der den politischen Willen der Mehrheit respektiert, verstehen?

Annalena Schmidt: Ich selbst betrachte mich natürlich als Demokratin. Ich verteidige das Grundgesetz, unsere Verfassung – und zwar, wo immer es nur geht. Ein sehr hohes, im Grundgesetz verbrieftes Gut ist die Meinungsfreiheit. Jeder und jede darf seine und ihre Meinung äußern. Das bedeutet aber nicht, dass diese Meinung ohne Kritik bleiben muss. Wenn ich zu meiner Meinung stehe, dann habe ich kein Problem damit, wenn sie sachlich kritisiert wird. Es verrät aus meiner Sicht sehr viel über Menschen, wenn sie sich in ihrer Meinungsfreiheit bedroht fühlen, wenn man ihre Meinungen in Frage stellt. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass man sich seiner Sache, ob man sich damit noch auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt, nicht ganz so sicher ist. Denn nicht gedeckt von der Meinungsfreiheit sind beispielsweise Volksverhetzung oder die Leugnung der Shoah. Natürlich respektiere ich den politischen Willen der Mehrheit. Ich respektiere aber auch den politischen Willen einer Minderheit.

Sind Sie tatsächlich der Ansicht, dass Bautzen ein „braunes Nest“ ist?

Annalena Schmidt: Von mir hören Sie dazu ein klares Nein. Das habe ich auch nie in der Form geäußert. Geprägt hat diese Wendung aus meiner Sicht Alexander Ahrens, der seit dem Brand des Husarenhofes immer wieder äußerte, dass Bautzen „kein braunes Nest“ sei. Erst dadurch kam dieser Begriff in Mode.

Inwieweit sind Sie sich dessen bewusst, dass das Ansehen der Stadt und deren Bewohner dadurch eventuell in ein Licht gerückt wird, das so nicht zu einhundert Prozent zutreffend ist?

Annalena Schmidt: Ich bin nicht der Meinung, dass Bautzen ein „braunes Nest“ ist. Dieser Eindruck kann aber entstehen, wenn Rechtsextreme hier besonders laut auftreten und der Widerspruch sehr leise ist.

Dieses Erscheinungsbild hat sich zumindest am Freitag nicht bewahrheitet. Doch was führte aus Ihrer Sicht als Historikerin zu dieser von Ihnen im Internet dokumentierten gesellschaftlichen Entwicklung in Bautzen?

Annalena Schmidt: Das ist eine Frage, die sich nicht in drei oder vier Sätzen beantworten lässt. Dazu beigetragen haben wird sicherlich eine gewisse Sozialisationserfahrung in der DDR, die sehr lange Dauer, die die CDU hier in Sachsen mitregiert, und vor allem der Wegzug von jungen Menschen. Das ist aber eine sehr verkürzte Antwort, die die Probleme nicht in allen Punkten erklärt.

Wie sollte Ihrer Meinung nach das Zusammenleben in der Stadt aussehen?

Annalena Schmidt: Wir sollten alle mehr Kritik üben und mehr Kritik aushalten. Das führt dazu, dass der Dialog in der Stadt wieder aufgenommen wird und wieder Diskussionen geführt werden.

Weshalb haben Sie gerade auf Bautzen ein Auge geworfen und welchen Grund gibt es dafür?

Annalena Schmidt: Ich bin aus beruflichen Gründen nach Bautzen gekommen und natürlich interessiere ich mich für das, was gerade in dem Ort passiert, in dem ich lebe. Wenn ich nach Greifswald, Hamburg, Köln oder München gezogen wäre, hätte ich mich dort eingebracht. Der Beruf zog mich aber in die Spreestadt und deshalb bringe ich mich hier ein und möchte das in Zukunft auch noch deutlich intensivieren.

Was unterscheidet Bautzen Ihrer Meinung nach von anderen Kommunen?

Annalena Schmidt: Nichts. Allenfalls, dass es im Vergleich zu anderen Städten dieser Größe besonders gut dasteht.

Was wäre zu tun, um den Tendenzen, die Sie öffentlich anprangern, entgegenzutreten?

Annalena Schmidt: Man sollte wieder mehr diskutieren, häufiger die Meinung äußern und Meinungsäußerungen anderer aushalten. Das würde die „Spaltung der Gesellschaft“, die immer wieder postuliert wird, überwinden. Dieses Gefühl einer gespaltenen Gesellschaft entsteht aus meiner Sicht nur durch ausbleibende Meinungsäußerungen.

