Direkt zum Inhalt springen
Info & Kommentare

Militärkonvois rauben Menschen rund um Bautzen den Schlaf

Militärkonvois rauben Menschen rund um Bautzen den Schlaf

Auch auf dem Schienenweg wurden Militärfahrzeuge zum Truppenübungsplatz Oberlausitz befördert. Foto: Bundeswehr/C. Vietzke

Region. Die jüngste NATO-Übung in der Lausitz werden zahlreiche Menschen in Ostsachsen sicherlich noch lange Zeit in Erinnerung behalten – und das durchaus keineswegs in der besten. In den vergangenen Tagen schlängelten sich tonnenschwere Militärkonvois über die nicht unbedingt dafür ausgelegten Straßen. Sie ließen Augenzeugenberichten zufolge Häuser vibrieren und rissen die Menschen aus ihrem Schlaf. „Ich habe meiner Tochter Augen und Ohren zugehalten, damit das Ganze für sie erträglicher wurde“, erinnert sich eine Einwohnerin aus Niedergurig. „Sie zitterte am ganzen Körper.“ Eine schlaflose Nacht sei die Folge gewesen.

Das Grundstück der Familie hatten wie anderswo auch an verschiedenen Tagen und zu unterschiedlichen Uhrzeiten unter anderem schwere Kettenfahrzeuge passiert. „Am Samstag vergangener Woche kam ich spät abends nach Hause. Zunächst dachte ich, Einbrecher hätten ihr Unwesen getrieben. Auf dem Boden im Flur lagen die Scherben eines größeren Bildes, das zu Boden gefallen war. Die Bruchstücke verteilten sich auf zwei Etagen. Wie ich wenig später erfuhr, hatte sich ein weiterer Militärkonvoi durch den Ort gemüht.“

Der Malschwitzer Bürgermeister Matthias Seidel machte eine ähnliche Erfahrung. Auch er sei mitten in der Nacht vom Lärm eines Konvois geweckt worden. Und er bestätigt, dass erste Schadensmeldungen im Gemeindeamt eingingen, die bislang die Kommune selbst jedoch nicht beträfen. Das Bundeswehr-Landeskommando Sachsen hingegen hat eigenen Angaben zufolge bislang keine Kenntnis darüber. Aus der Landeshauptstadt war zu erfahren, dass sich Schäden, die nachweislich durch die militärische Übungstätigkeit verursacht wurden, in Bonn schriftlich anzeigen lassen.

„Für die Meldung von Übungsschäden besteht ein definiertes Verfahren“, erklärte Frances Lein, Sprecherin der Bautzener Kreisverwaltung. „Das Landratsamt beziehungsweise das Ordnungsamt kann hierzu im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit vermitteln.“

Indes sind die Menschen in Niedergurig weiter in Sorge, auch was die Straßen und Brücken anbelangt. Diese sind für solche Lasten gar nicht ausgelegt, befürchten sie. Kettenabdrücke im Asphalt seien bereits an manchen Stellen ausgemacht worden. Laut Bundeswehr stimmte sich das Militär im Vorfeld mit dem Landratsamt und der Gemeinde sowie deren Straßenbehörden dazu ab. „So gibt es zum Beispiel für jede einzelne Brücke unterschiedliche Auflagen, die beachtet werden müssen“, meinte Cornelia Riedel von der Abteilung Informationsarbeit.

Auf Anfrage teilte wiederum die Kreisverwaltung mit, dass nach Beendigung des Manövers durch die Straßenmeisterei der Straßenzustand auf mögliche Schäden kontrolliert werde. Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse sollen dem jeweiligen Baulastträger mitgeteilt werden. Bundesstraßen werden derzeit ebenso von den Militärfahrzeugen in Anspruch genommen, wie Staats-, Kreis- und Gemeindestraßen.

Zwischenzeitlich hat es bereits erste Unfälle gegeben, die im direkten Zusammenhang mit den Kolonnenbewegungen in den Landkreisen Görlitz und Bautzen stehen. Weil am Samstagnachmittag der zurückliegenden Woche auf der B 156 zwischen Bautzen und Niedergurig eine Autofahrerin wegen eines entgegenkommenden Konvois abbremsen musste, wurden vier Autos in einen Auffahrunfall verwickelt. Eine 68 Jahre alte Audi-Fahrerin hatte laut Polizei zu spät bemerkt, dass die Wagen vor ihr verkehrsbedingt hielten. Vier Personen wurden dabei leicht verletzt. Es entstand Sachschaden in Höhe von rund 30.000 Euro. Für die Beräumung der Unfallstelle war die Bundesstraße etwa drei Stunden lang voll gesperrt.

In Krauschwitz im Nachbarlandkreis Görlitz krachte am Montagnachmittag ein Auto in einen aus 19 Militärfahrzeugen bestehenden Konvoi. Trotzdem die Ampel für diesen bereits Rot anzeigte, hatte er eine Kreuzung passiert. Rettungskräfte brachten die 55-Jährige daraufhin schwer verletzt in ein Krankenhaus. Der insgesamt entstandene Sachschaden belief sich auf circa 12.000 Euro.

