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Mit anderen Mitteln gegen die Pandemie

Mit anderen Mitteln gegen die Pandemie

Die Görlitzer Lehrerin Runa Elisa Lorkowski möchte dafür werben, dass mehr nach Inhalten einer Kritik an Coronamaßnahmen gefragt wird und Argumente nicht nur deswegen ausgeklammert werden, weil diese auch von falscher Seite geteilt werden könnten.

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Claudio Mühle will mit seinem seinem Puppentheater „Sternenzauber“ auf Wohnzimmertour gehen.  Foto: Steffen Linke

Schwere Zeiten für Kritiker der von der Politik beschlossenen Coronamaßnahmen – der Stempel „Coronaleugner“ ist schnell gesetzt. Doch die Menschen mit Bedenken gegen die Verlängerung des Lockdowns sind letztlich auch so bunt, wie die von vielen erhoffte künftige Gesellschaft. Der Niederschlesische Kurier besuchte zwei ganz unterschiedliche Kritiker des Lockdowns in bisheriger Form.

Görlitz/Hartau. Die Corona-Pandemie hat sehr viele ihrer Opfer bislang in Senioren- und Pflegeheimen gefunden. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) sieht in der Entwicklung ein Versagen der Politik. Der Kölner Stadtanzeiger ließ ihn am 15. Januar in seinem Podcast „Die Wochentester“ zu Wort kommen: „Das hat viel mit Karl Lauterbach und einigen Virologen zu tun, die uns immer wieder sagen, es sei gar nicht möglich, die Risikogruppen zu schützen. Also hat man es gelassen und sich ausschließlich auf das Instrument der Verbotspolitik der Kontaktbeschränkungen reduziert.“ Eine Strategie, die sich nun mit allen Kollateralschäden für das soziale Gefüge unserer Gesellschaft und existenziellen Bedrohungen des Wirtschaftslebens zumindest bis 14. Februar fortsetzt. Vielmehr scheinen die Stimmen in den Talkshows und Wochenauswertungen den Vorzug zu bekommen, die gar Inzidenzwerte von 5 bis 10 als Ziel anpeilen, während die bislang oft herangezogene magische 50er Marke bereits einen Gesellschaftsknockout bei uns bis Ostern oder darüber hinaus erahnen lässt.
Unendliche Weiten… Nachdem der Landkreis Görlitz bereits an einem 700er Inzidenzwert gekratzt hatte, ist der für die Beurteilung der Pandemielage meist herangezogene Wert bis zum Mittwoch auf 238,99 abgesunken. Wehe dem, der für die Heiligkeit der Impfung nun nicht die entsprechenden euphorischen Worte findet oder gar als Mitarbeiter von Heimen oder Spitälern für sich in Anspruch nehmen möchte nicht zu den ersten gehören zu wollen. Die Textbausteine „gezielte Desinformation“ und „Verunsicherung“ finden sich nun ständig in den Pressemitteilungen. 

Vorbei auch mit der sonst gepredigten Gleichheit aller Erdenbürger. Europa beteiligt sich munter an dem Kampf um die Impfmittel, in dem die Dritte Welt gegen die Ich-Zuerst-Haltung in Europas Hauptstädten auf verlorenem Posten steht. 

Für immer mehr Menschen schwindet derweil der zeitliche Rahmen, ihrem Leben noch Perspektiven zu schenken. Während in Polen oder Italien am Montag Zehntausende ihre Geschäfte trotz Verbot öffneten, bleiben die Deutschen in großer Mehrheit artig. Doch wer sind eigentlich notorisch Renitente, die nicht klischeehaft in Schwarz-Weiß-Rot daherkommen?

