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Bautzener Landrat schreibt Brandbrief an die Kanzlerin

Bautzener Landrat schreibt Brandbrief an die Kanzlerin

Der Bautzener Landrat Michael Harig. Foto: Archiv

Bautzen. Corona-Politik und Klimadiskussion: Der Bautzener Landrat Michael Harig hat sich jetzt mit einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Länderchefs gewandt. In dem Schreiben bittet er unter anderem darum, „angesichts der Datenlage Normalität und die Gewährleistung der Grundrechte zu ermöglichen“. Zunehmend verschärfe sich der Eindruck eines interessengelenkten Obrigkeitsstaates, dem natürlich entgegengetreten werden müsse. Weiter heißt es: „Mittlerweile sind Impfstoffe vorhanden und ein großer Teil der Bevölkerung hat von den breit angelegten Impfangeboten Gebrauch gemacht. Die am Beginn der Pandemie in Rede gebrachte ‚Herdenimmunität‘ dürfte unter Einbeziehung der bisher Genesenen erreicht sein. Ein Indiz dafür ist der Umstand, dass die Zahl der klinischen Verläufe drastisch zurückgegangen ist.“ Der Kommunalpolitiker zeigt sich außerdem besorgt darüber, dass die Impfkritischen in die Arme der politisch Extremen getrieben würden, was auch angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl höchstbedenklich sei. „Während einerseits eine generelle Impfpflicht ausgeschlossen wird, wird andererseits mit einer Kostenpflicht für Tests ab Oktober 2021 eine zusätzliche Spaltung der Gesellschaft betrieben. Der Argumentation, dass die Impfbereiten mit ihren Steuern das Testen finanzieren, ist entgegenzuhalten, dass auch das Impfen mit den Steuermitteln aller, also auch der Ungeimpften finanziert wird“, ließ Michael Harig die Politiker in Berlin und den Landeshauptstädten wissen. Obendrein gibt er einen Einblick in seine Arbeit vor Ort: „Als Landrat verantworte ich selbst ein Gesundheitsamt. Aus vielen Abstimmungen mit der Staatsregierung, Ärzteverbänden etc. sind mir viele Zusammenhänge bestens bekannt und gegenwärtig. Auch und besonders deshalb müssen wir alles vermeiden, das besagte ‚Kind mit dem Bade‘ auszuschütten.“

Kritik an Klimapolitik

Was die Klimadiskussion anbelangt, plädierte der Oberlausitzer CDU-Mann für ein nachahmbares, verallgemeinerungsfähiges Maßnahmenpaket, um die vereinbarten Klimaziele im globalen Maßstab zu erreichen. „Ein Bestandteil ist die CO2-Bepreisung. Die damit in Verbindung stehenden Preissteigerungen für Brenn- und Treibstoffe sollen insbesondere durch steuerliche Vergünstigungen wie die Pendlerpauschale sozialverträglich kompensiert werden. Aus verschiedenen Gründen, wie zum Beispiel der aktuellen Entwicklung des Ölpreises am Weltmarkt, der Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer und der ersten Stufe der CO2-Bepreisung sind bereits in diesem Jahr die Kosten für Treibstoffe und Heizöl um circa 25 Prozent gestiegen. Das trifft die öffentlichen Haushalte und viele private gleichermaßen. Die Inflation geht auch dadurch gegenwärtig gegen vier Prozent, den höchsten Wert seit 30 Jahren.“ Durch die weiterhin anhaltende Null- beziehungsweise Minuszinsphase gehe auch dadurch ein erheblicher Vermögensverzehr zu Lasten aller Sparer einher. Die Wirkung auf die Altersvorsorge aller Kleinsparer sei verheerend. Geringverdiener, Bezieher von Sozialeinkommen und auch Menschen, die nicht in den Kreis der Berechtigten der Pendlerpauschale fallen, hätten die erwähnten Kompensierungsmöglichkeiten nicht.

Michael Harig sieht hier ein Spannungsfeld: „Die sozialen Ungleichgewichte werden sich dadurch immens verstärken. In gleicher Weise nimmt die Attraktivität der ländlichen Räume für alle Bevölkerungsschichten und die gesamte Wirtschaft ab. Im Ergebnis führt das zur weiteren Verdichtung in den Ballungsräumen und den bereits bekannten Problemen auf dem Mietwohnungsmarkt, der Miet- und Grundstückspreisentwicklung bis hin zu Parallelgesellschaften wegen mangelnder Integration.“ Die weiteren, bereits geplanten Verteuerungsschritte würden insbesondere zu Lasten des meist ländlichen Individualverkehrs wirken. Dabei sei es auch bei aller Verdichtung von ÖPNV- und SPNV-Angeboten niemals möglich, eine bedarfsgerechte, verkehrliche Versorgung im ländlichen Raum zu gewährleisten, wie sie in den Ballungsräumen unter anderem durch U- und Straßenbahn-Systeme Standard ist. „Die dadurch angeheizten gesellschaftlichen Spannungen der Zukunft werden sich, neben den politischen Interessengruppen, gegebenenfalls vor allem zwischen Stadt und Land entladen. Insofern bitte ich bei allen politischen Weichenstellungen, eine Folgewirkungsabschätzung voranzustellen, welche die Lebenswirklichkeiten einbeziehen. Eine alte Lebensweisheit sagt, dass nur der Reiche sparen kann. So ist es wirklichkeitsfremd anzunehmen, dass zuerst die Bedürftigen und sozial Schwachen auf Elektromobile und Ähnliches umsteigen können.“ Im Übrigen wies er darauf hin, dass geringe Reichweiten und eine noch nicht vorhandene bedarfsgerechte Ladeinfrastruktur der „eher ideologisch getriebenen“ Technologie weiterhin Grenzen aufzeigen werden.

Am Ende des Schreibens kommt der Landrat zu dem Schluss: „Benötigt wird eine vorbehaltlose, gesellschaftliche Diskussion, in der jede Meinung erlaubt sein muss. Alle medizinisch-virologischen Überlegungen müssen gleichsam den technischen Fragen darauf ausgerichtet sein, vorhandene Gräben zu überwinden. Alle berechtigten sozialen und klimapolitischen Zielstellungen und deren Erreichung bedürfen sozialen Frieden und wirtschaftliche Prosperität.“

Redaktion / 19.08.2021

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Kommentare zum Artikel "Bautzener Landrat schreibt Brandbrief an die Kanzlerin"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Winkler schrieb am

    Da sieht man die den Unterschied in der Wahrnehmung und der verschiedenen Politischen Ebenen. Die Bundesregierung hat sich dermaßen weit von der Basis entfernt, dass sie nun von dieser ihren Unmut zu spüren bekommt! Ich fühle mich an DDR Zeiten erinnert!

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