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„Menschenleben zu retten, ist für uns eine Berufung“

„Menschenleben zu retten, ist für uns eine Berufung“

Die drei Herren der Bautzener Rettungswachen: Tino Eichelberger, Uwe Ball und Mike Berger (v.l.) vor dem sanierten Gebäudetrakt an der Flinzstraße. Fotos: RK

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Für die Retter geht es oft um Leben und Tod. Beim Einsatz am 7. November in der Karl-Marx-Straße lag beides dicht beieinander.

Bautzen. Die Rettungskräfte wirken erschöpft, ihre Gesichter blass. Das Bild, das sich ihnen wenige Momente zuvor während eines Einsatzes in einer Wohnung an der Karl-Marx-Straße offenbarte, kann nicht jeder der Helfer so ohne Weiteres wegstecken. Vor allem die junge Besatzung eines Krankentransports, die am Abend des 7. Novembers zur Unterstützung angefordert wurde, hatte daran zu knabbern, wie Mike Berger erzählt. Er arbeitet in der erst jüngst wieder eingeweihten Rettungswache Bautzen-Ost. Dank des professionellen Krisenmanagements in den eigenen Reihen seien wenige Tage später bereits alle wieder an Bord gewesen. „Wir haben hier verschiedene Möglichkeiten geschaffen. Es gibt unser internes Kriseninterventionsteam mit den psychologischen Ersthelfern, ein Einsatznachsorgeteam in Dresden und Psychotherapeuten unserer Berufsgenossenschaft.“ „Belastend sind vor allem solche Einsätze, bei denen man selbst gefährdet wird, bei denen Kinder betroffen sind oder bei denen man zu spät ankommt und nicht mehr helfen kann“, merkt Rettungsdienstleiter Tino Eichelberger an. Letzteres sei Anfang November der Fall gewesen. Nach einem nicht ganz eindeutigen Hilferuf, der bei der zentralen Leitstelle einging, rückten nicht nur die Sanitäter und der Notarzt aus. Auch ein Löschzug der Berufsfeuerwehr war zur Einsatzstelle geeilt. In der Wohnung stießen die Retter auf einen schwer verletzten Mann und dessen Lebensgefährtin. Er überlebte nach einem Suizidversuch, die junge Frau nicht. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln seitdem gegen den 32-Jährigen wegen des Verdachts eines Tötungsdelikts. Ersten Erkenntnissen zufolge soll der Mann seine Freundin in den vier Wänden ihrer Mutter erstochen haben. 

Auch für Rettungsdienst gelten Regeln

„Obwohl dieser Einsatz sicherlich vielen von uns besonders im Gedächtnis bleiben wird, gibt es noch zahlreiche andere, die wir innerhalb eines Jahres zu bewältigen haben“, erklärt Tino Eichelberger. Mussten seine Mitarbeiter 2017 allein in Bautzen exakt 7.480 Mal zu Unfällen, Evakuierungen, Veranstaltungen und anderen Geschehnissen ausrücken, werden es bis Ende 2018 rund 7.400 Einsätze sein, prognostiziert er. „Die größte Herausforderung besteht in der Vielzahl von Baustellen verbunden mit den teilweise erheblichen Staus in der Stadt. Das erhöht wiederum unsere Hilfsfrist.“ Und die liegt sachsenweit bei zwölf Minuten. In dieser Zeit müssen die Rettungskräfte beim Verletzten beziehungsweise Patienten eintreffen. „Dabei haben wir uns stets auf eine andere Situation am Notfallort einzustellen. Egal wie die Lage ist, wir sind dazu angehalten, schnell und professionell zu handeln.“ Dies setze auch voraus, dass beispielsweise bei einem Verkehrsunfall unbeteiligte Autofahrer den Helfern ihre Arbeit erleichtern, indem sie eine Rettungsgasse bilden. Mike Berger: „Ohne die kommen wir nicht an die Verletzten heran. Jeder sollte sich stets vor Augen halten: Es könnte ihn selbst einmal treffen.“ Doch es gibt weitaus mehr Probleme, die die Sanitäter in ihrem Berufsalltag zu meistern haben. „Schimpfende Autofahrer und Angriffe auf Mitarbeiter des Rettungsdienstes zählen genauso dazu wie Gaffer, die unsere Arbeit behindern, ungenaue Ortsangaben, fehlende Hausnummern und Wetterunbilden“, weiß Tino Eichelberger. Als Chef des Rettungsdienstes ist er schon einige Jahre raus aus der Praxis. Trotzdem weiß auch er, dass sich seine Mannschaft an bestimmte Regeln im Straßenverkehr zu halten hat. Zwar gelten laut Straßenverkehrsordnung (StVO) für den Rettungsdienst Ausnahmen, wenn es darum geht, Menschen aus einer akuten Notlage zu befreien. Dies wiederum bedeutet, dass ein Rettungsfahrzeug in bestimmten Situationen auch auf der Fahrbahn abgestellt werden darf. Allerdings dürfe Paragraf 1 der StVO niemals außer Acht gelassen werden. Darin heißt es: „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. Wer am Verkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder, mehr als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“ Damit steht fest, dass ein Rettungswagen nicht in jedem Fall den Verkehr blockieren darf. Für Tino Eichelberger ist es stets eine Sache der Abwägung. 

