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Das Kreuz mit 2G: Unternehmer in Not

Das Kreuz mit 2G: Unternehmer in Not

Die Gastwirte auch in der Lausitz wollen endlich wieder wie gewohnt ihrem Geschäft nachgehen können und nicht länger als Bittsteller dastehen. Foto: Archiv

Ministerpräsident Michael Kretschmer vermeidet es, für die jüngsten Einschränkungen des öffentlichen Lebens den Begriff „Lockdown“ zu benutzen. Vielmehr spricht er von einem „Wellenbrecher“. Doch das macht die Situation des Einzelhandels und Gastgewerbes deshalb nicht besser. Beide Branchen kämpfen einmal mehr ums Überleben in Zeiten der vierten Corona-Welle.

Bautzen.
Sachsen steckt mittendrin im zweiten Corona-Herbst. Wie schon zur gleichen Zeit im vergangenen Jahr steigt täglich die Zahl der Neuinfektionen – diesmal jedoch vor dem Hintergrund von Massenimpfungen und Tausenden von durchlebten Ansteckungen. Erneut kennt die Landesregierung nur ein Instrument. Für Wochen fährt sie das öffentliche Leben herunter, um wie sie sagt, das Gesundheitswesen nicht an den Rand der Leistungsgrenze zu bringen. Dabei sei die Corona-Notlage in Kliniken auch eine Folge der Fehlentwicklung im Gesundheitsbereich, betonte nun die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele. „Dass nur die Behandlung zählt, die Gewinn bringt, rächt sich jetzt. Die reine Pflege auf der Station zählt nicht dazu.“ Pflegekräfte auf den Stationen seien jahrelang aus Kostengründen reduziert worden.

Vonseiten der Oberlausitz-Kliniken war in Anbetracht der aktuellen Lage bereits Ende Oktober in Erfahrung zu bringen, dass insofern eine Ausweitung der Kapazitäten notwendig wird, wovon die Klinikleitung zum damaligen Zeitpunkt ausging, es in anderen Fachrichtungen zu Kapazitätsreduktionen kommen müsse, auch um Personal für die Akutbehandlung von Covid-Patienten zu akquirieren.

Gewerbetreibende sollen 
bittere Pille schlucken

Die Leidtragenden dieser Krux sind, wie schon zu früheren Krankheitswellen, das Gastgewerbe und der Einzelhandel. Was beide diesmal voneinander unterscheidet: Während in Beherbergungsbetrieben lediglich Geschäftsreisende unter der im Laufe des Jahres eingeführten 3G-Regelung absteigen dürfen, um die Nacht nicht im Freien verbringen zu müssen, bleibt Ungeimpften – egal ob mit oder ohne tagesaktuellem Negativtest – der Zugang zu bestimmten Geschäften und auch zu Gaststuben versperrt. Das hatte bereits den Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Sachsen auf die Palme gebracht. Einer am vergangenen Sonntag veröffentlichten Medieninformation lässt sich zwischen den Zeilen entnehmen, dass eine Stellungnahme der Interessenvertretung zur von der Staatsregierung erarbeiteten Corona-Notfallverordnung offensichtlich keine Berücksichtigung fand. Jens Ellinger, Vizepräsident des Verbandes, sagte in dem Zusammenhang: „Das muss jetzt dringend rechtlich geprüft werden. Immer wieder stehen wir ohne Beweis als Pandemietreiber am Pranger.“ In keinem anderen Bundesland gäbe es momentan ein Beherbergungsverbot. Das sei eine „unverhältnismäßige“ Benachteiligung im Gegensatz zu anderen Tourismusgegenden. Gleichwohl forderte der Dehoga alle Unternehmen dazu auf, bestehende Hygienekonzepte und Kontrollpflichten konsequent einzuhalten.

Dem allerdings kam ein Unternehmerpaar aus Göda zuvor. Auf Anfrage ließ es dem Oberlausitzer Kurier ein Statement zu der am Montag in Kraft getretenen Verordnung zukommen, das auch in den sozialen Netzwerken veröffentlicht wurde. Darin heißt es: „Schweren Herzens bleibt unser Restaurant ab sofort für alle Personen geschlossen. Wir wollen keine Impfpolizei spielen.“ Nach Beobachtungen des Bautzener Landratsamtes haben in der Folge weitere Gastronomen einen solchen Entschluss gefasst.