Claudio Mühle aus dem Zittauer Ortsteil Hartau stellt sich gegen die Zwänge des Lockdowns: „Ich habe seit dem ersten Lockdown im März des vergangenen Jahres mein Gewerbe nicht ausüben können und mir deshalb Gedanken gemacht, wie ich auf einem neuen Weg mein Puppentheater präsentieren kann.“ Aber geht das überhaupt? „Ja, ich habe ich mich dazu mit Rechtsanwälten abgestimmt, mich auch intensiv mit der Corona-Schutz-Verordnung beschäftigt und bin zu der Erkenntnis gekommen, dass dem nichts im Wege steht, auf Wohnzimmertour zu gehen. Ich werde mit dem Puppentheater niemanden gefährden“, antwortet er und fügt hinzu: „Keine meiner Puppen ist positiv getestet worden.“
Dieses Angebot schätzt das Görlitzer Landratsamt rechtlich jedoch völlig anders ein und teilt auf Anfrage der Redaktion mit: „Das lässt sich nicht mit der Corona-Schutz-Verordnung vereinbaren und zwar mit folgender Begründung: Verboten sind Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen (§ 4 Abs. 2 Nr. 22 SächsCoronaSchVO) und alle sonstigen Institutionen und Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung dienen (§ 4 Abs. 2 Nr. 26). § 2 Abs. 1 Satz 2 SächsCoronaSchVO beschränkt sich auf private Veranstaltungen. Ein Puppenspieler ist nicht privat.“
Claudio Mühle ist jedoch gewillt, um seinen rechtlichen Standpunkt zu kämpfen und beteuert, „dass es bei meinen Auftritten in den Wohnzimmern zu keinem Kontakt mit den Kindern und Erwachsenen kommen wird. Ich baue nach Absprache mit den Eltern mit dem nötigen Abstand das Puppentheater in wenigen Minuten auf. Für meine Utensilien benötige ich nur einen Tisch.“ Und er weiß, dass er sich mit seinem Ansinnen viele Gegner macht. „Wer gegen mich schießt, der kann mich gern kontaktieren und mit mir sachlich darüber diskutieren“ , sagt er.

Diskutieren – das ist auch ganz die Antwort von Runa Elisa Lorkowski aus Görlitz auf die schwierige Zeit. Sie hatte 10 Jahre als Entwicklungsingenieurin bei Siemens gutes Geld verdient. Aber sie spürte, dass die Arbeit nicht zu ihr passt und es im Leben weit mehr als die materiellen Bedürfnisse gibt. Sie wagte nach einer Auszeit zur Orientierung einen beruflichen Neuanfang als Waldorf-Oberstufenlehrerin für Mathematik und Physik. „Kaum hatte ich mich dafür entschieden, fügte sich alles ganz zufällig so, wie ich es für den neuen Weg brauchen konnte. Wir sind weit mehr als nur ein Körper“, umschreibt sie ihren Weg zur Anthroposophie Rudolf Steiners, auf dessen Pädagogik die Waldorfschulen gründen. Sie fühle sich quasi in der Welt von einem „Urvertrauen“ umschlossen, das sich auch in der Erziehung ihrer Kinder widerzuspiegeln scheint. Wir sitzen auf ihrem Sofa, während ihr elfjähriger Sohn wegen des Besuches seine Schwester im Kleinkindalter geradezu routiniert und auch sichtlich selbstbewusst ob dieses Vertrauens wickelt. 
Eines hat ihr Vertrauen jedoch bis in die Grundfeste erschüttert: „Dass der Staat in der Pandemie seine Kontrolle nun auch auf diesen privatesten aller Schutzräume, meine Wohnung, ausdehnen darf, ist für mich völlig inakzeptabel“. Runa Elisa Lorkowski war unter den ersten 1.000 Unterzeichnern einer Internetpetition zu finden, in der es u.a. heißt: „Wir als sächsische Bürger sind nicht länger bereit, die Wirtschaft unseres Landes, den bisher alles tragenden Mittelstand und das Zusammenleben in Sachsen für eine konzeptlose Coronapolitik aufzuopfern. (…) Statt sich von einem kaum aussagekräftigen Inzidenzwert hysterisch treiben zu lassen, müssen Risikogruppen gezielt vor dem Covid-19-Virus geschützt und nach neuesten medizinischen Erkenntnissen behandelt, das öffentliche Leben im Land aber fortgeführt werden.“

