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„Im Osten Deutschlands gibt es viel Kraft für den Wandel“

„Im Osten Deutschlands gibt es viel Kraft für den Wandel“

Trifft der überzeugte Bahnfahrer und smarte Grünenchef Robert Habeck den Nerv des gebeutelten Görlitzers? Foto: D. Butzmann

Der Grüne Bundesvorsitzende Robert Habeck ist am 19. Mai um 18.30 Uhr im Görlitzer Stadthallengarten an der Uferstraße im Gespräch mit seiner Parteifreundin und OB-Bewerberin Franziska Schubert. Till Scholtz-Knobloch hatte vorab für den Niederschlesischen Kurier Gelegenheit, den Politikaufsteiger zu seiner Sicht auf den Rand Deutschlands zu sprechen.

Herr Habeck, beim Stimmungshoch im ganzen Land schwächeln die Grünen im Vergleich im Osten Deutschlands – vielleicht auch, weil man sich ökologische Nachhaltigkeit oft nur als gut verdienender Großstädter, tendenziell eher aus dem Westen, leisten kann. Ein Besuch in Deutschlands östlichster Stadt ist da doch sicher kein Selbstläufer für Sympathien?

Robert Habeck: In Ostdeutschland haben wir tatsächlich eine noch größere Aufgabe zu bestehen als im Westen. Wir sind eine Partei der Veränderung. Viele Menschen in Ostdeutschland haben aber Veränderungen erlebt, die für mehrere Leben gereicht hätten. Und sie waren häufig mit Enttäuschungen verbunden. Aber es gibt eben auch viel Kraft für Wandel, das habe ich bei meinen Gesprächen und Besuchen im Osten gespürt. Da müssen wir anknüpfen. Es ist doch so: Um wieder Sicherheit und Halt zu bekommen, müssen sich Dinge ändern. Zum Beispiel die Klimakrise, die auch in Sachsen konkret spürbar wird, etwa mit der Dürre letztes Jahr. Wenn wir sie noch eindämmen wollen, müssen wir anders wirtschaften. Und so Heimat erhalten. Das ist ein mühsamer Prozess, der allen vielen was abverlangt. Aber es kann gelingen.

Görlitz war 1900 die reichste Stadt Deutschlands, 2019 ist der Kreis Görlitz der ärmste der ganzen Republik. Wie kann Görlitz wenigstens wieder im Ranking nach vorne stoßen? Als Lübecker haben Sie vermutlich noch Erfahrungen aus dem Zonenranddenken…

Robert Habeck: Die Ungleichheit zwischen Ost und West ist eines der großen Probleme im Land. Und wir müssen es grundlegend angehen. Zum Beispiel sollte die Bundesregierung den Solidaritätszuschlag nicht zusammenstreichen, sondern – wie von uns vorgeschlagen – umbauen in eine Soli für gleichwertige Lebensverhältnisse. Für Görlitz wird es, wie für andere Regionen in Ostdeutschland, ein große Aufgabe, den Strukturwandel im Zuge des Kohleausstiegs zu meistern. Wichtig ist, dass die Mittel, die von der Bundesregierung bereitgestellt werden, gezielt in Zukunftsbranchen fließen – Energietechnik, Tourismus, Mobilität. Dabei gilt: Die Menschen, die hier ihre Heimat haben, sind das größte Potenzial und die wichtigste Ressource für den Wandel. In dem Prozess müssen neue Bürgermeisterin oder der neue Bürgermeister mit dem Stadtrat klare Prioritäten setzen und Ideen einbringen. Unsere Kandidatin Franziska Schubert hat gute Vorschläge gemacht: den Klinikstandort weiterentwickeln, den Leerstand für junges Handwerk vermarkten, die Zusammenarbeit mit den Gemeinden um Görlitz herum intensivieren. Und auch, verstärkt auch lokale Produkte vermarkten, wie Senf hier in der Stadt. Ich weiß aus meiner Heimat Schleswig-Holstein, dass sich gerade in der regionalen Vermarktung neue Perspektiven auftun. Hinzu kommt: Görlitz Zgorzelec ist Europastadt und liegt im Herzen Europas. Es muss entsprechend auch erreichbar sein. Also müssen die Bahnstrecken von Görlitz nach Dresden und nach Cottbus elektrifiziert werden; es braucht gute Anbindungen nach Dresden, Berlin, Breslau und Liberec.

Wie nutzen Sie den Tag in Görlitz privat? Machen Sie mit der Grünen OB-Kandidatin Franziska Schubert auch einen Spaziergang in den polnischen Teil der Stadt?

Robert Habeck: Ich kenne Franziska Schubert von mehreren Treffen. Diesmal habe ich nicht soviel Zeit, aber ich möchte sie mir gerne bei einem nächsten Besuch nehmen. Meine Tage im Wahlkampf sind leider sehr eng getaktet. Aber dafür würde ich gern mal wiederkommen. Wo kann man – 15 Jahre nach dem EU-Beitritt der osteuropäischen Länder – besser sehen, was Europa bedeutet, als dort, wo es Alltag ist, grenzüberschreitend zu arbeiten, zu wohnen, einzukaufen? Ich wünsche mir, dass dieses Zusammenwachsen weitergeht.

Till Scholtz-Knobloch / 18.05.2019

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