Diejenigen, die trotz der neuesten Einschränkungen ihren Geschäftsbetrieb weiter aufrechterhalten wollen, sprachen von diversen Schwierigkeiten. „Es fehlen die ungeimpften Gäste, die aber bereit waren, sich zu testen“, stellt Gastronom Frank Haase fest. „Ebenso fehlen die Touristen, da auch Übernachtungsangebote weggefallen sind. Ein Umsatzrückgang ist zu verzeichnen.“ Zudem würden viele nach den aktuellen Regeln fragen, Reservierung zunehmen. Er registriere kaum noch spontane Besucher. Zu den vom Land verordneten verkürzten Öffnungszeiten ließ der Unternehmer wissen: „Die treffen uns weniger, da wir ein Speiselokal sind. Reservierungen werden teilweise vorverlegt.“ Frank Haase hofft darauf, dass „wieder staatliche Hilfen kommen und uns am Leben erhalten“. Selbst Kurzarbeit für Mitarbeiter sei wieder ein Thema. Frank Haase: „Dann werden wir diesen Teil-Lockdown überstehen.“ Er erinnert sich noch genau daran, wie er sein Restaurant durch die vorherigen Corona-Wellen gebracht hat: „Ich habe alle mir zustehenden Hilfen bisher erhalten, wenn auch mit einiger Verzögerung. Mein Steuerbüro war diesbezüglich sehr hilfreich.“

Unterdessen sagte Matthias Schneider, der unter anderem eine Bar am Bautzener Stausee betreibt, alle noch anstehenden Veranstaltungen für den Rest des Jahres ab. Ab jetzt, so nimmt er an, laufe alles nur noch nach dem Abholprinzip und beruft sich dabei auf Erfahrungen aus den bereits erlebten Infektionslagen. Mit großer Sorge verfolgt der Spreestädter dabei die Radikalisierung in Teilen der Gesellschaft. „Wir weisen mit Hinweisschildern auf die Verordnungen hin. Aus Angst vor Übergriffen wie in Idar-Oberstein (dort wurde im August ein Tankstellenverkäufer von einem Mann erschossen, weil er diesen auf die Maskenpflicht hinwies, Anm. d. Red.) habe ich meinen Mitarbeitern verboten, die Gäste direkt darauf anzusprechen. Das gilt auch für die Maskenpflicht. Ich sehe nicht ein, für die aus meiner Sicht schwachsinnigen Maßnahmen den Kopf hinzuhalten. Dafür sind wir nicht ausgebildet.“

Alternativer Text Infobild

Zu Jahresbeginn machten Händler in Bautzen mit diesen Plakaten auf ihre Lage aufmerksam. Foto: Archiv

Kunden müssen zurückgewonnen werden

Durch den Wegfall der Veranstaltungen und aufgrund der geringen Laufkundschaft lassen sich nach seiner Einschätzung keine nennenswerten Umsätze machen. „Somit werden wir einen Verlust erwirtschaften. Zwei Mitarbeitern musste ich jetzt schon die Kündigung aussprechen“, erklärte Matthias Schneider. Auch er verlangt nach einer Entschädigung wie im letzten Lockdown. „Wir sind für die Beschlüsse ja nicht verantwortlich.“

Doch nicht nur das Gastgewerbe ist von den neuesten Einschränkungen betroffen. Auch Nagelstudios wie das von Yvonne Schulze haben das Nachsehen. „Wir hatten das 3G-Modell in unserem Geschäft umgesetzt und auch alle Vorkehrungen und Maßnahmen für 2G getroffen“, legt sie dar. „Jedoch wurde am 19. November von der sächsischen Landesregierung ein Teil-Lockdown beschlossen, was körpernahe Dienstleistungen untersagt. Somit mussten wir unser Geschäft erneut komplett schließen.“ Zuvor seien die Mitarbeiter für die Durchführung und Überwachung von Antigen-Tests ausbildet worden, um diese an sich und der Kundschaft ausführen zu können. Nun befürchten Yvonne Schulze und ihr Team „verheerende“ Auswirkungen. „Mit jedem Lockdown geht Kundschaft verloren und wir beginnen immer wieder von vorn mit der Kundenrückgewinnung sowie Neugewinnung. Es kostet viel Kraft und Energie, sich stets neu zu organisieren und aufzustellen.“ Die Mitarbeiter seien wegen des Teil-Lockdowns in Kurzarbeit geschickt worden. Sie würden um ihre Jobs bangen, was sich natürlich auch in ihren Familien negativ auswirke. „Bund und Länder sollten generell aktiv werden, denn für den jetzigen Teil-Lockdown sind bisher keine Entschädigungen vorgesehen“, fügt sie an.

