Görlitz in der New York Times und Wirbel um eine Kreistagsmehrheit

Screenshot / Foto M. Wehnert
New York/Görlitz. Ein Foto unseres bewährten Bildlieferanten Matthias Wehnert aus Görlitz hat es dieser Tage bis in die New York Times geschafft, die berichtete: „Die Stadt mag keine Wiederbewaffnung, aber sie ist bereit, Panzer zu bauen“.
Die über Deutschland hinausgehende Aufmerksamkeit auf die Waffenproduktion in Görlitz von KNDS ploppt in immer neuen Facetten immer wieder auf. Ende Juni hatte der Niederschlesische Kurier im Kontext der KNDS-Waffenproduktion etwa unter dem Titel „Fake mit Wahrheitsoption? Eine Postwurfsendung vewirrt“ über eine Postwurfsendung berichtet, in der sich Fremde des Namens KNDS bedienten. In diesem Fall hat die Görlitzer Polizei nun Ermittlungen zur Urheberschaft der Postwurfautoren wiederaufgegriffen oder intensiviert, denn die Redaktion erreichte bezüglich der seinerzeitigen Berichterstattung eine Anfrage der Polizei.
Landrat ficht Mehrheit im Kreistag an
Aber auch das politische Umfeld in und um Görlitz ist nach einer Kreistagssitzung gehörig unter Strom und Landrat Dr. Stephan Meyer intervenierte in Form einer ungewöhnlichen Pressemitteilung, in der es eingangs heißt: „Die Bundeswehr ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer staatlichen Gemeinschaft und ein verlässlicher Partner im Landkreis Görlitz – sei es bei Hochwasserlagen, in Katastrophenfällen oder in der täglichen Zusammenarbeit im Verwaltungsstab. Sie steht für Sicherheit, Verantwortung und Zusammenhalt. Darüber hinaus ist der Bundeswehrstandort ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber für viele Familien in unserer Region. Wer die Bundeswehr schwächt oder aus dem öffentlichen Raum drängen will, handelt nicht im Interesse unseres Landkreises.“ Mit diesen Worten begründete Stephan Meyer jedenfalls seinen Widerspruch gegen den Kreistagsbeschluss 095/2025 „Verzicht auf Werbung für Militärdienst und Rüstungsprodukte“. Der Beschluss war am 1. Oktober mit 30 Ja-Stimmen, 26 Gegenstimmen und drei Enthaltungen angenommen worden.
Der Landrat widersprach diesem Beschluss unter Verweis auf § 48 (2) der Sächsischen Landkreisordnung und berief eine Sondersitzung des Kreistages für Mittwoch, den 29. Oktober, 16.00 Uhr, im neuen Veranstaltungssaal E.001 in der Berliner Straße 40 in Görlitz ein.
Den vom Kreistag gefassten Beschluss sieht Meyer als rechtswidrig an, „da die Frage der Werbung für den Militärdienst nicht in die Zuständigkeit des Kreistages fällt. Themen der Verteidigung und Nachwuchswerbung liegen in der ausschließlichen Verantwortung des Bundes, nicht der Kommunen.“ Der Beschluss verstoße seiner Ansicht damit gegen die verfassungsmäßige Aufgabenverteilung und das Neutralitätsgebot des Staates. Zudem enthalte der Beschluss rechtlich unbestimmte Begriffe wie „Rüstungsprodukte“ und sei damit weder rechtssicher umsetzbar noch kontrollierbar. Ein pauschales Werbeverbot verletze außerdem den Grundsatz der Gleichbehandlung, da einzelne Branchen oder Akteure ohne sachlichen Grund ausgeschlossen würden.
Mehrheit durch Freie Sachsen
Die scharfe Reaktion kann indes kaum ohne den Umstand gelesen werden, dass die bislang stets verteidigte Brandmauer gegen die AfD mit besagter Kreistagsentscheidung durch die Stimmen aus AfD – außer Sebastian Wippel –, Freie Sachsen/Bündnis Oberlausitz und den Antragstellerm die Fraktion BSW-Freie Wähler Zittau (FWZ) nicht griff und sich zudem gar die Freien Sachsen erstmals als Mehrheitsbeschaffer feiern konnten: „So fand die Resolution eine Mehrheit fernab der CDU-Brandmauer, was einmal mehr zeigt: Statt sich fortwährend der Union anzubiedern, gibt es längst Möglichkeiten für eigene Mehrheiten abseits der Kartellparteien.“
All das ist insbesondere der Landesregierung als Präzedenzfall übel aufgestoßen. In der angenommenen Resolution heißt es jedenfalls nach einer allgemeinen Friedensbekundung unter 1. im 2. Punkt: „In den Gebäuden, Einrichtungen, Unternehmen und auf den Fahrzeugen des Landkreises sowie auf allen sonstigen Präsentationsflächen im Verantwortungsbereich des Landkreises wird auf Werbung für Militärdienst und Rüstungsprodukte verzichtet. Gleiches gilt für Veranstaltungen, die durch die Landkreisverwaltung oder landkreiseigene Unternehmen organisiert, durchgeführt oder unterstützt werden.“

Seit kurzem fertig ist dieser Teil des erweiterten Landratsamt, wo der Kreistag nun hinter diesen Scheiben tagt. Foto: tsk
Zweierlei Rechtsmaß?
Wird die Resolution jedoch am 29. Oktober unter erhöhtem überregionalen politischen Druck Stand halten? Die Fraktion BSW-FWZ könne sich zur geplanten Sonderkreistagssitzung erst positionieren, wenn die hierzu anberaumte Fraktionssitzung stattgefunden hat, so der stellvertretende Vorsitzende der Fraktion, Thomas Göttsberger, gegenüber der Redaktion. Die Sitzung werde wohl Montag stattfinden. Allerdings moniert Kreisrat Göttsberger bereits folgendes: Landrat Meyer habe seinen Blick ausschließlich auf die Beschlussvorlage des BSW-FWZ, also den Verzicht auf Werbung für Militärdienst und Rüstungsprodukte, fokussiert. „Ein anderer, auch in der letzten Kreistagssitzung verabschiedeter Beschluss wurde jedoch, obwohl dieser tatsächlich unzulässig ist, nicht vom Landrat angefochten. Es handelt sich hierbei um den Beschlussantrag der CDU zur dauerhaften Beflaggung aller öffentlichen Gebäude und Schulen in Trägerschaft des Landkreises“ – ein Beschluss, mit dem die CDU gerade im patriotischen Lager Punkte sammeln möchte. Göttsberger begründet: „Nach § 15 (4) der Geschäftsordnung für den Kreistag (...) müssen ausgabenwirksame Anträge einen konkreten Deckungsvorschlag enthalten“, ein solcher fehle jedoch im Antrag der CDU. „Ich hatte bereits in einer, der Kreistagssitzung vorhergehenden, Ausschusssitzung auf die Rechtslage hingewiesen“, so Göttsberger. Trotzdem habe es der Landrat unterlassen, den Beschlussantrag der CDU, der durch den Kreistag beschlossen wurde, anzufechten.