Nachwuchs gern gesehen

Zu einem der schönsten Momente in seinem bisherigen Berufsleben zählt er einen Einsatz in Dresden. Auch damals musste alles ganz schnell gehen. Mit Blaulicht und Sirene steuerte die Besatzung das nächstgelegene Krankenhaus an. Doch bis zum angepeilten Ziel wollte sich der kleine Erdenbürger keine Zeit lassen. „Das werde ich nicht vergessen“, berichtet Tino Eichelberger. „Es war meine erste Entbindung im Rettungswagen, damals noch am Blauen Wunder in Dresden. Ich empfand ein Gefühl der Freude, als der Kleine auf die Welt kam und beide – Mutter und Kinder – putzmunter waren.“ 

Wer ähnliche Erfahrungen sammeln beziehungsweise anderen Menschen helfen möchte, den heißen die Bautzener Rettungskräfte gern in ihren Reihen willkommen. Die dafür notwendigen Voraussetzungen mitzubringen, sei nicht schwer. „Als Mindestanforderung genügen ein Zehn-Klassen-Abschluss und gute bis sehr gute Noten in den naturwissenschaftlichen Fächern – allen voran natürlich Biologie“, betont Tino Eichelberger. „Man sollte zudem sprachlich gewandt sein und gegenüber seinen Mitmenschen offen und freundlich auftreten. Zudem müssen unsere Mitarbeiter motiviert, belastbar und flexibel sein, eine hohe fachliche Kompetenz besitzen und selbstständig arbeiten können. Nicht zu vergessen ist der Teamgeist. Denn wie sagt man so schön: Rettungsdienstler haben nicht den Beruf, sondern sie sind dazu berufen.“ 

Neu durchstarten in umgebauter Rettungswache

Damit ihnen der Job auch künftig Freude bereitet, haben die Angestellten der Rettungswache an der Flinzstraße jetzt ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk erhalten. Neben einem Herrnhuter Stern übergab Landrat Michael Harig am Freitag vergangener Woche das sanierte und umgebaute Haus an die 30 Sanitäter, die dort ein- und ausgehen. Zuvor waren sie und das gesamte Equipment neun Monate lang an zwei Interimsstandorten im Stadtgebiet konzentriert. Zu Monatsbeginn durften sie nach und nach wieder an den angestammten Standort zurückkehren. Die Kosten für die Baumaßnahme belaufen sich den Angaben zufolge auf 1,6 Millionen Euro. 
„Verteilt auf zwei Etagen befinden sich neben einem Aufenthaltsraum mit Küche, dem Wäschelager, einem Abrechnungsraum sowie dem Archiv- und Logistikraum ebenfalls Umkleiden, Zimmer samt Sanitärbereich für zwei Notärzte und Besprechungsräume unter dem Dach der Rettungswache“, zählt eine Sprecherin der Kreisverwaltung auf. „Vier Rettungswagen haben darüber hinaus in der neuen Fahrzeughalle Platz.“ Der alte Unterstand werde künftig für zwei bereitzuhaltende Reservefahrzeuge genutzt. Ob diese an den restlichen Tagen des alten Jahres zum Einsatz kommen werden, bleibt abzuwarten. „Während der Weihnachtsfeiertage und zum Jahreswechsel erfolgt die Besetzung der Wache nach den Vorhaltezeiten, die der Landkreis mit uns vertraglich abgesprochen hat“, erläutert Tino Eichelberger. „Unsere Dienstpläne stehen fest. Somit kann jeder Mitarbeiter sich auch privat darauf einstellen und die freien Tage in der Familie genießen.“ 

Sehr am Herzen liegt dem Chef des Rettungsdienstes, dass sein Team eine besinnliche Weihnachtszeit verleben kann. „Ich wünsche uns allen einen fleißigen Weihnachtsmann und in erster Linie aber Gesundheit. Für die in diesem Jahr geleistete Arbeit möchte ich mich ganz herzlich bedanken.“

Roland Kaiser / 22.12.2018

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