Einzelhandel sieht Widersprüche

Obwohl inmitten der vierten Corona-Welle Geschäfte des Einzelhandels für geimpfte und als genesen geltende Personen weiter offenstehen dürfen, regt sich auch in dieser Branche Widerstand gegen die verhängten Maßnahmen. „Leider sind die Regeln extrem realitätsfern und für die Bevölkerung schwer nachzuvollziehen“, meint Tizia Schwenke. Sie betreibt in der Bautzener Altstadt einen Laden für kreative Hobbybastler und prangert vor allem die Widersprüche an, die sich aus der Corona-Verordnung ergeben. „Wie kann ich jemandem erklären, dass alle ungetestet im Lebensmitteleinzelhandel einkaufen können, sich bei uns aber nur unter 2G anstellen und ausweisen müssen, obwohl bei uns weniger Kunden im Geschäft sind.“ Ein Kunde pro zehn Quadratmeter sei auch in normalen Zeiten nicht zu verzeichnen, eine Reglementierung deshalb definitiv nicht notwendig. Auch Tizia Schwenke gibt aus eigener Erfahrung zu bedenken: „Die Kunden sind massiv verunsichert und kennen nicht alle Regeln. Also bleiben Sie den Geschäften fern.“ Sie befürchtet „massive Umsatzeinbrüche“ in den wichtigsten Monaten des Jahres und zudem Ersatzbeschaffungen der Kunden im Lebensmittel- und Onlinehandel. Was die staatlichen Hilfen anbelangt, kann sie ebenso ein Lied singen: „Erst nach fünf bis sechs Monaten der Schließung wurden Entschädigungszahlungen geleistet“, berichtet sie mit Blick auf die letzten Lockdowns. „Zahlungen aufgrund von Quarantäne wurden zum Teil auch nach einem Jahr nicht erstattet.“ Die Unternehmer würden mit ihren Problemen „leider allein“ gelassen. Auch jetzt noch liege der Bearbeitungszeitraum für die Corona Überbrückungshilfe III plus bei fünf Monaten.

„Wir sind entsetzt und traurig über diese Ausgrenzung der Ungeimpften“, erklärt Katrin Otto. Sie steht tagein tagaus in einer Bautzener christlichen Bücherhandlung. Was sie aktuell erlebt, widerspreche völlig dem eigenen Anliegen, jedem Kunden die gute Nachricht weiterzugeben. „Wir finden es nicht richtig, den kleinen Geschäften solche Auflagen zu geben“, moniert sie, „während in den Supermärkten Kunden oft dicht an dicht an der Kasse stehen und ohne Mundschutz einkaufen.“ Aufgrund des ständig aktualisierten Hygienekonzepts und der Einhaltung aller geforderten Maßnahmen sehe sie für solch drastische Einschränkungen keine Notwendigkeit. Für das Weihnachtsgeschäft nach dem 12. Dezember – bis dahin gilt die Corona-Notfallverordnung – wünscht sich Katrin Otto, dass der Laden geöffnet und für alle Kunden zugänglich bleibt.

Andreas Schaal, der an der Goschwitzstraße ein Reformhaus führt, meinte wiederum: „Uns tun die Händler leid, die wegen der absoluten Kopflosigkeit der Politiker auf ihren saisonalen Artikeln das zweite Jahr sitzen bleiben.“

Eine Textilkette, die ebenso in Bautzen einen Standort unterhält, kennt das Thema „2G“ nicht nur aus Sachsen, sondern auch aus Teilen Baden-Württembergs. „Der gesetzliche Rahmen definiert hier unseren Handlungsspielraum. Das bedeutet, dass Kunden entweder geimpft oder genesen sein und den entsprechenden Nachweis dafür erbringen müssen“, erläutert Sprecher Marcello Concilio auf Anfrage unserer Zeitung. „Wir informieren entsprechend am Eingang und werden die Einhaltung auch stichprobenartig kontrollieren.“

