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EU von Görlitz aus „schrumpfen“

EU von Görlitz aus „schrumpfen“

Jörg Meuthen kommt zur bundesweiten AfD-Abschlusskundgebung am 23. Mai in die Landskronbrauerei. Foto: AfD

Wird Görlitz bei einer möglichen Wahl von Sebastian Wippel (AfD) zum Oberbürgermeister das neue Chemnitz sein, wenn es um das Stigma geht rechts abzudriften? Der Niederschlesische Kurier hat sich dazu bei den Mitbewerbern Wippels umgehört und den AfD-Spitzenkandidaten für das Europaparlament Jörg Meuthen interviewt – hat doch die AfD ihren bundesweiten Wahlkampfabschluss für Görlitz angekündigt!

Görlitz. „Diese Wahl wird die Europa-Vereinheitlicher entweder bestätigen oder ihre Selbstsicherheit erschüttern“, betonte AfD-Parteichef Alexander Gauland beim Wahlkampfauftakt für die Wahl zum Europaparlament und kündigte einen Identitätswahlkampf an. Und diese Europawahl fällt ja bekanntlich auf den gleichen Tag wie die Görlitzer Oberbürgermeisterwahl, was das mediale Augenmerk doppelt auf die Neißestadt richten dürfte.

Im Angesicht der Gauland’schen Kampfansage hält Octavian Ursu als CDU-Bewerber den Ball flach. Gegenüber dem Niederschlesischen Kurier hebt er funktionierende Netzwerke hervor: „Die Görlitzer wissen, was gut für ihre Stadt ist und brauchen keine Belehrungen von außen. Ich erlebe eine sehr interessierte Bevölkerung. Görlitz hat Ideen für die Zukunft und ich habe in den vergangenen Jahren im Landtag und den Ministerien sehr viele Verbündete gefunden, die uns helfen werden, Görlitzer Interessen durchzusetzen.“
Hingegen hält Jana Lübeck für die Linken deutlich dagegen. „Die Wahl eines antidemokratischen und europafeindlichen AfD-Kandidaten als OB wäre ein fatales Signal aus der Europastadt Görlitz in die Welt. Die positive Bevölkerungsentwicklung sehe ich dahin gefährdet, dass europaweit tätige Firmen mit multinationalen Belegschaften in Görlitz keine neuen Ansiedlungen planen werden, bzw. bisher am Standort agierende Firmen bereits jetzt schon über eine Abwanderung nachdenken“. Auch sei die Wahrnehmung der Stadt als freundliche und weltoffene Stadt in Gefahr, so dass Gäste die Stadt meiden könnten. Letztlich hätten auch die Pegida-Demonstrationen einen gleichen negativen Effekt auf Dresden gehabt. Und auch innerlich sei der Zusammenhalt bedroht: „Einwohner*innen aus verschiedenen Nationen und Kulturen leben in Görlitz friedlich zusammen, dies soll auch in Zukunft gemeinsam mit den Gästen der Stadt so bleiben!“, betont sie. „Darüber hinaus besitzt der Kandidat der AfD keine nennenswerten Kompetenzen im Bereich der Wirtschaft. Das Umbenennen des Berzdorfer Sees in Görlitzer See als vermeintlicher Wegweiser für die künftige touristische Entwicklung der Stadt zeigt hierbei nur in erschreckender Art und Weise auch die Geschichtsvergessenheit dieses Mannes“, ergänzt Lübeck.
Ob Görlitz jedoch tatsächlich bei einer Wahl Wippels finanzpolitisch aus Berlin oder Dresden an der kurzen Leine gehalten wird, kann natürlich auch Lübeck nicht beantworten, wobei sie postuliert: „Öffentliche Gelder sollten generell, und zwar unabhängig von Wahlergebnissen, nach Notwendigkeit eingesetzt werden.“ Dem dürften Octavian Ursu, Sebastian Wippel, wie auch die Fiananzexpertin und OB-Bewerberin Franziska Schubert (Grüne) zustimmen können, wobei sich letztere nicht an Prophetie beteiligen möchte: „Ich kann nicht vorhersehen, wie sich potenzielle Wirtschaftsinvestoren, Studierende, Rückkehrwillige, Zuzugswillige oder Einheimische verhalten werden. Das wäre Spekulation und unseriös – beides nicht meine Sache“, gibt sie zu Protokoll. Ohnehin sei dazu der 1. September, also der Tag der Landtagswahl, abzuwarten. Nach ihrer Ansicht bestünde eher die Frage: „Wer bringt das Handwerkszeug mit für Stadtentwicklung? Wer hat Erfahrung im Bereich Verhandlungen im Finanzbereich und kennt kommunale Finanzen, um eben auch an den entsprechenden Stellen zu wirken?“
Ihr läge nicht an persönlichen Angriffen auf politische Mitbewerber. „Ich mache mein eigenes Angebot für die Stadt. Dass es einer CDU-geführten Staatsregierung nicht schmecken würde, sollte jemand ohne CDU-Parteibuch gewinnen, ist Erfahrungswert. Ich persönlich habe da jedoch keine Angst – ich kenne die Rechte der kommunalen Ebene und werde sie durchsetzen.“ Kommunalpolitisch ebenso geerdet stellt auch Octavian Ursu klar: „Es geht um unsere Heimatstadt. Viele erinnern sich an furchtbare Streitigkeiten zwischen Stadtrat und OB – das wir es mit mir nicht geben.“ Die Europawahl bietet den Parteien hingegen mehr Munition grundsätzliche Fragen aufzuwerfen. AfD-Spitzenkandidat für Brüssel Prof. Jörg Meuthen hatte die EU beim eingangs erwähnten Europawahlkampfauftakt seiner Partei als „ziemlich kranken Patienten“ bezeichnet, dem es zunehmend schlechter gelinge, seinen eigentlichen Aufgaben gerecht zu werden. Am 23. Mai wird Görlitz nun Schauplatz der Abschlusskundgebung der EU-Skeptiker zur Europawahl. Anlass für NSK-Redakteur Till Scholtz-Knobloch Jörg Meuthen unter anderem die Frage zu stellen, warum die Wahlabschlussveranstaltung gerade in Görlitz stattfinden wird.

