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Flüchtlingsunterkunft: Anwohner erinnern Landkreis an ein Versprechen

Flüchtlingsunterkunft: Anwohner erinnern Landkreis an ein Versprechen

Der Landkreis will diese 2019 geschlossene Flüchtlingsunterkunft an der Dresdener Straße wieder in Betrieb nehmen. Das Gebäude beherbergte einst die Bauberufsschule. Foto: Archiv

Bautzen. Das Schreiben soll als Hilferuf verstanden wissen. Dessen Verfasser bleiben ano-nym. Die Rede ist von Anliegern der Bauberufsschule Bautzen an der Dresdener Straße. Das Gebäude, in dem bis zu dessen Schließung vor fast drei Jahren Flüchtlinge ein Dach überm Kopf fanden, will der Landkreis wieder reaktivieren. Eigentlich sollte das nicht passieren. Deshalb erinnern die betroffenen Anwohner an ein Versprechen von Landrat Michael Harig, das er ihnen am 28. Januar 2019 gegeben haben soll. Demnach wurde damals ausgeschlossen, dass das Domizil künftig noch einmal als Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende und Flüchtlinge in Frage kommt.

Alles in allem wird das damalige Geschehen von Berichten überlagert, die die Anlieger auch in besagtem Schreiben vorbringen. Immer wieder sei es zu Lärm und Gewaltsituationen gekommen, sodass die Polizei wiederholt angefordert werden musste. Auch die Betreuung der unbegleiteten, minderjährigen Asylbewerber sei nicht „ohne Störung des Friedens im Wohngebiet“ möglich gewesen.

Der Oberlausitzer Kurier konnte das bis zum Redaktionsschluss nicht selbst reflektieren. Allerdings hieß es vonseiten der Kreisverwaltung, dass nach der für Februar beabsichtigten Wiederinbetriebnahme einiges anders als früher laufen soll. „Es wird rund um die Uhr Personal vor Ort sein, das für die Belange der Bewohner in der Einrichtung da ist sowie für Ordnung und Sicherheit sorgt, aber auch Ansprechpartner für die Anwohner sein wird“, versicherte die Behörde über eine Sprecherin. Jedoch verbindet sie damit auch eine Bitte: „Ein Entgegenkommen sollte von beiden Seiten erfolgen, sowohl von den Anwohnern als auch mit Unterstützung des Personals in der Einrichtung durch die zukünftigen Bewohner.“

Doch den Ausführungen des Landratsamtes mag der eine oder andere mit Blick auf damalige Begebenheiten nicht so recht Vertrauen schenken. Das wiederum lässt sich aus dem „Hilferuf“ ableiten. Darin heißt es: „Aufgrund der aktiven Bemühungen der Anlieger wurden von der Stadt Bautzen und dem Landkreis Anstrengungen unternommen, um die Flüchtlinge und Asylsuchenden in das Lebensumfeld im Wohngebiet zu integrieren.“ Allerdings, so ist auch zu lesen, seien die gut gemeinten Bemühungen in der Unterkunft nicht wirksam gewesen. Es werde daher erwartet, dass der Landkreis zu seiner Entscheidung von 2019 steht.

Der ließ wiederum erklären, Alternativen abgeprüft zu haben. „Es wurde für alle geeigneten landkreiseigenen Objekte eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durchgeführt“, teilte die Sprecherin mit. Letztendlich habe sich dabei herausgestellt, dass es keine Möglichkeit gab, ein anderes Objekt für den Jahresbeginn bezugsbereit vorzubereiten. Jedoch wird vonseiten der Verwaltung eingeräumt, ebenso Gespräche mit den Inhabern des Spree-Hotels am Bautzener Stausee geführt zu haben. Dabei blieb es dann allem Anschein nach auch.

