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Konsequenzen nach Angriffen auf sorbische Jugendliche?

Konsequenzen nach Angriffen auf sorbische Jugendliche?

Auch wenn das Bild bei einer Demonstration in einem anderen Zusammenhang aufgenommen wurde: Viele junge Sorben sorgen sich nach wie vor um ihre Sicherheit. Foto: Archiv

Vor zwei Jahre sollen sich gewalttätigen Übergriffe deutscher Jugendlicher auf ihre sorbischen Altersgenossen ereignet haben. Verurteilungen gab es bisher nicht. In dieser Woche berichteten Staatsanwaltschaft und Polizei über den Stand der Ermittlungen.

Nucknitz. Ende 2014 ging ein Aufschrei durch die Lausitz. Er manifestierte sich zuerst in einem Leserbrief an die Tageszeitung „Serbske Nowiny“, in dem von gewalttätigen Übergriffen deutscher Jugendlicher auf deren sorbische Altersgenossen die Rede war. Der Landtagsabgeordnete Heiko Kosel (Die Linke) lud Jürgen Ebert von der Staatsanwaltschaft Görlitz und Dirk Münster vom Operativen Abwehrzentrum der sächsischen Polizei nach Nucknitz (Gemeinde Crostwitz) ein, um über die Ermittlungsergebnisse und die gegenwärtige Situation zu berichten.

Was passierte 2014?

Der Leserbriefschreiber hatte über mehrere Übergriffe auf sorbische Jugendliche im Herbst 2014 berichtet. Demnach sollen Gruppen rechtsorientierter Bautzener Jugendlicher zu Tanzveranstaltungen im sorbischen Siedlungsgebiet gefahren sein und gezielte Angriffe auf sorbisch sprechende Personen verübt haben. Neben Beschimpfungen sei es auch zu Gewalttätigkeiten gekommen.

Wie reagierte die Staatsanwaltschaft?

„Als wir im November 2014 davon Kenntnis erlangten, lagen die Straftaten bereits einen längeren Zeitraum zurück“, erklärt Jürgen Ebert, Gruppenleiter bei der Staatsanwaltschaft Görlitz. Die Vorgänge seien auch nicht durch Anzeigen der Betroffenen, sondern durch den Domowina-Vorsitzenden David Statnik an die Behörde herangetragen worden. Die Staatsanwaltschaft habe daraufhin intensiv und umfangreich ermittelt. Jedoch: „Wir mussten den Ereignissen hinterherlaufen.“ Ebert appelliert an die sorbischen Jugendlichen, bei Straftaten gegen sie zeitnah Anzeige zu erstatten und keine Angst vor Repressalien zu haben. Und sollte es doch zu Versuchen der Einschüchterung kommen, dann sei dies „ein hervorragender Haftgrund wegen Verdunklung.“

Welche Konsequenzen hatten die Ermittlungen?

Zu Verurteilungen ist es aufgrund der Vorkommnisse vom Herbst 2014 nicht gekommen. Die Ermittlungen zu einer Bedrohung im Oktober des Jahres in Schönau (Gemeinde Ralbitz-Rosenthal) wurden eingestellt, da kein Täter festgestellt werden konnte. Zu einer Körperverletzung im September 2014 wurden sie nach Jugendstrafrecht eingestellt, da „hier der Erziehungsgedanke im Vordergrund steht.“ Und bei einer gefährlichen Körperverletzung im Oktober 2014, an der drei Beschuldigte beteiligt gewesen sein sollen, habe die Beweislage für eine Anklageerhebung nicht ausgereicht, da Aussage gegen Aussage stand. Was bleibt, ist das Zeigen eines Hitlergrußes – dieses Verfahren liegt noch unbeurteilt beim Amtsgericht Kamenz. In den Folgejahren 2015 und 2016 seien keine neuen Sachverhalte bekannt geworden, so Jürgen Ebert.

Was ist mit den beschmierten oder überklebten sorbischen Ortsschildern?

Auch hierzu führte die Staatsanwaltschaft Görlitz Ermittlungen, allerdings ohne jedes Ergebnis. „Orts- und Hinweisschilder stehen nunmal in der Regel an eher abgelegenen Stellen, wo man auch gut einsehen kann, ob jemand in der Nähe ist“, so der Görlitzer Staatsanwalt. Beobachtungen von Zeugen gebe es daher nicht, sodass keine Verdächtigen ermittelt werden konnten.

Gibt es noch weiter reichende Maßnahmen?

Laut Dirk Münster, stellvertretender Leiter des Operativen Abwehrzentrums (OAZ) der sächischen Polizei (das sich landesweit mit Staatsschutzdelikten beschäftigt) sollen ab 2017 gegen Sorben gerichtete Straftaten in der Kriminalstatistik gesondert erfasst werden, sodass ein realistisches Lagebild ermöglicht wird. Auf entsprechende Anfragen von Land- und Bundestagsabgeordneten hatte es in der Vergangenheit zum Teil groteske Antworten gegeben. Auch seien die Gesetze gegen Hasskriminalität verschärft worden. Mobile Einsatzgruppen des OAZ fahren verstärkt Streife. Bezüglich einer Facebookgruppe, deren Mitglieder sich explizit zum „Hass auf die Sorben“ bekennen, erklärt Staatsanwalt Jürgen Ebert: „Wenn es auch nur das leiseste Anzeichen einer Straftat gibt, werden wir einschreiten.“

Wie schätzen die sorbischen Jugendlichen selbst die gegenwärtige Situation ein?

Die in Nucknitz anwesenden Jugendlichen berichteten, dass die Situation derzeit ruhig sei. Über die Ursachen gehen die Ansichten jedoch auseinander: Während Jürgen Ebert und Dirk Münster dies auf die Ermittlungsarbeit der Behörden zurückführen, sehen die Jugendlichen die Ursache eher darin, dass sich „die Rechten in Bautzen derzeit anderweitig ausarbeiten.“ Und Beschimpfungen und Pöbeleien gebe es nach wie vor, zuletzt Anfang September im Umfeld eines Reitturniers in der Gemeinde Neschwitz. Allerdings sei es nicht mehr zu Gewälttätigkeiten gekommen.

Uwe Menschner / 26.09.2016

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