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Görlitzer sparen im großen Maßstab Energie

Görlitzer sparen im großen Maßstab Energie

Politiker und Medienvertreter am 29. März auf der Görlitzer Altstadtbrücke Foto: Matthias Wehnert

West- und Ost-Görlitz bereiten eine gemeinsame Fernwärmeversorgung vor. Ministerpräsident Michael Kretschmer und Niederschlesiens Marschall Cezary Przybylski unterzeichnen auf der Altstadtbrücke am Montag ein gemeinsames Unterstützerschreiben.

Görlitz. Es gibt politische Anliegen, die Selbstläufer sind, weil es Applaus praktisch von allen Seiten gibt. Im Umkehrschluss droht diesen dann in der politischen Vermarktung ein Zuviel. Und so musste bei aller Klimadauerberieselung am Montag natürlich auch Ministerpräsident Michael Kretschmer und Marschall Cezary Przybylski anrücken, um das große Klimaneutralitätsfanal für die Europastadt an der Neiße mit einem Unterstützerschreiben in die Welt zu senden. Bei so einem großen Event wird doch auch niemand etwas dagegen haben, dass gleich noch die journalistische Arbeit durch ein Erfordernis eines Coronatest erschwert wird, meinte wohl die Staatskanzlei. Dabei zeigte sich die kleine Schar an Offiziellen und Medienvertretern sicher nicht unfähig, ausreichende Abstände zu halten. Aber Schritt für Schritt werden derzeit auch hier neue Markierungen nur scheinbarer Normalität gesetzt.

Wie dem auch sei – das Unterstützerschreiben an Oberbürgermeister Octavian Ursu (West) und Rafal Gronicz (Ost) nahmen die Stadtoberhäupter natürlich gerne entgegen. Bereits in der Stadtratssitzung vom 5. November 2020 wurde ein Leitfaden vorgestellt, wie Görlitz bis 2030 ’Klimaneutralität’ erreichen könne. Oberbürgermeister Octavian Ursu hob damals hervor: „Mit der konsequenten Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen bis 2030 kann das Ziel der Klimaneutralität erreicht werden. Görlitz soll sich zu einer zukunftsgerichteten, modernen und für Jung und Alt attraktiven Stadt entwickeln.“ Doch der Begriff der Klimaneutralität ist natürlich eines der überstrapaziertesten Worte der PR-Sprache, obwohl nur eine Null-Mehrbelastung echte Klimaneutralität ermöglichen würde – auch hier gilt: Ein Perpetuum mobile wird es in Görlitz nicht geben können.

In der offiziellen Pressemitteilung ist freilich hochtrabender davon die Rede, dass man „ermutigt durch den europäischen Green Deal als neue Wachstumsstrategie der EU“ mit gutem Beispiel vorangehen wolle.

Während Michael Kretschmer ebenso in den Topf der Überschwänglichkeiten griff, blieb der im hinterpommerschen Stolzenburg (Slawoborze) geborene Marschall Cezary Przybylski geerdeter: „Das Projekt der klimaneutralen Fernwärme ist äußerst wichtig, da es die Kohlendioxidemissionen reduziert und gleichzeitig die Lebensqualität der Einwohner verbessert“, sagte der Regierungschef der Woiwodschaft Niederschlesien ohne allzu viel sprachliches Chichi.

Das Projekt einer gemeinsamen Wärmeversorgung soll bis 2030 umgesetzt werden. Zunächst ist vorgesehen, bis 2022 die Wärmeerzeugung im Heizwerk auf polnischer Seite durch eine deutlich verminderte Emissionsbelastung zu ertüchtigen. Neue Erdgasblockheizkraftwerke sollen Kohlekessel ersetzen. Im Anschluss ist dann eine Verbindungsleitung geplant, so dass beide Stadthälften trotz der Staatsgrenze zumindest in Sachen Wärmeversorgung wieder eine echte Einheit bilden können. Bis 2030 sollen beiderseits der Neiße Kriterien erfüllt werden, die in der großen Politik als ’klimaneutral’ angepriesen werden. Sachsens Energieminister Wolfram Günther kommentierte in Abwesenheit „Mehr Europa geht nicht“ und wies zugleich darauf hin, dass allein durch die Umsetzung dieses Vorhabens jährlich bis zu 75.000 Tonnen an CO2-Emissionen eingespart würden. Das wäre beim Gelingen des Vorhabens tatsächlich ein beachtenswerter Erfolg. Aber kann man dafür nicht ganz einfach und sachlich korrekt beim althergebrachten „Energiesparen“ oder bei einer „ressourcenschonenden Fernwärmeversorgung“ bleiben?

Till Scholtz-Knobloch / 04.04.2021

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