Direkt zum Inhalt springen
Info & Kommentare

Einmal am Rad der Zeit drehen

Einmal am Rad der Zeit drehen

Das kleine Umgebindehaus auf dem Crostauer Schlossplatz wird das Rad der Zeit und im Advent zudem noch eine Krippe beherbergen.

Alternativer Text Infobild

Zwei Männer, eine Idee: Während Jürgen Spottke (li.) mit Hammer und Meißel am Rad der Zeit arbeitete, dokumentierte Reiner Nagel dies mit der Kamera.

Auf dem Crostauer Schlossplatz wird ein außergewöhnliches Kunstwerk eingeweiht. Es handelt sich um einen späten Höhepunkt im Schaffen des bekannten Holzkünstlers Jürgen Spottke.

Wilthen/Crostau. Wer in den letzten Wochen bei Jürgen Spottke über den Gartenzaun blickte, konnte mit etwas Glück eine große runde, scheinbar hölzerne Scheibe erspähen, die der Wilthener in gewohnter Manier mit Hammer und Meißel bearbeitete. „Vier Monate lang hatte ich mit diesem Werk, das jetzt nahezu fertig ist, gut zu tun“, erklärte der auch als „Holzer“ bekannte Künstler zu Beginn der vergangenen Woche. „Dieses Werk“ heißt „Rad der Zeit“, und es besteht, anders als die meisten früheren Arbeiten von Jürgen Spottke, nicht aus Holz, sondern aus einem speziellen, bei der Wilthener Firma Lakowa gefertigten Kunststoff. „Der sieht aus wie Holz und lässt sich auch genauso bearbeiten, hält aber Witterungs- und sonstigen Einflüssen besser stand“, meint der mittlerweile 84-Jährige. Und diese Eigenschaft ist auch wichtig, soll doch das Rad der Zeit im nahe gelegenen Crostau, wenngleich durch ein Dach geschützt, weitgehend frei und öffentlich zugänglich seinen Platz finden. „Allerdings hat mich dieses Material bei der Farbgebung vor einige Herausforderungen gestellt“, sagt Jürgen Spottke schmunzelnd. 
Neben ihm steht ein weiterer, jüngerer Mann, der den „Holzer“ durch das Objektiv einer Kamera beobachtet und Filmaufnahmen von ihm und seiner Arbeit macht. Von ihm, Reiner Nagel, stammen Idee und Initiative für das „Rad der Zeit.“ Er hat dessen Entstehen von Beginn an mit der Kamera dokumentiert und wird dies noch bis zur Einweihung, die am heutigen Samstag, 24. Mai, 17 Uhr auf dem Schlossplatz des Schirgiswalde-Kirschauer Stadtteils Crostau stattfinden wird, tun. Neben Jürgen Spottke und Reiner Nagel ist auch die Stadt Schirgiswalde-Kirschau Partner des vom Sächsischen Staatsministerium für Regionalentwicklung und dem Sächsischen Landeskuratorium für den ländlichen Raum (über den Wettbewerb Simul+), von der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, von der Sächsischen Landesmedienanstalt sowie von der Stiftung für das sorbische Volk unterstützten Kunstprojektes. Die Stiftung für das sorbische Volk? Gehört denn Schirgiswalde-Kirschau neuerdings zum sorbischen Siedlungsgebiet? „Natürlich“, sagt Reiner Nagel, der selbst aus Radibor und damit aus einem der Zentren des sorbischen Lebens in der Oberlausitz stammt. Und fügt hinzu: „Zwar nicht offiziell, doch auch die Gegend südlich von Bautzen war früher stark vom Sorbischen geprägt.“ Und die Nachfahren der ursprünglichen Sorben lebten noch heute hier.

Auch auf dem Rad der Zeit selbst spielen die Sorben, ihre Bräuche und Kultur eine wichtige Rolle. So erzählt Jürgen Spottke von der Besiedlung der Region durch die slawischen Vorfahren der Sorben, die in Kirschau einen Felssporn besiedelten und Crostau seinen Namen gaben, von der Karpfenzucht im Heide- und Teichland und von dem Kleinbautzener Pfarrer Adam Gottlob Schirach, dem Begründer der modernen Bienenzucht. Doch der Bogen – oder besser das Rad – spannt sich noch viel weiter: Vom „Haus Schminke” in Löbau über Lessing und die Kamenzer Wurst, die Kälbersteine bis hin zum sterbenden Wald. Letzterer hat Jürgen Spottke Zeit seines Lebens begleitet, zunächst bei seiner Arbeit im Forst, später als Künstler. Bei weitem nicht alle der insgesamt 35 Motive, die auf den vier aneinandergefügten Segmenten detailreich Platz gefunden haben, können hier genannt werden und sollen es auch gar nicht: Schließlich ist jeder Betrachter nach der Einweihung eingeladen, das Rad der Zeit selbst zu entdecken und an ihm zu drehen. Möglich ist dies mittels einer Kurbel aus einer historischen Nähmaschine.

„Das Kunstwerk wird so in einem eigens dafür aufgebauten Umgebindehaus-Modell auf dem Crostauer Schlossplatz angebracht, dass immer eines der vier Segmente sichtbar ist“, erläutert Reiner Nagel. Er selbst betreibt die Filmproduktion „Ostwärts“ und hat sich auf ethnologische Dokumentationen, insbesondere in Osteuropa, spezialisiert. Die Arbeit am „Rad der Zeit“ ist auch für ihn etwas ganz Besonderes: „Ich habe Jürgen an 70 Drehtagen bei seiner Arbeit begleitet und den gesamten Schaffensprozess dokumentiert.“ Sein Ziel ist es, den daraus entstehenden Film bei Festivals zu zeigen; „ob auch ein Fernsehsender daran Interesse hat, wird sich zeigen.“ Eine Plexiglas-Scheibe sowie eine durch Bewegungsmelder aktivierte Beleuchtung schützen das Rad der Zeit vor Vandalismus.

Neben dem kleinen Umgebindehaus, das in der Adventszeit neben Jürgen Spottkes Kunstwerk auch eine Krippe beherbergt, sind auf dem Crostauer Schlossplatz ein öffentlicher Trinkwasserbrunnen sowie Ladestationen für E-Autos und E-Bikes entstanden. Insgesamt hat das Zentrum des Bergdorfes dadurch eine enorme Aufwertung erfahren, die wohl zahlreiche Besucher anlocken wird. Denn wer will nicht wenigstens einmal im Leben am Rad der Zeit drehen?

Uwe Menschner / 28.05.2025

Was sagen Sie zu dem Thema?

Schreiben Sie uns Ihre Meinung

Die Mail-Adresse wird nur für Rückfragen verwendet und spätestens nach 14 Tagen gelöscht.

Mit dem Absenden Ihres Kommentars willigen Sie ein, dass der angegebene Name, Ihre Email-Adresse und die IP-Adresse, die Ihrem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, von uns im Zusammenhang mit Ihrem Kommentar gespeichert werden. Die Email-Adresse und die IP-Adresse werden natürlich nicht veröffentlicht oder weiter gegeben. Weitere Informationen zum Datenschutz bei alles-lausitz.de finden Sie hier. Bitte lesen Sie unsere Netiquette.

Weitere aktuelle Artikel