Vor diesem Hintergrund bat die Polizei darum, die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung einzuhalten. Demnach sieht das Regelwerk vor, dass geschlossene Fahrzeugverbände, die als solche zu erkennen sind, grundsätzlich wie ein einzelnes Fahrzeug zu behandeln sind. Das heißt, erst wenn alle Fahrzeuge des Verbandes die Kreuzung passiert haben, dürfen die wartenden Verkehrsteilnehmer ihre Fahrt fortsetzen.

In Deutschland und Polen findet derzeit die NATO-Übung „Noble Jump“ statt, bei der nach Angaben des Bundeswehr-Landeskommandos Sachsen die rasche Reaktions- und Verlegefähigkeit der sogenannten NATO-Speerspitze geübt wird. Diese schnellen Eingreifkräfte würden derzeit durch Deutschland gestellt.

„Vor fünf Jahren war die ‚Very High Readiness Joint Task Force’ (VJTF, Anm. d. Red.) als Reaktion auf die Annexion der Krim durch Russland beschlossen und etabliert worden“, erklärte Cornelia Riedel. „Über 2.500 Soldatinnen und Soldaten machen sich aus mehr als 30 Standorten in ganz Deutschland mit rund 600 Fahrzeugen sowie 70 Panzern und gepanzerten Fahrzeugen zunächst auf den Weg zum Truppenübungsplatz Oberlausitz, um von dort aus zum polnischen Truppenübungsplatz Zagan weiterzufahren. Dort treffen sie auf norwegische, niederländische und polnische Truppen, mit denen sie die Abschlussübung durchführen.“

Um Beeinträchtigungen auf den Straßen der Lausitz von vornherein zu minimieren, sollten Teile des Materials per Schiene transportiert beziehungsweise die Straßentransporte des Nachts durchgeführt werden, hieß es weiter. Das sei von den zivilen Stellen zuvor genehmigt worden. „Sie geben die Marschwege und Zeiten vor“, führte Cornelia Riedel weiter aus.

Den Haupttruppenteil der VJTF stellt die Panzerlehrbrigade 9 aus dem niedersächsischen Munster. Darüber hinaus sind nahezu alle Teilstreitkräfte und militärischen Organisationsbereiche der Bundeswehr an der Übung beteiligt. Die Streitkräftebasis als zweitgrößter militärischer Organisationsbereich der Bundeswehr ist der Hauptträger der gesamten logistischen Versorgung. Sie ist für die Verlegeplanung verantwortlich, sichert mit ihren Feldjägerkräften den Straßentransport und versorgt mit annähernd 1.000 Logistiksoldaten die Truppe mit Kraftstoff, Munition und Verpflegung insbesondere auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz.

Das Positive für die Region sieht Oberstleutnant Elmar Wittkop, der als Abteilungsleiter für das Übungswesen im Freistaat zuständig ist, in erster Linie in der Stärkung des Areals am Rande der Glasmacherstadt Weißwasser. „Nicht zuletzt durch die gegenwärtig laufenden Großübungen beweist der Standort in dieser strukturschwächeren Gegend seine wichtige Rolle als Wirtschaftsfaktor.“

Noch bis Ende dieser Woche rechnete das Landeskommando Sachsen mit Militärfahrzeugbewegungen im Landkreis Bautzen. Dabei handelt es sich, wie schon in den Tagen zuvor, in erster Linie um deutsche Verbände, die parallel zur NATO-Übung „Noble Jump“ unter dem Motto „Brave Departure“ die logistische Unterstützung für Truppenbewegungen einstudierten.

Roland Kaiser / 08.06.2019

Was sagen Sie zu dem Thema?

Schreiben Sie uns Ihre Meinung

Die Mail-Adresse wird nur für Rückfragen verwendet und spätestens nach 14 Tagen gelöscht.

Mit dem Absenden Ihres Kommentars willigen Sie ein, dass der angegebene Name, Ihre Email-Adresse und die IP-Adresse, die Ihrem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, von uns im Zusammenhang mit Ihrem Kommentar gespeichert werden. Die Email-Adresse und die IP-Adresse werden natürlich nicht veröffentlicht oder weiter gegeben. Weitere Informationen zum Datenschutz bei alles-lausitz.de finden Sie hier. Bitte lesen Sie unsere Netiquette.

Kommentare zum Artikel "Militärkonvois rauben Menschen rund um Bautzen den Schlaf"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Erhard Jakob schrieb am

    Ich weiß nicht, welchen *Geschichtsunterricht* "Roma" ausgesetzt war?