Herr Meuthen, Görlitz könnte die erste deutsche Stadt mit AfD-Oberbürgermeister werden. Ministerpräsident Michael Kretschmer hat sich 2019 quasi im Wochenrhythmus in Görlitz blicken lassen. Der Wahlabschluss der AfD hier ist jetzt die Kampfansage, dass Görlitz Symbol für einen Zeitenwandel ist?

Jörg Meuthen: Sebastian Wippel hat tatsächlich gute Chancen, in Görlitz der erste AfD-Oberbürgermeister zu werden. Aktuelle Umfragen sehen ihn in klar vor den Kandidaten der anderen Parteien. Und natürlich haben wir gern den Wahlkampfendspurt unseres deutschlandweiten Europawahlkampfs auf den 23. Mai nach Görlitz gelegt, um Sebastian Wippel zu unterstützen. Die Zeiten haben sich tatsächlich gewandelt, die AfD hat sich als überzeugende und starke Alternative zu den Altparteien etabliert.

Sie selbst gelten als wirtschaftsliberal. Nun hat die Sozialpolitik in Ihrer Partei noch keinen festen Kurs. Ist der Wahlshowdown in der östlichsten deutschen Stadt, die auch für das neue Ost-West-Unverständnis steht, damit nicht auch ein Signal, dass die Partei sozialpolitisch doch eher linke Positionen des behütenden Vater Staates annehmen wird?

Jörg Meuthen: Im September werden wir einen großen AfD-Parteitag im Osten abhalten und die Sozialpolitik wird dort ein wichtiges Thema sein. Unabhängig davon haben wir immer gesagt, dass wir unseren Sozialstaat nur dann erhalten können, wenn wir unsere Grenzen kontrollieren und sehr genau schauen, wen wir reinlassen und wen nicht. Das ist weder links noch rechts – das ist einfach gesunder Menschenverstand. Dafür stehen wir als AfD.