Und so werde auch das Begehren der Wir-Machen-Auf-Kampagne unterstützt, da zu viele soziale und berufliche Existenzen bedroht seien. Stand Mittwoch hatten über 16.000 Bürger aus Sachsen den Aufruf ohne Impressum unterzeichnet. Dem Niederschlesischen Kurier gelang es zwar telefonischen Kontakt zum Initiator aufzunehmen, dieser blieb jedoch anonym und bekannte, erst im Februar wolle sich die Gruppe offenbaren. Aber läuft man so nicht Gefahr, sich vor den Karren undurchsichtiger Interessen spannen zu lassen? Aus Lorkowskis Sicht spielt das eine untergeordnete Rolle: „Die Inhalte entscheiden, wir dürfen uns nicht von Sympathie oder Antipathie blenden lassen, sondern müssen uns über Inhalte austauschen.“ Es spiele daher keine große Rolle, wer etwas sagt – einzig das Argument müsse zählen. Diese Einsicht habe sie in den Lehrerkonferenzen an der Waldorfschule schätzen gelernt. Entscheidungen dort würden im Konsens und nicht mit Mehrheitsbeschluss fallen. „Wir haben häufig die Erfahrung gemacht, dass das Nein eines einzigen Kollegen sehr berechtigt war, denn nur er hatte einen wichtigen Einwand, den alle anderen übersehen hatten.“ Am Dienstag hat sie sich nun im Kontext der Petition mit einem Schreiben an jeden Görlitzer Stadtrat gewandt.

Seine Waldorf-Schulzeit hat letztlich auch den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer tief geprägt, dem es in seiner Stadt vergleichsweise gut gelang, Altenheimbewohner vom Virus abzuschirmen und dabei das öffentliche Leben in der Stadt nicht völlig einzuschnüren. Doch der Gordische Knoten der Debattenkultur ist bundesweit noch nicht gelöst.

Till Scholtz-Knobloch / 23.01.2021

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Kommentare zum Artikel "Mit anderen Mitteln gegen die Pandemie"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. hawikl schrieb am

    Mit dem Artikel wäre ich weitgehend und grundsätzlich einverstanden, stelle er nicht u. a. einige problematische Behauptungen in den Raum:


    1. Es stimmt einfach nicht, dass der Staat auf die privaten Wohnungen zurückgreift. Das waren u. a. Überlegungen von Karl Lauterbach, der aber sofort dafür so viel Kritik einstecken musste, dass er ganz schnell zurück ruderte. Und in der Frage des Puppenspielers liegt der argumentative Schwerpunkt ja nicht auf "Privatwohnung", sondern auf "Berufsausübung". Wenn er's heimlich macht und die Wohnungsinhaber einverstanden sind, kann ihm der Staat gar nichts wollen!
    2. Gezielte Desinformationen in "den" Pressemitteilungen: das impliziert eine gleichgeschaltete Presse in Deutschland, von der wir glücklicherweise weit entfernt sind. Man vergleich nur den mutigen "Konkret"-Artikel vor einigen Wochen, den freilich gerade die "Waldörfer" nicht so gern lesen werden... (Ich habe die Zeitschrift leider inzwischen entsorgt, so dass ich keine genaueren Angaben machen kann. Interessierte kommen vielleicht im Internet weiter). Weitere Blätter, die keineswegs "gleichgeschaltet sind: Süddeutsche Zeitung, Taesspiegel, Frankfurter Rundschau, Die Zeit und noch viele andere, auch kleinere Blätter!

    MfG
    Hawikl

  2. Mili schrieb am

    Ich finde es bewundernswert, dass die o.e. Zeitgenossen soviel Zivilcourage zeigen, in Zeiten in denen ein Landrat Lange (im Stile eines Gefängnisdirektors oder Gutsherrn) nichts Besseres zu tun hat, an einer Ausgangssperre ( keine Freigang für frei Bürger) festzuhalten, obwohl es dafür keinerlei Gründe gibt und sogar die sog. " Inzidenzzahlen" sinken.

    Was sich ein Landrat hier anmaßt ist äußersten Masse befremdend.

    Die Begriffe Lockdown (Umschluß) und Shutdown (Einschluss) kommen übrigens aus der englischen Gefängnissprache und ihre Verwendung ist nur dadurch zu erklären, dass das Regime nicht wagt die korrekte deutsche Übersetzung benutzen. Sonst würden vielleicht sogar ein paar Schlafschafe aufwachen und merken, was hier wirklich passiert.