Welche konkrete Gefahr sehen Sie für Bautzen?

Annalena Schmidt: Keine wirklich große Gefahr. Einzig vielleicht die, dass junge intelligente Menschen aufgrund des gesellschaftlichen Klimas gehen und nach dem Studium nicht wieder nach Bautzen zurückkehren wollen. Dadurch wird die Gesellschaft immer älter, und die Attraktivität der Stadt für junge Menschen sinkt.
Wie gehen Sie als Demokratin mit Auszeichnung hingegen mit linksradikalen und linksextremistischen Tendenzen um und inwieweit distanzieren Sie sich von solchen gesellschaftlichen Gruppierungen?

Annalena Schmidt: Es gibt in Bautzen keine linksradikalen und linksextremen Tendenzen, wie wir dem Bericht des Verfassungsschutzes entnehmen können. Deshalb muss man sich in Bautzen glücklicherweise mit dem Problem nicht auseinandersetzen.

Frau Schmidt, wie wird nach dem Ausscheiden aus dem Sorbischen Institut Ihr weiterer Werdegang ausschauen?

Annalena Schmidt: Im Leben von jungen Wissenschaftlern ist es so, dass sie alle drei Jahre auf der Suche nach einem Job sind. Am Sorbischen Institut war ich nun, da mein Job glücklicherweise verlängert wurde, länger als drei Jahre. Was ich nach meinem Ausscheiden aus diesem Arbeitsverhältnis mache, steht noch nicht fest – es ist ja auch noch etwas Zeit. Da gibt es einige Optionen, die ich derzeit für mich abwäge. Eines steht aber fest: In Bautzen wohnen bleiben werde ich.

Roland Kaiser / 10.03.2019

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Kommentare zum Artikel "Bautzen ist kein „braunes Nest“"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Alfred schrieb am

    Bravo Frau Schmidt! !! Trotz polarisierender fragen haben sie zum Dialog aufgerufen. Wie schön, wenn das schöne bautzen friedlich würde.

  2. Ulrich Ingenlath schrieb am

    Für mich persönlich war das ein wohltuend sachliches Interview mit einer Bautzenerin, von denen ich mir mehr in der Region wünschen würde. Unsere Probleme hier in der Lausitz sind hausgemacht und haben sehr viel mit einer rückwärts gewandten und 'Altmänner geprägten Sächsischen Landespolitik' zu tun.
    Leider fehlen uns hier in Ostsachsen Weltoffenheit, Lässigkeit und Neugier gegenüber dem, was von außen an uns heran tritt. Obwohl die Region vieles zu bieten hat und über Potenziale verfügt, tönt es hier immer in Richtung 'Heimat, Deutschland, Sachsen, Stolz sein etc. .
    Das lockt kein Internationales Unternehmen geschweige denn wissenschaftliche Institute in die Region.
    Und wenn hier bei uns Frauen beleidigt und bedroht werden, weil sie Selbstverständliches artikulieren, dann ist das die denkbar schlimmste Botschaft, welche die Lausitz nach außen senden kann.
    Die überall sichtbare männliche Dominanz in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen trägt im Übrigen sehr dazu bei, dass wir nach außen sehr rückständig wirken.
    Leider erkenne ich im Moment nicht, dass sich die Dinge zum Besseren entwickeln werden - dazu müssten sich erst die auf Beharrung ausgerichteten machtpolitischen Strukturen Sachsens auflösen.
    Ulrich Ingenlath, Bautzen

  3. Hans Hansen schrieb am

    Das Beste für Bautzen wäre, wenn die Nestbeschmutzerin die Stadt verlässt.

  4. Erhard Jakob schrieb am

    Bautzen ist ja auch eine schöne Stadt und die Oberlausitz ist eine schöne Gegend! Auch die Menschen sind nicht braun sondern bunt wie die sorbischen Ostereier. Doch wer hier her kommt und nur auf *Krawall bürstet* wird sich hier nicht lange wohlfühlen!

  5. Thommy_aus_dd schrieb am

    Im Zuge der Diskussion vom 08.02. hat Bautzen einen Teil der Vorwürfe bestätigt, ohne dass dies von Annalena Schmidt getwittert worden wäre.
    Wenn das Zitieren eines Artikels des Grundgesetzes zum höhnischen Lachen führt, sollte sich die Bautzner Zivilgesellschaft selbst fragen, was bei ihr falsch läuft. Bautzen braucht Selbstreflexion und starke Stimmen, die sich für Toleranz und Mitmenschliche einsetzen.

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