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Bautzens Chance ruht im Güterbahnhof

Bautzens Chance ruht im Güterbahnhof

Der Güterbahnhof: Für die Fläche rechts im Bild wird eine Neubebauung angestrebt. In dem Zuge müssten auf Wunsch der Deutschen Bahn allerdings Gleise um- und neuverlegt werden. Foto: Archiv

Deutschland diskutiert im Zusammenhang mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung über die Verteilung von Strukturmilliarden und die Stadt Bautzen wittert ihre Chance: Sie will dem zwischen Packhof- und Tzschirnerstraße gelegenen Güterbahnhof neues Leben einhauchen und im Süden der Kommune neue Infrastrukturen schaffen. Um das zu erreichen, bedarf es jedoch noch einiger Anstrengungen. Der Grundstein ist gelegt.

Bautzen.
Die Spreestädter feilen an Zukunftsvisionen. Nicht alle zwar, aber doch eine ganze Reihe, die sich dazu berufen fühlen. Darunter sind auch prominente Gesichter wie Marko Schiemann. Der Landtagsabgeordnete hat bereits 2018 erkannt, welche Chancen in erster Linie der geplante Kohleausstieg für Bautzen mit sich bringen könnte. Denn nicht nur einzelne Tagebau- und Kraftwerkskommunen sollen Ausgleichszahlungen für den Verlust eines kompletten Energiesektors erhalten, dem allein in der Lausitz bis zu 10.000 gut bezahlte Arbeitsplätze zugerechnet werden. Vielmehr ist angedacht, ganze Landkreise mit Strukturmitteln zu fördern. Dazu gehören auch Bautzen und Görlitz. In dem Zusammenhang kam infolge des von der Bundesregierung aufgelegten Maßnahmenpaketes unter anderem der Vorschlag auf, ein Logistik- und Verladezentrum zu errichten – und zwar zur besseren Nutzung der Eisenbahn vor Ort. Dieses wiederum würde nach Ansicht von Marko Schiemann eine bessere Kombination von Straße und Schiene erlauben und zudem Neuansiedlungen von Unternehmen unterstützen. Außerdem existieren inzwischen Vorstellungen, den in Bautzen ansässigen Schienenfahrzeugbauern einen alternativen Gleisanschluss zu schaffen.

„Die Steigung von etwa acht Prozent entlang der Fabrikstraße ist schwierig zu überwinden“, erklärte der 65-Jährige. „Zudem sollte die neue Anbindung an die Infrastruktur der Deutschen Bahn von vornherein elektrifiziert werden – auch in Hinblick auf den angedachten Ausbau der Strecke Görlitz – Dresden.“ Das alles, um den Standort des Schienenfahrzeugherstellers und weiterer Unternehmen wettbewerbstauglich zu halten. Dass der Freistaat unabhängig davon die Südumfahrung, also die Verlängerung der Staatsstraße S 106 von Dreistern bis zum Bautzener Ortsausgang an der Bundesstraße B 96, weiter in Eigenregie vorantreibt, kann Marko Schiemann nur begrüßen. Unterm Strich spricht er von Zukunftsaussichten für ganze Generationen, die folgen werden, und bekräftigt: „Wir müssen ihnen Chancen im Zuge des Strukturwandels eröffnen und eine weitere Abwanderung von potenziellen Arbeitskräften stoppen.“ Da die Bundesregierung lediglich Kommunen eine Strukturförderung gestatte, habe sich die Stadt Bautzen im vergangenen Jahr bereiterklärt, per Stadtratsbeschluss die Maßnahme als Antragstellerin mit ihren Möglichkeiten zu unterstützen. Schon zuvor sollten sich die Bürger mit einbringen und sich Gedanken zum Strukturwandel machen. Auf diesen Aufruf des Landespolitikers hätten sowohl Unternehmen als auch Bürger reagiert – unter ihnen der jetzige BBBz-Stadtrat Jörg Drews.

Der kann die Einschätzung von Marko Schiemann durchaus teilen. In den zurückliegenden Monaten entwickelte der Bautzener Bauunternehmer gemeinsam mit seinem Team und auf eigene Kosten ein Konzept für eine mögliche Verlagerung des Güterbahnhofs und eine alternative Nutzung des jetzt noch von der Bahn genutzten Areals gegenüber vom Bahnhofsge-bäude.

