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Eine Olympiaschmiede wird 90

Eine Olympiaschmiede wird 90

Hat die Chronik des Sohlander Skiclubs zu Papier gebracht: Kampfrichter und Vereinsmitglied Johannes Schierz. Foto: RK

Sohland/Spree. Ihre Namen sind eng mit der Oberlandgemeinde und internationalem Erfolg verbunden: Langläuferin Anke Schulze und der Nordische Kombinierer Falk Schwaar haben vor etwa drei Jahrzehnten am Tännicht genau wie zahlreiche andere Wintersportler vor und nach ihnen den Grundstein für eine spätere Karriere gelegt bekommen. Am kommenden Samstag, 25. August, feiert der Talentstützpunkt ab 14.00 Uhr seinen 90. Geburtstag - und zwar mit einem unterhaltsamen Schnuppertraining für Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren sowie tags darauf mit einem Sprungwettkampf, zu dem 50 Teilnehmer aller Altersgruppen erwartet werden. Nach zwischenzeitlicher Sperrung der Sprunganlagen ist das Skiareal in etwa 400 Metern über dem Meeresspiegel auf einem guten Weg, bald wieder bei der Nachwuchsrekrutierung und im Breitensport ein entscheidendes Wörtchen mitzureden.

„Aufgrund zahlreicher Sponsoren, einer Förderung durch den Freistaat und des Engagements vieler der insgesamt 170 Vereinsmitglieder war es möglich, die drei Schanzen auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen“, erklärt Reiner Schwaar. Als ehrenamtlicher Projektleiter kümmert sich der 68-Jährige um die nachhaltige Entwicklung des neuen Skiareals. „Der bauliche Zustand führte dazu, dass die Sportanlage 2015 durch den Ski-Verband FIS nicht mehr als solche zugelassen wurde.“ Dabei habe der Sicherheitsfaktor eine Rolle gespielt. „Vor diesem Hintergrund sahen wir uns dazu gezwungen, viel Geld, Kraft und Zeit zu investieren, um an einer Tradition festhalten zu können. Auch in Zukunft möchten wir Talenten aus der Oberlandregion und Bautzen hier vor Ort erste entscheidende Kenntnisse und Fähigkeiten im Skisprung und Langlauf vermitteln.“

Seit zwei Jahren funktioniert das wieder. Seitdem ließen sich den Angaben zufolge bereits 30 Kinder und Jugendliche für eine entsprechende sportliche Ausbildung am Tännicht gewinnen. „Unser Trainingszentrum ist zu jeder Jahreszeit nutzbar“, weiß Kampfrichter Johannes Schierz. „Matten und Anlaufspuren aus Edelstahl ermöglichen einen Betrieb auf den drei unterschiedlich großen Schanzen.“ Als eines der älteren Vereinsmitglieder hat der 74-Jährige die Höhen und Tiefen des Skiclubs miterlebt und in einer Chronik zusammengetragen.

Demnach nahm am 28. Oktober 1928 alles seinen Anfang. Damals entschieden sich die 16 Mitglieder des ortsansässigen Wandervereins „Alpenveilchen“ dazu, eine selbstständige Vereinigung für Skiläufer aus der Taufe zu heben. „Geländelaufen“ (Skilanglauf) und „Skihangtechnik“ (alpines Skifahren) zählten zu den ersten Kursen. „Auch Skispringen stand auf dem Programm und das beeinflusst noch heute maßgeblich die Vereinsarbeit“, weiß Johannes Schierz. Dabei habe sich die erste Sprungschanze an „Schreibers Berg“ befunden. „Danach folgten Schanzen an der ‚Schwarzen Koppe’ und dem aktuellen Standort im Sohlander Ortsteil Tännicht. Obwohl die Anlagen nie über die Kategorie ‚Klein’ hinausgekommen sind, wurden hier bis heute Sportler herangebildet, die es bei nationalen und internationalen Wettkämpfen zu beachtlichen Resultaten brachten.“ Der 19-jährige Alfred Lebelt war zu seiner Zeit der Erste aus den Reihen der Oberländer, der sich in einem deutschen Vorbereitungsteam für die Olympischen Winterspiele wiederfand. Allerdings konnte er in diesem Rahmen seine sportlichen Fähigkeiten nicht unter Beweis stellen. Er verstarb 1939. Der internationale Wettkampf, der ein Jahr später stattfinden sollte, wurde nach Beginn des Zweiten Weltkrieges abgesagt.

Anke Schulze und Falk Schwaar hingegen hatten das Glück, gemeinsam mit der restlichen Weltelite bei den Olympischen Spielen in Lillehammer, Nagano und Salt Lake City um Medaillen kämpfen zu können. Edelmetall blieb für beide zwar aus. Jedoch durften sie das Motto leben „Dabei sein ist alles“. Einen großen Anteil daran hatte Manfred Knoblauch, der 2014 im Alter von 86 Jahren verstarb. Lange Zeit führte er erfolgreich die Talentschmiede genau wie sein Nachfolger Günther (Günti) Rößler es noch heute macht durch alle Höhen und Tiefen.

Inzwischen gibt es bereits neue Hoffnungsträger. Dazu zählen unter anderem David Welde, der vor fünf Jahren bei der Junioren-Weltmeisterschaft den ersten und zweiten Platz holte, oder Jenny Nowak aus Cunewalde. Die Jugendliche hat es mittlerweile nach Klingenthal verschlagen. Dort besucht die Lausitzerin das Sportgymnasium. Noch einmal Johannes Schierz: „Sie hat sich der Nordischen Kombination, der eigentlich letzten Wintersportdomäne der Männer, verschrieben. Doch das soll sich bald ändern. Nach Plänen der FIS könnten 2021 die ersten Frauen-Weltmeister und 2022 die ersten Frauen-Olympiasieger gekürt werden. Und da möchte die heute 16-Jährige gern dabei sein. Bei einem ersten Demonstrationswettkampf im letzten Winter im Rahmen der Junioren-Weltmeisterschaften im schweizerischen Kandersteg belegte sie unter 33 Startern aus zwölf Nationen souverän den ersten Platz.“

Damit der Tännicht für derartige Erfolge weiter das Sprungbrett bleibt, würden es die Vereinsmitglieder begrüßen, wenn Land und Kommune noch einmal gemeinsam Geld locker machen. „Eine Sporthalle in unmittelbarer Nähe unseres Talentstützpunktes ist sehr sanierungsbedürftig – unter anderem in punkto sanitäre Anlagen. Außerdem fehlen zeitgemäße Umkleideräume für Wettkampfveranstaltungen und geeignete Räumlichkeiten für das Kraft-, Athletik- und Trockentraining“, meint Reiner Schwaar. „Wir freuen uns schon jetzt auf eine kooperative Zusammenarbeit mit den entsprechenden Entscheidungsträgern. Denn wir sind der Auffassung, dass auch der Breitensport und eine touristische Nutzung von einer solchen Investition profitieren kann.“

Fest steht: Zu größeren Veranstaltungen am Tännicht kommen schon gut und gern einmal bis zu 1.000 Besucher und Sportler. Reiner Schwaar: „Ihnen gemeinsam wollen wir in Zukunft ansprechendere Bedingungen bieten.“ Zudem befinde sich der Skiclub weiter auf der Suche nach Übungsleitern, um noch mehr Kinder und Jugendliche betreuen zu können. Und wer weiß: Vielleicht knackt einer der neuen Schützlinge den aktuellen Schanzenrekord. Der wurde 2017 aufgestellt und liegt derzeit bei 32 Metern.

Roland Kaiser / 23.08.2018

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