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Das läuft alles schief im Fall King Abode

Das läuft alles schief im Fall King Abode

Nach einem Richterwechsel liegen beim Amtsgericht Bautzen nach wie vor mehrere Anklagen gegen einen 22 Jahre alten Libyer, die zu einem einzigen Verfahren verbunden werden sollen. Foto: RK

In Bautzen ist er schon längst kein Unbekannter mehr. Seit seiner Ankunft am Spreeufer sorgt ein Asylbewerber aus Libyen immer wieder für Schlagzeilen – auch in diesem Herbst. 

Bautzen. Ein im Zusammenhang mit Ermittlungen zu einem mutmaßlichen Raubdelikt festgenommener Mann aus Libyen ist seit Montagnachmittag wieder auf freiem Fuß. Das teilte die Polizeidirektion Görlitz auf Anfrage mit, nachdem der Asylbewerber im Bautzener Stadtgebiet wenige Augenblicke später gesehen wurde – und das, obwohl er sich in der Spreestadt derzeit nicht aufhalten darf.

Der 22-Jährige war am Sonntagnachmittag vergangener Woche von Beamten des örtlichen Reviers in der Flüchtlingsunterkunft an der Macherstraße in Kamenz festgenommen worden. Die Polizisten, die von einem Einsatzzug unterstützt wurden, hatten in dem Heim nach dem Mobiltelefon eines 18-Jährigen gesucht, das dem Heranwachsenden in der Nacht zuvor von dem Tatverdächtigen geraubt worden sein soll.

„Bei der Überprüfung der Personalien des als Intensivtäters bekannten Asylsuchenden fiel auf, dass seit wenigen Tagen ein Vollstreckungshaftbefehl gegen den Libyer bestand“, sagte Polizeisprecher Thomas Knaup. „Er war von der Polizei im September 2017 in der Dresdener Neustadt im Besitz von Cannabis erwischt worden. Ein Gericht hatte eine Geldstrafe von rund 550 Euro verhängt, die der Mann bis dato noch nicht beglichen hatte. Da der Tatverdächtige auch nun nicht zahlungsfähig war, verhafteten ihn die Beamten und überstellten ihn in eine Justizvollzugsanstalt.“ Dort werde der junge Mann bis in den Monat November hinein eine 40-tägige Ersatzfreiheitsstrafe absitzen, ließ der Polizeisprecher weiter wissen. Doch dazu kam es nicht. Fast zeitgleich mit der versandten Medieninformation hatte der Libyer die JVA in Bautzen wieder verlassen dürfen.

Recherchen beim Sächsischen Justizministerium und bei der Staatsanwaltschaft Dresden ergaben, dass offenbar eine Kommunikationspanne schuld daran ist. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Steve Schulz-Reinhold: „Die aus einem Rauschgiftdelikt in Dresden resultierende Geldstrafe, die Herr T. kassiert hatte, war in einem nachgelagerten Strafverfahren vom Amtsgericht Bautzen einbezogen worden. Für die Vollstreckung ist demnach die Staatsanwaltschaft Görlitz zuständig, sobald diese in der Angelegenheit tätig wird. Rechtskraft hat das Urteil bereits erlangt. Es wurde nur noch nicht vollstreckt bisher.“ Und weiter: „Am 27. September 2018 fand am Amtsgericht Dresden ein Strafverfahren gegen Herrn T. statt, in das wiederum das Strafmaß aus dem Bautzener Verfahren mit einbezogen wurde. Dieses Verfahren ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Deshalb ist eine Vollstreckung derzeit nicht durchführbar.“ Die Frist zum Einlegen von Rechtsmitteln beim Amtsgericht Dresden endete am Donnerstag. Fest steht: Laut Staatsanwaltschaft Dresden war die Vollstreckung der aus dem Rauschgiftdelikt resultierenden Geldstrafe zum Zeitpunkt der Festnahme bereits aufgehoben und auch eine Fahndung nach dem Libyer bestand nicht mehr. Die Anklagebehörde in der Landeshauptstadt hat eigenen Angaben zufolge darüber eine Bestätigung erhalten. „Weshalb es dennoch zu der Verhaftung auf Grundlage dieser Vollstreckungssache kam, ist uns nicht bekannt“, fügte Steve Schulze-Reinhold hinzu. Indes dauern in Kamenz die Ermittlungen zum mutmaßlichen Raub des Mobiltelefons an. Bei der Durchsuchung der Räumlichkeiten des 22-Jährigen sei es nicht gefunden worden.

Ende vergangener Woche hatte die Stadt Bautzen gegenüber dem Asylbewerber, der sich selbst King Abode nennt, wiederholt ein dreimonatiges Aufenthaltsverbot ausgesprochen. „Grund für die Entscheidung ist die außergewöhnliche Häufung von strafbaren Handlungen in einem kurzen Zeitraum“, erklärte Rathaussprecher André Wucht. „Gegen die betroffene Person laufen unter anderem Ermittlungen wegen Hausfriedensbruch und Körperverletzung. In mehreren Einrichtungen in Bautzen hat die Person bereits Hausverbot.“ Aufenthaltsverbote seien weder als Bestrafung noch als Erziehungsmaßnahme zu verstehen, sondern dienten ausschließlich der Gefahrenabwehr. Ihre Rechtsgrundlage fänden sie im Sächsischen Polizeigesetz, hieß es weiter. Sie würden sich gegen einzelne Personen richten, wenn die Annahme besteht, dass diese in einem bestimmten Gebiet Straftaten begehen werden. 

Auch wenn der 22-Jährige seiner Gefängniszelle nach kurzer Zeit wieder den Rücken kehren konnte, gelte für ihn das Aufenthaltsverbot unverändert weiter, so Polizeisprecher Thomas Knaup. „Sollte er in der Stadt gesichtet werden, bitten wir um Benachrichtigung der Polizei.“ Bautzener haben hingegen erste Zweifel angemeldet, ob auch tatsächlich seitens der Ordnungshüter durchgegriffen wird. Eine Facebook-Nutzerin schrieb in dem Zusammenhang: „Gestern (Montag, Anm. d. Red.) haben ihn zwei Beamte angesprochen und weiter laufen lassen...“

Unabhängig davon wurde einem Radiobericht vom Dienstag zufolge gegen den Bautzener Amtsgerichtsdirektor Strafanzeige gestellt und Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben. Der Anzeigenerstatter aus dem Raum Weißenberg wirft dem Behördenleiter vor, dass der Prozessbeginn gegen den 22-Jährigen vermutlich bewusst verzögert wurde. Damit seien etliche Straftaten in Kauf genommen worden. Das Justizministerium wies in dem Zusammenhang nochmals auf die Unabhängigkeit der Gerichte hin.

Am 24. Oktober will das Sächsische Oberverwaltungsgericht in einem Berufungsverfahren darüber befinden, ob King Abode in Deutschland bleiben darf. Zu möglichen Chancen wollte sich sein Jenaer Anwalt im Vorfeld der Verhandlung nicht äußern.

Roland Kaiser / 06.10.2018

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