    Ich habe im >Geschichtsunterricht< gelernt, dass Deutschland unter Hitler einen Raubkrieg gegen die Sowjetunion und den Rest der Welt vom Zaune gebrochen hat! Vor allem ging es den Kapitalisten in Deutschland um Kohle, Erze, Öl und auch um Land. Deutschland sei angeblich ein Land oder Raum bzw. ein Volk ohne Land gewesen. Doch in erster Linie *Sollte die Welt am deutschen Wesen genesen.*

    Roma hat hier einen Beitrag veröffentlicht, welcher nur so vor Wut auf die (ehem.) Sowjetunion, DDR und alle sozialistischen Ländern strotz. Ich habe eine völlig andere Weltanschauung und finde den Beitrag von Roma nur schlimm.

  2. Roma schrieb am

    Zum Kommentar von Rostbraetel muss man darauf verweisen, dass der Geschichtsunterricht und die Bildung in unserer "demokratischen" Republik, die Annexionen und Angriffe durch Russland und die von ihr dominierte Sowjetunion verschwiegen wurden. Erbärmlich und schlimm ist es jedoch, wenn auch die mörderische Niederschlagung von Aufständen und Freiheitsbestrebungen verschwiegen und vergessen werden. Finnland, die baltischen Staaten, Georgien, Polen, Tschechien, Ungarn usw. wissen es besser, warum sie den Beitritt zur NATO vollzogen haben oder vollziehen wollen. Wir sollten nie den 17.Juni vergessen oder die Niederschlagung der Aufstände in Budapest und Prag. Nach 40 Jahren Stacheldraht, Mauer und Diktatur sollten wir dankbar sein für die Freiheit und auf eine Partnerschaft mit einem autoritären, imperialistischen Russland verzichten. Wir müssen aus der Geschichte des Natonalsozialismus, des Lenin- und Stalinismus sowie des SED-Regimes lernen und daraus die Konsequenzen ziehen. Diese Konsequenz kann nur lauten "Russland und Putin - Nein danke"! Ein demokratisches, friedliches Russland? Vielleicht!

  3. Rostbraetel schrieb am

    Schmeißt die Amis raus. Baut eine Europäische Armee auf. Russland hat noch nie einen Krieg begonnen. Russland und die EU sind eine Macht. Davor haben die USA Angst. Es könnte ihre Weltherrschaft ins Wanken bringen.

  4. Deutsche nach RuStAG schrieb am

    Das die Militärmaschinen unangemeldet für den Bürger durch die kleinen Orte ziehen ist schon bedenklich. Wer sich aber mit der Geschichte auseinander setzt, weiss schnell, dass es bis heute keinen unterschriebenen Friedensvertrag für Deutschland gibt und da müssen die Fahrzeuge heute schon Mal an Ort und Stelle gebracht werden.
    Die Bundesregierung weiss ganz genau wo sie stationieren muss! Im Osten! Denkt Mal darüber nach!

  5. Erhard Jakob schrieb am

    Der >Friede< ist kein Selbstläufer, auch wenn wir in Deutschland seid mehr als 75 Jahren in >Frieden< leben können. Manöver bzw. Übungen des Militärs gehören zur Verteidigungsbereitschaft der Länder. Sie gehören einfach dazu.

  6. Penze schrieb am

    Als kritischer Leser empfinde ich es immer wieder als unerträglich, wenn in den Medien zwar auf die Krimkrise angesprochen wird als Ursache für diverse NATO-Maßnahmen, jedoch mit keinem Wort die Ursache wiederum für den Anschluss der Krim an Russland erläutert wird. Nur aufgrund der aggressiven US- und EU-Politik in Bezug auf die Ukraine fühlte sich Russland bzgl. seiner größten und wichtigsten Marinebasis in Sewastopol militärisch und politisch bedrängt. Der Westen um NATO und EU sollte dankbar sein, dass Putin so besonnen und professionell reagiert hat.

  7. Realistisch schrieb am

    Das alles gehört nun mal dazu,um einiger Maßen, in Frieden zu leben. Einige, viele denken nach wie vor, ach ein Schmetterling, wie schön. Aber die Realität sieht nun mal anders aus. Was aber keine Panik auslösen soll. Überlegt mal, wie oft habt ihr das schon mal erleben müssen!?
    Ich bin zufälliger weisse, arbeitsbedingt, ein Frühaufsteher,und ein viel AB fahrer. Ihr könnt euch nicht vorstellen was DA alles an Transporten zu sehen sind. Da war der Nato Einsatz bei uns in der Lausitz ein Witz. Seid froh beschützt zu werden und nehmt mal etwas UNGEWÖHNLICHES, in Kauf.

  8. Staatsbürger schrieb am

    Schlimm schlimm, sogar Kettenabdrücke im Asphalt. Vielleicht sogar noch Dieselabgas, wir sind alle tot. Böses böses Militär. Dann doch lieber 5000 Gutmenschen bei der vorgezogenen Demontage unserer Tagebaugeräte, oder lieber doch nicht?

Weitere aktuelle Artikel