Alternativer Text Infobild

So könnte in der Zukunft die Gleisführung zu einem Logistikzentrum und zum Alstom-Werksgelände aussehen. Visualisierung: Hentschke Bau

Visualisierung zeigt Möglichkeiten auf

Erste Überlegungen wurden bereits im Mai 2019 während des Richtfestes am damals im Umbau befindlichen Bahnhofsgebäudes präsentiert. Nunmehr liegt eine Visualisierung vor, die die Potenziale aufzeigt, die sich in Zukunft für die Stadt ergeben könnten. Projektentwickler Stefan Siebert ist überzeugt davon, dass die Umsetzung nicht zwangsweise in „linearer Form“ vonstatten geht. „Wenn alle Entscheidungsträger mitspielen, lassen sich einzelne Maßnahmen auch parallel bewerkstelligen.“ Sein Fokus richtet sich dabei auf die Etablierung eines vollkommen neuen Quartiers innerhalb der Südvorstadt. Dieses, dafür plädieren zumindest die Planer im Haus von Jörg Drews, sollte unbedingt auf der Hochschulachse Görlitz – Dresden einem weiteren Bildungs- und Forschungsstandort samt Sprachschule ein zu Hause bieten. „Damit würden wir sicherstellen, dass auch wieder mehr junge Menschen in Bautzen bleiben“, führte der Bauunternehmer einen gewichtigen Vorteil an. Drum herum ließen sich außerdem Parkmöglichkeiten für Berufspendler und ein Bushaltepunkt schaffen, um die viel frequentierte Tzschirnerstraße ein Stück weit zu entlasten. Die Vorstellungen reichen jedoch auch dahingehend, eine Mehrzweckhalle dort aus dem Boden zu stampfen, wo die Deutsche Bahn momentan noch ein langgezogenes Werkstattgebäude unterhält. Stefan Siebert: „Wir haben mit unserer Arbeit eine erste Vorstellung dahingehend geliefert, wie sich das Gebiet entlang der Packhofstraße einmal entwickeln ließe. Am Ende entscheiden die Verwaltung und der Stadtrat darüber, was gebaut wird.“ Und Jörg Drews fügte hinzu: „Natürlich werden auch wir uns an einem anschließenden Bieterverfahren beteiligen.“ Damit konterte er Stimmen, die befürchten, er wolle den Stadtteil in Eigenregie errichten.

Grüne üben Kritik an Gestaltungsplänen

Indes stellte der Eigentümer des Güterbahnhofs – die Deutsche Bahn – in dieser Woche noch einmal klar, dass das Grundstück aktuell nicht zum Verkauf stehe. Eine Veräußerung der momentan vom Verkehrsunternehmen beanspruchten Flächen sei nur möglich, wenn dafür eine „analog nutzbare Ersatzfläche zur Verfügung gestellt und alle im Zusammenhang mit einer gegebenenfalls möglichen Umverlagerung des Güterbahnhofes anfallenden Kosten und Genehmigungsverfahren durch den Träger der Maßnahme übernommen werden“. Eine Bahnsprecherin sagte aber auch: „Eine Veräußerung unter Berücksichtigung der aufgezeigten Bedingungen hält die Deutsche Bahn grundsätzlich für möglich.“

„Die Stadt Bautzen ist froh und äußerst glücklich darüber, dass sich mit der ortsansässigen Firma Hentschke Bau GmbH eine Firma mit umfassender Projekterfahrung seit Jahren im Bereich Bahnhofsareal stark macht“, ließ Oberbürgermeister Alexander Ahrens auf Anfrage wissen. Er, die Verwaltung und die Stadträte sind bereits vor einigen Monaten in die Pläne eingeweiht worden.

Doch es gibt durchaus auch Kritik an dem Unterfangen. „Die Pläne der Firma Hentschke sehen neben dem Gleisanschluss für Alstom ein Logistikzentrum für Warenumschlag von der Straße auf die Schiene und andersherum vor. Damit will man das Güterbahnhofsgelände freilenken, um es für eigene Entwicklungsideen nutzen zu können“ sagte der Stadtrat der Bündnisgrünen, Claus Gruhl. „Das Problem ist nur, dass ein solches Logistikzentrum an der Stelle nicht funktionieren wird. Das liegt allein schon daran, dass es nur von einer Seite angefahren werden könnte und damit einen endlosen Rangieraufwand bedeuten würde. Darauf lässt sich die Bahn sicher nicht ein. Darüber hinaus sehen wir auch nicht die Warenmengen, die ein Logistikzentrum rechtfertigen würden.“ Claus Gruhl regte an, dass zur Gestaltung der Flächen jenseits der Packhofstraße ein städtebaulicher Wettbewerb stattfinden und auf diese Weise die beste Lösung gefunden werden sollte.