Unmittelbar an der Grenze zu Polen stellt sich die Frage, welche der rechten Fraktionsgemeinschaften im Europaparlament künftig für die AfD akzeptabel ist. Sowohl die jetzige Gemeinschaft mit dem skurrilen Janusz Korwin-Mikke ist bzw. mit der in Warschau regierenden PiS wäre auch ein Bündnis mit Politikern betont antideutscher Ressentiments.

Jörg Meuthen: Gemeinsam mit Matteo Salvini, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Italiens und Chef der italienischen Partei Lega, habe ich gerade in Mailand eine Allianz gegründet, in der alle patriotisch-demokratischen Parteien nach der Europawahl mitarbeiten können. Wir werden dann eine starke Fraktion im EU-Parlament bilden und dort ein Europa der Vaterländer umsetzen. Ob die polnische PiS-Partei dabei sein kann und will, wird sich zeigen.

Nach der Wende sehnten viele eine Achse Berlin-Paris-Warschau herbei. Wäre Berlin-Warschau Ihrer Ansicht eine Alternative zur Verengung auf viel Paris bzw. Macron und wenig Berlin wie derzeit?

Jörg Meuthen. Die derzeitige „Achse“, wie Sie es nennen, Paris-Berlin ist zerstörerisch für die EU und ganz Europa, denn Macron und Merkel treiben gemeinsam einen bürokratisch-zentralistischen EU-Superstaat voran, der die großen Probleme der EU nicht lösen, sondern noch verschlimmern wird. Ich werde dem nun keine „Achse“ Berlin-Warschau entgegensetzen. Wichtiger ist, dass Patrioten aus ganz Europa vereint die EU wieder gesundschrumpfen und auf die politischen Bereiche beschränken, in denen die EU sinnvoll ist – der gemeinsame Binnenmarkt ist ein gutes Beispiel dafür.

Was passiert Ihrer Vorrausicht eigentlich, wenn mit Sebastian Wippel ein AfD-Mann Oberbürgermeister wird? Wird die Region nach bislang angekündigten Strukturgeschenken dann der Berliner und Dresdner Bannstrahl einer Strafkolonie treffen?

Jörg Meuthen: Sebastian Wippel ist ein hervorragender AfD-Politiker, Polizist und Familienvater. Wenn er Görlitzer Oberbürgermeister wird, dann ist das ein Sieg der Demokratie über den Altparteienfilz. Ich glaube kaum, dass die Altparteien-Politiker in Dresden und Berlin dann so dumm sein werden, Görlitz mit einem „Bannstrahl“ zu belegen. Sie werden es sehen. Und ich freue mich darauf, im Mai an die Neiße nach Görlitz zu kommen und gemeinsam mit vielen Freunden aus Sachsen und ganz Deutschland Sebastian Wippel zu unterstützen – damit es mit Görlitz endlich wieder bergauf geht!

Till Scholtz-Knobloch / 13.05.2019

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Kommentare zum Artikel "EU von Görlitz aus „schrumpfen“"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Steffen.W. schrieb am

    Für mich ist Herr Wippel auch der einzige wählbare Kandidat in Görlitz, da Er Görlitzer ist und die Probleme der Stadt kennt, fragen sie doch mal Frau Schubert welche Chancen Sie in Ebersbach-Neugersdorf hätte, da wo man Sie kennt, keine. Deswegen versucht Sie es in Görlitz die restlichen Kandidaten sind nicht erwähnenswert für mich.

  2. Erhard Jakob schrieb am

    Reichardt, schuld an der Misere sind weniger die AfD-Wähler bzw. AfD-Politiker!
    Schuld an der Misere sind doch mehr die Etablierten, welche die AfD mit
    ihrer falschen Politik erst groß gemacht haben.

  3. Reichardt schrieb am

    Eine Allianz Deutschland - Italien hatten wir bereits einmal in den 1930 er Jahren. Ich bin entsetzt über die Verstandes,- und Instinktlosigkeit von Herrn AFD- Meuthen. So wie er haben die Hitler- Schergen seinerzeit "patriotisch" agitiert. Ich sage:Traurig fuer eine Republik auf den Grundfesten des Grundgesetzes.

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