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„Der günstigste Zeitpunkt ist nie“

„Der günstigste Zeitpunkt ist nie“

Sven Fiedler (links) und René Ziemianski haben die Zahlenkolonnen weiterhin im Griff. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Jährlich nehmen sich die beiden Vorstände der Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien eG die Zeit, in einem Sechsaugengespräch dem Niederschlesischen Kurier Rede und Antwort zur Jahresbilanz des Vorjahres zu geben. René Ziemianski und Sven Fiedler sehen im 165. Geschäftsjahr eine Fortsetzung eines nachhaltigen Wachstumskurses.

Görlitz. Das betreute Kundenvolumen sei um 121 Mio. Euro oder 11 % auf 1.217 Mio. Euro gestiegen. Damit befinde man sich deutlich über dem Verbandsdurchschnitt, der einen Anstieg vo 4,4% verzeichnete. Das Kreditvolumen stieg mit 338 Verträgen um 11% auf 61,7 Mio. Euro Und auch das Anlagevolumen wuchs von 760 Mio. Euro auf 822 Mio. Euro – mit Zuwächsen sowohl bei Einlagen (plus 8,2%) als auch bei Wertpapieren, Fonds und Versicherungen.

Im Gespräch kommen wir auf die Regierungsbildung in Berlin und die Rekordverschuldung zu und die Zinspolitik zu sprechen. Findet ein regionales Kreditinstitut in der Politik überhaupt Gehör? René Ziemianski sagt: „Direkt auf die Füße treten als Institut können wir der Regierung natürlich nicht. Wir haben aber Kontakt zu regionalen Politikern beziehungsweise wird bei unserem Dachverband BVR entsprechende Informationspolitik betrieben.“ Die Frage stelle sich wie folgt: „Das was jetzt mit dem großen schuldenfinanzierten Konjunkturpaket in Aussicht gestellt wurde – kommt das wirklich so schnell in Wirkung. Geld bereitstellen ist das eine, aber das Geld abzurufen da braucht es nach unserer Sicht erst einmal Reduktion von Planfeststellungsverfahren, Bürokratieabbau usw.“

Festzinsen als deutsche Errungenschaft

Um größere Geldbeträge auf der anderen Seite bei Sparern betreffen das große Thema der Immobilienfinanzierung. Sven Fiedler möchte hierzu Beruhigung leisten: „Wir wissen doch aus der Vergangenheit, dass Preise immer gestiegen sind. Wer vor zehn Jahren ein Haus gebaut hat, hat weniger bezahlt als heute. Die Sorge des Rückzahlens von Eigentum habe ich weniger, die Rückzahlungen von diesen staatlichen Aufnahmen ist etwas anderes, so dass wir uns auf Inflation einstellen müssen.“ Nur werde der Eigenheimfinanzierer eher Profiteur sein, „weil der klassische Mieter die Kosten trotzdem umgelegt bekommt.“ René Ziemanski pointiert ergänzend: „Der günstigste Zeitpunkt ist nie – vor zehn Jahren wäre es besser gewesen.“

Sven Fiedler stellt sich die Frage, welches Risiko der einzelne eingeht, wenn er investiert. „Ich hab heute die Möglichkeit bei einer zehn- oder sogar 20-jährigen Festzinsbindung, dass dieser Zinssatz, wenn ich etwas Eigenkapital einbringe, unter 4 Prozent liegt – historisch gesehen ein extrem niedriger Satz. Wir sind hier etwas verwöhnt von der Negativzinszeit.“ Dem pflichtet auch Ziemianski bei. „Wir haben in Deutschland eben ein besonderes System. Wir kennen Festzinsbindungen, das kennen in Europa so viele Länder nicht. In den meisten Ländern gibt es variable Zinsen, insbesondere für Immobilienfinanzierer, die dann, wenn die Zinsen steigen, wirtschaftlich Probleme bekommen.“

Auszubildende übernommen

Apropos Zinsen: Der Zinsüberschuss der Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien eG stieg durch höhere Erträge aus Einlagen und Krediten. Auch die Provisionserträge nahmen zu – „gestützt durch erfolgreiche Beratung im Wertpapier- und Versicherungsgeschäft“, wie die beiden betonen. Die Bilanzsumme erhöhte sich letztlich auf 560 Mio. EUR (plus 1,6?%).

