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Kommunen müssen Kehrtwende einlegen

Kommunen müssen Kehrtwende einlegen

An einem Garagenkomplex am Bautzener Spreebad sollten vor Jahren einige Unterstellmöglichkeiten verschwinden, um Besuchern der Freizeiteinrichtung mehr Parkplätze zu bieten. Umgesetzt wurden die Vorstellungen der Stadt bis heute nicht. Foto: Archiv

Immer wieder haben in der Vergangenheit zu DDR-Zeiten errichtete Garagenkomplexe für Gesprächsstoff gesorgt. Im Zuge der Grundsteuerreform kocht das Thema erneut hoch.

Bautzen. Dass die von der Politik beschlossene Grundsteuerreform so einige Fragen aufwerfen wird, war recht schnell absehbar. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2018 die bisherige Rechtslage der Bewertung von Grundstücken mit dem Einheitswert für verfassungswidrig erklärt. Mit dem Grundsteuer-Reformgesetz aus 2019 wurde eine gesetzliche Neuregelung geschaffen, die sich nun auch auf Vertragsverhältnisse mit Garagennutzern auswirkt. Kommunen sehen sich vor eine schwierige Aufgabe gestellt, die rechtlichen Vorgaben umzusetzen.

„Mit der Vorbereitung der Grundsteuerreform, die mit dem Jahr 2025 in Kraft tritt sowie der Änderung der umsatzsteuerlichen Bewertung von Pkw-Stellplätzen und daher auch Garagen ab 2023, musste die Situation um die Garagen auf städtischem Grund neu bewertet werden“, erklärte Rathaussprecherin Josephine Brinkel. „Dabei wurde deutlich, dass es grundsätzlich verschiedene Arten von Verträgen gibt.“ Da wären die vor 1990 geschlossenen DDR-Verträge, bei denen die Garagennutzer aufgrund der vorgenannten Möglichkeit aus dem Schuldrechtsanpassungsgesetz noch Eigentümer der Garagen sind. Für diese Garagen seien die Schutzfristen aber seit einigen Jahren abgelaufen. Dann gäbe es nach 1990 abgeschlossene Verträge. „Egal ob sich im Zusammenhang mit der Veräußerung die Geschichte der Garage lückenlos nachweisen ließ oder nicht, die Verwaltung genehmigte die Eigentümerwechsel“, führte die Mitarbeiterin der Stadtverwaltung dazu aus. Trotz der rechtlichen Gratwanderung habe die Verwaltung diese Übergänge aufgrund der Übergangsfristen, die der Staat einräumte, genehmigt. Und dann würden noch Verträge existieren, die nach der deutschen Wiedervereinigung im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches als Mietverträge geschlossen wurden. In dem Fall sei die Kommune bereits Eigentümer der Garagen. 

In der Spreestadt existieren rund 80 Garagengemeinschaften, wobei zwölf davon größere Komplexe mit mehr als 50 Unterstellmöglichkeiten bilden. Bei den übrigen handelt es sich um kleinere Standorte, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind. Bereits jetzt vermietet die Stadt rund 140 Garagen. In den Reihen der Rathausmannschaft wird davon ausgegangen, dass die Anzahl dieser Vertragsverhältnisse im Laufe der nächsten Monate zunimmt. 

Denn, so ließ die Verwaltung wissen: „Die unterschiedliche Behandlung der Garagen ist aufgrund der Änderung der Grund- und der Umsatzsteuer nicht mehr haltbar. Garagennutzer, die noch keinen Mietvertrag nach BGB haben, erhalten zum 31. Dezember 2022 eine Kündigung ihres Pachtvertrages zugeschickt. Darin wird ihnen die weitere Nutzung der Garage abhängig von der zukünftigen Stadtentwicklung zugesichert. Weiterhin werden diese Garagennutzer mit dem Jahr 2023 keine Pacht mehr an die Stadt abgeben müssen. Im Gegenzug entsteht jedoch ein kostenpflichtiges Mietverhältnis zwischen Nutzer und Stadt. Die zukünftige Miete entspricht bei gleichem Nutzer zunächst der bisherigen Pacht.“ Und weiter: „Mit der Grundsteuerreform wird die Verwaltung gezwungen, bis 31. Oktober 2022 alle Garagen im Rahmen der Reform beim Finanzamt anzumelden. Ein Auseinanderfallen des Eigentums von Bebauung und Boden ist im Rahmen der Grundsteuerreform nicht mehr vorgesehen.“