Ähnlich wird in einem Einkaufscenter am Lauengraben verfahren. „Die vorgegebene 2G-Regelung für den Einzelhandel ist demnach in jedem Shop von den entsprechenden Mietpartnern selbst zu kontrollieren“, teilte Centermanagerin Julia Günthner mit. Eine Kontrolle der Kontrolle durch das Centermanagement erfolge nicht. „Das Ordnungsamt kann allerdings eigenständig und ohne vorherige Absprache mit uns die Einhaltung der Regelung durch die einzelnen Shopbetreiber überprüfen.“ Ein Einbruch in den Frequenzen sei zunächst nicht zu verzeichnen, der Montag ein „normaler“ für Corona-Zeiten gewesen. Jedoch gab sie auch zu bedenken: „Wie sich diese Zahlen weiterentwickeln in den kommenden Wochen, kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehen.“

„Wir wünschen uns endlich die Einhaltung von Versprechungen seitens der Politik und möchten gern wieder normal agieren können“, fügt Tizia Schwenke an. „Der Einzelhandel wurde nie als Pandemietreiber gesehen. Trotzdem wird der Innenstadthandel massiv behindert.“ Sollte dies kein Ende finden, würden eine Verödung der Innenstädte und der Verlust von Kultur, Gastronomie und Handel drohen.

Dulig stellt weitere Staatshilfen in Aussicht

Doch es gibt auch einen Lichtblick – und der kommt aus der wenige Kilometer entfernten Oberlandgemeinde Neukirch. Dort im Niederdorf hat nach Auskunft von Bürgermeister Jens Zeiler erst im September ein neues Einzelhandelsgeschäft für unverpackte Produkte seine Türen für die Kundschaft geöffnet. Geschäftsaufgaben konnte das Gemeindeoberhaupt hingegen nicht verzeichnen. Durch den Neubau eines Lebensmitteldiscounters, dessen Eröffnung im Februar erfolgen soll, und der geplanten Etablierung eines Drogeriemarktes werde Neukirch „weiter an Attraktivität gewinnen und somit wieder um einen wichtigen Baustein zur Daseinsvorsorge reicher“.

In Anbetracht der sich für zahlreiche Gewerbetreibende zuspitzenden Lage versicherte Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig in einem Radio-Interview, dass es staatliche Finanzspritzen wie die Überbrückungshilfe III auch weiter geben wird. „Wir haben mit dem Bund vereinbart, dass diese Wirtschaftshilfen auch über den 31. Dezember dieses Jahres hinaus gewährt werden. Wir haben des Weiteren auch verabredet, dass eine Sonderabschreibung für Saisonwaren weiterhin möglich ist. Und wir diskutieren natürlich mit dem Bund und auch in der eigenen Regierung über weitergehende Programme.“ Die Überbrückungshilfe III Plus muss laut Ministeriumssprecher Christian Adler über Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer beantragt werden. Antragstellende, deren Antrag bereits bewilligt oder teilbewilligt wurde, könnten für die Monate Oktober bis Dezember 2021 einen Änderungsantrag stellen. Alle anderen müssten einen Neuantrag einreichen.

Doch selbst hierbei sind offenbar noch einige Problemchen aus dem Weg zu räumen wie im Fall von Frederik Nebrich. Er ist Juniorchef in einem Hotelkomplex in Kirschau. Seiner Ansicht nach müssen die Hilfen vom Staat unbedingt an die jetzige Situation angepasst werden. „Wir werden keine Hilfen erhalten, da wir bei einem ersten Blick auf die Umsatzzahlen zwar mehr Umsatz als im November 2019 haben, zu dem Zeitpunkt aber nicht alle unsere neuen Zimmer in Betrieb waren, wir für die erhöhte Gästeanzahl im Jahr 2021 zusätzliches Personal eingestellt haben, die Ware bereits im Haus ist und und und. Der Umsatz ist also das eine, aber die Kosten, welche im Vergleich zu 2019 wesentlich höher sind, ist die andere Seite der Medaille und in dieser Hinsicht müssen die staatlichen Hilfen so schnell es geht abgeändert werden.“

Roland Kaiser / 27.11.2021

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