„Für die Neugestaltung des Güterbahnhofareals gibt es derzeit lediglich Visualisierungen“, entgegnete Alexander Ahrens. „Eine Planung und Beschäftigung mit dem Thema kann erst erfolgen, wenn das Logistikzentrum Süd Gestalt annimmt. Derzeit sind wir in der Planung und Konzeptionierung. Bei diesen Gesprächen unter anderem mit dem Sächsischen Staatsministerium für Regionalentwicklung, der Staatskanzlei und dem Sächsischen Wirtschaftsministerium ist auch die Deutsche Bahn mit am Tisch.“ Gleichzeitig gab das Stadtoberhaupt zu bedenken: „Für eine Konzeptstudie hätte die Kommune eine hohe Summe aufwenden müssen. Konzeptstudien sind grundsätzlich nicht förderfähig. Auf Grundlage dieser Konzeptstudie und mit den Vorplanungen des Gewerbe- und Industriegebietes Süd führt die Stadt Bautzen mit den zuständigen Ministerien und der Landesregierung derzeit Gespräche.“

Seine Genossen von der SPD und auch die Bürgervertreter anderer Stadtratsfraktionen zeigten sich voll des Lobes darüber, dass in puncto Industriegebiet Süd und auch im Fall des Güterbahnhofes Bewegung in die Angelegenheiten zu kommen scheint. „Wir begrüßen die Initiativen der Protagonisten“, beteuerte Fraktionschef Roland Fleischer. Doch auch er weiß: „Priorität haben die Verhandlungen mit der Bahn. Ohne deren Zustimmung und Verkaufswillen können sämtliche Gedanken verworfen werden.“

FDP-Mann Mike Hauschild monierte: „Leider kam von der Stadtverwaltung nichts eigenes in annähernd ähnlicher Qualität. Auch deshalb sollten wir dankbar sein, dass Jörg Drews diese jahrelange Untätigkeit der Stadtverwaltung mit seinem Engagement ausgleicht.“


 

Roland Kaiser / 20.02.2021

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Kommentare zum Artikel "Bautzens Chance ruht im Güterbahnhof"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Karle69 schrieb am

    Für mich ist das keine Visualisierung von Hentschke Bau, sondern Grüßt da das Murmeltier. Soweit ich mich erinnern kann wurde an dieser Stelle zu DDR-Zeiten ein Logistikzentrum schon mal gebaut, was aber nie in Betrieb ging und nach der Wende wieder abgebaut wurde, da man der Meinung war, man brauche das nicht.
    Allerdings wäre es vielleicht Sinnvoller die noch vorhandene Strecke in Richtung Singwitz zu nutzen und nach der Neusalzaer Straße abzugehen, denn die Brücke ist vorhanden, die andere wurde ja abgerissen, die damals als Zubringer genutzt werden sollte.

  2. Joseph schrieb am

    Wie arm muss die Stadt sein, wenn sie nicht einmal ihre Zukunftspläne auf eigene Kosten schmieden kann? Oder ist das nur ein vorgeschobener Grund, um dem potentiellen Investor freie Hand bei seinen Plänen zu lassen? Glaubt Herr Hauschild wirklich, dass das Bauamt tatsächlich nicht fähig wäre, eigene Konzepte zu entwickeln, hätte man sie nur gelassen? Glaubt man tatsächlich, die sogenannte Machbarkeitsstudie der Landesdirektion würde ein objektiv verwertbares Ergebnis bringen, wo es doch ein Leichtes ist für die handelnden Politiker, das Ergebnis in ihre Richtung vorzugeben?

    Es gibt endlos viele Fragen zu diesem Projekt. Die Wichtigste ist, ob es ein Weg in die Zukunft ist, für eine schrumpfende Einwohnerzahl (es ist lächerlich zu behaupten, man könne dies beeinflussen) immer mehr Acker zu betonieren und zu asphaltieren. Angesichts der drohenden Klimakatastrophe kann das nur ein Weg in die Irre sein.

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