Im benachbarten Doberschau-Gaußig stellt sich Bürgermeister Alexander Fischer eine ähnliche Herausforderung. Dort wurde bereits in der Vergangenheit der Versuch unternommen, möglichst viele Garagen auf Gemeindegrund zu erwerben. „Eine Untervermietung an Dritte wurde in dem Zuge untersagt, sodass langfristig das Ziel besteht, dass Garagen sowie Grund und Boden bei der Kommune liegen.“ Er und seine Mannschaft gehen davon aus, „dass die Gemeinde für die Grundsteuerreform als Grundstückseigentümer die Steuererklärungen abgeben muss und dann die ermittelte Steuer umlegen wird.“ Bislang war das anders: „Wir haben eine Pacht für die Fläche erhoben, und die Eigentümer der Garage bezahlten selbst noch eine Steuer.“ Dass bauliche Änderungen auch bisher nur in Abstimmung mit dem Grundstückseigentümer, in dem Fall der Kommune, erfolgen konnten, erwähnt er in dem ganzen Zusammenhang. „Somit sind diese entweder genehmigt oder wenn nicht, haben sie auch keinen Bestandsschutz.“ Für eine mögliche Beseitigung einer Garage kommt ihm zufolge der Eigentümer des Bauwerkes auf. Auch das habe sich in der Vergangenheit nicht anders verhalten. In der Gemeinde existieren drei Garagenanlagen in Doberschau, eine befindet sich im Ortsteil Diehmen und eine in Gaußig. Daneben könne es weitere Komplexe geben, die von Privaten betreut werden. Doch nicht nur das Thema „Garagen“ ist von der Grundsteuerreform betroffen, reißt Alexander Fischer kurz an. „Kleingarten- und Erholungsanlagen, bei denen Grund und Boden vom Eigentum getrennt sind, spielen ebenso mit rein.“

Wie aber reagieren betroffene Garagennutzer auf die jüngste Entwicklung? „Sofern die rechtliche Lage nicht bekannt war, herrscht zunächst Verwunderung über die aktuelle Situation“, meint Markus Gießler, Amtsleiter für Wirtschaft, Kultur, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Stadt Bautzen. „Die Mitarbeiterinnen der Verwaltung informieren sachlich über die Ursache und die rechtlichen Grundlagen. Die Verwaltung hat eine schriftliche Übersicht der gesetzlichen Grundlagen und ihrer Folgen erarbeitet. Diese wird in der Verwaltung ausgelegt, Interessenten mitgegeben und auf der städtischen Website veröffentlicht.“ Gleichzeitig gibt er zu bedenken: „Städtische Flächen müssen grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Stadtentwicklung betrachtet und bewertet werden. Das gilt für unbebaute Grundstücke, wie auch für bebaute. Aus diesem Grund muss ein Mietvertrag eine entsprechende Option beinhalten. Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht automatisch, dass Mieter nun gleich um ihre Garagen fürchten müssen. Aktuell gibt es keine Pläne, Garagen großflächig anderweitig zu verwenden.“

Roland Kaiser / 15.05.2022

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Kommentare zum Artikel "Kommunen müssen Kehrtwende einlegen"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Hartmut schrieb am

    Ja auch wir in Jesewitz mit ca.30 Eigentumsgaragen wurden hier in der gleichen Weise kalt erwischt. Auch wir sollen neben der Miete für die enteignete Garage Miete, zuzüglich Pacht und Grundsteuer zahlen.
    Trotz der möglicherweise richtigen Rechtslage, ist das eine Sauerei. Die Kommune hat mit Sicherheit Möglichkeiten, Reglungen zu schaffen, die dem Garagennutzer eine Sicherheit für die Zukunft zu bieten.

  2. Jelly schrieb am

    Hier wurde einfach bei der Wiedervereinigung und der Anpassung von Gesetzen die Bebauung auf Pachtböden in der DDR vergessen.Ich empfinde die jetzige Gesetzgebung kommt elner Zwangsenteignung gleich. Da die Gebäude mit privaten Geld und mit viel Eigenleistung errichtet und bis jetzt erhalten wurden.

  3. SR schrieb am

    Wir besitzen zwei Garagen in 02994 Bernsdorf, hier wurde in einer Nacht- und Nebelaktion der Pachtvertrag zum 31.12.22 gekündigt und geschrieben, dass wir ja ab 1.1. 23 die Garagen mieten können für überschlagen 240,- im Jahr, was eine dreiste Abzocke ist. Für unsere Garage Miete in dieser Höhe zu verlangen.

    Im Netz und TV wird gesagt, dass die Reform erst ab 2025 greift. Die Art und Weise der Stadt Bernsdorf ist dreist, ohne mit den Eigentümern vorab ein Gespräch zu führen. Wenn jeder sein Eigentum abreißt, was wird dann? Wieso auch ab 2023 zahlen? Wieso diese Höhe, wenn in anderen Städten der Umgebung der Preis auf zwischen 55,- bis 90,- jährlich beträgt. Mit ganz anderen Konditionen?

    In Bernsdorf will die Stadt nur viel Geld und nichts tun. Eine riesen Sauerei.

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