Selbst der Verein „Willkommen in Bautzen“ sieht in der Dresdener Straße eine Herausforderung, allerdings in anderer Hinsicht. „Wir gehen davon aus, dass es wieder mehr Paten braucht, die sich bei der Betreuung der dort Untergebrachten mit engagieren. Die Organisation und Unterstützung der Patenarbeit ist eine weitere Aufgabe, der wir uns verschrieben haben“, verlautete in einer jüngst veröffentlichten Medieninformation. Zeitgleich sieht sich der Verein mit dem Umstand konfrontiert, dass es ihm eigenen Angaben zufolge nicht gelang, Fördermittel zu erhalten. Damit sterbe die bisher praktizierte Beratung von Migranten.

Die die in der Dresdener Straße ein Dach überm Kopf finden, sollen fortan in Drei- und Vierbettzimmern untergebracht werden. Welcher Herkunft sie sind, dazu konnte das Landratsamt auch auf wiederholte Anfrage hin zunächst keine Aussagen treffen: „Die konkreten Zuweisungslisten der für die Verteilung zuständigen oberen Unterbringungsbehörde beim Freistaat sendet diese erst kurz vorher.“ Nach hauseigenen Schätzungen investiert der Landkreis rund 70.000 Euro, um das Gebäude samt näherem Umfeld für die künftige Nutzung flott zu machen. „Die Zimmer sowie Gemeinschaftsbereiche – dazu zählen die Küche und Sanitärbereiche – werden unter Beachtung der Verwaltungsvorschrift Unterbringung des Freistaates Sachsen ausgestattet und eingerichtet“, legte die Sprecherin dar. „Für jede Person steht ein Bett, ein Stuhl, ein Schrank sowie eine Kühlmöglichkeit mit einem Volumen von 30 Litern und jedem Zimmer ein Tisch zur Verfügung. In einem ersten Schritt ist die Unterbringung der Menschen sicherzustellen. Zusätzliche Möglichkeiten werden dann in Abstimmung mit dem Betreuungspersonal vor Ort geprüft und eingerichtet.“

Hintergrund des Ganzen sind die seit Sommer zunehmenden Einschleusungen von Flüchtlingen nach Sachsen, was wiederum in Verbindung mit den Geschehnissen in Weißrussland zu betrachten ist (auch der Oberlausitzer Kurier berichtete darüber). „Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen durch die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze führten zu einem überproportionalen Zuzug von Asylbewerbern nach Deutschland“, weiß die Landratsamtsmitarbeiterin zu berichten. Das wiederum sei nicht vorhersehbar gewesen. Der Landkreis als untere Unterbringungsbehörde habe die Verpflichtung, zugewiesene Personen aufzunehmen. „Die Kapazitäten in den vorhandenen Unterkünften reichten rechnerisch nicht aus, um die im November 2021 angekündigte Verteilquote von etwa 80 Fällen je Woche unterzubringen. Am 16. Dezember wurde dem Landkreis mitgeteilt, dass sich die Verteilquote auf knapp 60 Fälle je Monat verringert. Das sind im Schnitt immer noch mehr Zuweisungen als in den Monaten, in denen wir im Durchschnitt rund 30 Personen pro Monat untergebracht haben.“ Erschwerend komme die Corona-Situation hinzu, die zu geringeren Auszügen aus den Einrichtungen führe, sodass Abgänge und Zuzüge nicht mehr im Gleichgewicht stünden. „Mit der Zuweisung von aktuell angekündigten 88 Personen im Dezember sind unsere vorhandenen Unterkünfte belegt, trotz zusätzlicher Anmietung von zehn Wohnungen.“ Letztendlich habe die Gesamtsituation zu der Entscheidung geführt, kurzfristig eine neue Unterkunft in Betrieb zu nehmen. „In Anbetracht der bekannten angespannten Haushaltslage im Landkreis und unter Beachtung des kurzen zeitlichen Vorlaufes wurden alle landkreiseigenen Objekte auf ihre Eignung geprüft und verwaltungsintern entschieden, das Objekt in der Dresdener Straße 14 in Bautzen wiederzubeleben.“

Die Anwohner indes werden vermutlich weiterhin auf ihre Situation aufmerksam machen. Der Landkreis wäre deshalb gut beraten, sich diesmal an sein Versprechen zu halten – nämlich alles zu unternehmen, damit es friedlich bleibt an der Dresdener Straße.

Roland Kaiser / 25.12.2021

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