Die gute Ertragslage habe letztlich eine weitere Eigenkapitalstärkung erlaubt. Die Vertreterversammlung schlägt eine Dividende von 3,0 % vor. 

Das Hausbankmodell brachte über 822.500 Euro an Rückvergütungen (2023: 737.500 Euro), z.B. durch Kontorabatte oder Zinsvorteile. 538 Mitglieder erhielten Treuegutschriften. 

Ein verantwortungsvoller Umgang mit den Einlagen erlaubt unter anderen auch, dass beim Weihnachtskonzert in der Görlitzer Peterskirche Mitglieder vom halben Eintrittspreis profitierten – 8.469 Euro wurden hier gespendet. Insgesamt hätten sich die jährlichen Mitgliedervorteile auf 822.500 Euro aufaddiert – ein Plus von 85.000 Euro gegenüber dem Vorjahr.

Die Bank betreibt sechs Geschäftsstellen mit rund 30 Beratern, wobei 2024 14.771 Beratungsgespräche stattfanden. Zum Jahresende 2024 beschäftigte die Bank 86 Mitarbeiter, darunter elf Auszubildende. Zwei Azubis bestanden erfolgreich, drei neue begannen ihre Ausbildung. Stolz sind Fiedler und Ziemanski auch auf moderne Arbeitsbedingungen, flexible Arbeitszeiten und Homeoffice-Angebote. Die Arbeitgeberattraktivität färbe etwa ab, wenn ein Score von 4,3 beim „TOP Company Award 2024“ von Kununu zu verzeichnen sei. Weitere Auszeichnungen habe es u.a. von der F.A.Z., Deutschland-Test und trendence gegeben.

Ein wahnsinnig reguliertes System

Die Bank förderte 2024 regionale Projekte mit 80.100 Euro. Bei der Spendenabstimmung gingen 5.000 Euro an 20 Initiativen. Im Rahmen des Gewinnsparens wurden 12.000 Euro an 14 Vereine verteilt, zwei Kindergärten erhielten ’Kita-Flitzer’ im Wert von je 3.760 EUR. Über die Bank-Stiftung wurden 8.000 Euro an zwei Preisträger vergeben: Der Landsportverein Friedersdorf für eine PV-Anlage und das Jugendhaus Wartburg für den Erhalt einer Kita. Beim Wettbewerb „Sterne des Sports“ siegte regional der Pferdehof Maaß e.V. in Zoblitz und erreichte landesweit zudem gar den 4. Platz.

Die Vorstände Sven Fiedler und René Ziemianski erwarten auch weiterhin stabile Ergebnisse, „sofern sich geopolitische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen nicht verschlechtern und die Mitglieder weiterhin auf die Bank vertrauen.“

Ein Leser des Niederschlesischen Kuriers hatte kürzlich die Annahme gehegt, dass die Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien eG ihm wegen Bitcoinhandels das Konto gekündigt habe. Sven Fiedler dementiert eine solche Annahme: „Eine Kündigung wegen Bitcoinhandel gibt es bei uns nicht, wir haben eine ganze Reihe Kunden, die das machen. Wir trennen uns von Kunden, die Mitarbeiter oder andere Kunden beleidigen, Gewalt androhen oder aggressiv sind.“ Oder wenn etwa Geldwäsche im Raum stünde. „Wenn eine Legitimation nötig ist, ist sie nötig. Unabhängig ob ich oder mein Kollege die Vorgabe gut oder schlecht findet. Wir haben ein wahnsinnig reguliertes System. Und manchmal denken auch wir beiden: ‚Meine Güte, was wir alles behandeln müssen‘. Aber wir werden geprüft und wenn Kunden nicht bereit sind, dann müssen wir dem ein Ende setzen, weil wir uns sonst allen kein Gefallen tun.“ Die wenigen Fälle von Kündigungen seitens der Bank würden dennoch nicht zunehmen und seien über die Jahre eher stabil geblieben. Im Gespräch stellt Sven Fiedler dann aber heraus, dass er selbst ein Fan von Bargeld ist. „Damit hat man im Endeffekt große Freiheit“. Die Kundenanzahl blieb stabil bei rund 26.000, die Mitgliederzahl wuchs um 451 auf 12.444 Anteilseigner.

Till Scholtz-Knobloch / 14.07.2025

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