    Bei einer Diskussion sollte man auch die wahren Hintergründe dieser P(l)andemie nennen, die nur ein Vorwand ist unser Wirtschaftssystem an die Wand zu fahren und den Mittelstand definitiv zu vernichten. Danach kaufen dann die Großkonzerne alles billig auf.

    Wie vor einigen Tagen geschehen bei der Firma Tom Tailor, die von chinesischen Geschäftsleuten für sage und schreibe 1 € aufgekauft worden ist. Bin mal gespannt, wie es jetzt bei der Kaufhauskette Adler verläuft?

    Wer es nicht glaubt, kann gerne das UN Papier Agenda 2030 oder die Seite des WEF lesen, anstatt GEZ Sendern zu glauben.

  3. stonewaitress schrieb am

    Danke für diesen ausgewogenen und ausgezeichnet recherchierten Artikel. Er überwindet ein Stück weit die Fronten, die in unserer Gesellschaft auf erschreckende Weise aufgebaut worden sind und regt zu einem differenzierten Denken an. Und das ist gerade in angespannten Zeiten wie diesen sehr wichtig. Das Wohnzimmer-Puppentheater sollte allein schon aus therapeutischen Zwecken erlaubt sein. Bitte unbedingt dranbleiben!

  4. Antje schrieb am

    Ein Zeitungsatikel wie er zur Zeit in den Mainstream-Medien nur selten zu finden ist: Menschen aus unserer Stadt und Umgebung mit ihren Sorgen, Gedanken und Zukunftsängsten, genau beobachtet, wertefrei und ohne Schubladendenken.
    Und ganz ohne aktuell täglich neu geschürte Panik und Hysterie.
    Vielen Dank dafür!
    Unsere Gesellschaft braucht dringend ein Miteinander aller Menschen unterschiedlichster Ansichten, um eine lebenswerte, friedliche, selbstbestimmte Zukunft in Freiheit gemeinsam zu gestalten.

  5. Mo schrieb am

    Herzlichen Dank, Herr Scholtz-Knobloch, für Ihren tollen mutigen Artikel.Ich hoffe, man liest in den nächsten Ausgaben noch mehr "Wahrheit" von Ihnen.

  6. Mario schrieb am

    Sehr guter und objektiver Bericht! Der Beginn eines neuen Miteinander?! Zuhören und wiedergeben - ohne ein Framing! Danke, für solch wertvolle journalistische Arbeit!

  7. Meck schrieb am

    Toller Artikel. Endlich mal auch eine Stimme die was Anderes zulässt und nicht in Schubladen schiebt. Danke. Weiter so und auch in eine noch weitere Öffentlichkeit wenn es geht

  8. Burkhard schrieb am

    ... dogmatisch von oben herab durchregieren, andere Erkenntnisse, Lebenserfahrungen, Fakten ignorieren, dabei Menschenwürde und Menschen- sowie Grundrechte mit Füßen tretend, anders Denkende zu stigmatisieren und sogar zu kriminalisieren, auszugrenzen, sie zu bedrohen, zu erpressen, ihre Gesundheit und ihr Leben und ihre Existenz zu gefährden... so sieht Politik momentan aus in Deutschland!

    Nichts gelernt aus Kommunismus und Faschismus!! Totalitäre Regime sind Vorbild!

    Geld, Macht und Selbstdarstellung ist alles, was zählt bis hinab zum letzten Dorfpolizisten!

  9. Rene Schmidt schrieb am

    Vielen Dank für den - man muss es in dieser Zeit schon so nennen - mutigen Artikel, der es schafft, andersdenkende bzw. denkende Bürger nicht gleich zu "framen". Frau Lorkowski hat Recht, dass nur ein Einziger mit seinem "Nein" der Mehrheit die Augen öffnen kann. Man muss sich ständig die Augen reiben, wie es so viele Jahre nach der Zeit, als die Massen blind ins Verderben einem Rattenfänger hinterherliefen, heute offenbar so eine starke Hypnose in den Köpfen der Mehrheit herrscht, dass sie nicht so die Dinge hinterfragt wie die im Artikel geschilderten Personen. Gerne mehr von dieser Reportagenform!

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