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Pro und Contra zur Turow-Erweiterung

Pro und Contra zur Turow-Erweiterung

Über den Dächern von Dittelsdorf (Stadt Zittau) erhebt sich das Kraftwerk Turow, das sich aus dem gleichnamigen Tagebau speist.

Während in Deutschland am Ausstieg aus der Braunkohleförderung gearbeitet wird, soll sie in Polen ausgeweitet werden. Dagegen gibt es erheblichen Widerspruch. Auswirkungen werden bis weit nach Deutschland befürchtet.

Region. Der polnische Energiekonzern PGE plant die Erweiterung des Tagebaus Turow. Damit verbunden ist die Verlängerung der Abbaugenehmigung, die bislang bis 2020 gilt, bis ins Jahr 2044. Außerdem soll ein neuer Kraftwerksblock in Betrieb genommen werden. Das Erweiterungsgebiet erstreckt sich vom bisherigen Tagebau aus in südöstlicher Richtung und umfasst die Ortslagen Opolno Zdroj (Bad Oppelsdorf) sowie Bialopole (Sommerau). Laut PGE hat das neue Tagebaugebiet eine Fläche von 3.900 Hektar, die Gesamtfläche wächst dadurch von 36 auf 40 Quadratkilometer. Zwischen 2020 und 2038 will PGE jährlich 9 bis 11,5, von 2039 bis 2044 3,5 bis 7 Millionen Tonnen Kohle fördern. Auf der neuen Abbaufläche befinden sich unter anderem eine Grundschule, ein Kindergarten, ein Ärztehaus sowie ein Pflegeheim in Opolno-Zdrój. Nach der Beendigung des Abbaus soll die Tagebaufläche bis zu einer Höhe von 225 Meter ü. NN mit Wasser geflutet werden, wodurch ein 20 Quadratkilometer großer (zum Vergleich Berzdorfer See: 9,6 Quadratkilometer) und bis zu 200 Meter tiefer See entsteht. Die höher gelegenen Flächen sollen in Form von Wald rekultiviert werden.

Allerdings stößt das Vorhaben auf nicht unerheblichen Widerstand. In Deutschland haben sich insbesondere Bündnis 90/Die Grünen bislang politisch mit der Tagebauerweiterung beschäftigt. Deren Bundestagsabgeordneter Stephan Kühn weist zunächst darauf hin, dass der Aufschluss neuer Tagebauflächen nicht im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen steht. „Außer dem Klimaschutzproblem sind auch noch weitere Auswirkungen zu befürchten. Vorgesehen ist eine Vertiefung bis unter Meeresspiegelhöhe und eine Erweiterung in süd-östlicher Richtung. Dadurch fließt das Grundwasser wie in einen Trichter stärker ab, was besonders für die tschechischen Nachbargemeinden ein Problem wird.

Aber auch auf deutscher Seite sind Auswirkungen zu befürchten, wie Trockenlegung von Brunnen und Setzungsrisse an Gebäuden sowie eine weitere Feinstaubbelastung gerade in den grenznahen Bereichen“, erklärt Kühn.
In eine ähnliche Richtung zielt die Stellungnahme der Stadt Zittau im Beteiligungsverfahren. Sie stellt darüber hinaus auf die Lärmbelastung, insbesondere in den Ortsteilen Hirschfelde und Drausendorf, ab.

Die Bundesregierung sieht sich nicht involviert: „Eine aktive Beteiligung an dem grenzüberschreitenden Verfahren ist derzeit nicht vorgesehen. Zuständig für die Durchführung sind auf deutscher Seite die Landesdirektion Sachsen und das Sächsische Oberbergamt“, teilt sie auf eine entsprechende Anfrage von Kühn mit.

Die Grünen-Abgeordnete im brandenburgischen Landtag Heide Schinowsky fürchtet darüber hinaus Auswirkungen auf den Grenzfluss Neiße: „Trübungen der Lausitzer Neiße im Bereich Guben wurden bereits im Jahr 2015 laut Aussage des Brandenburger Umweltministeriums dem Tagebau Turów zugeordnet. In einem direkten Zusammenhang mit dem Kraftwerk und dem Tagebau Turów steht auch der Niedów-Stausee, der zur Wasserversorgung dient. 2010 kam es hier zu einem Dammbruch mit anschließendem Hochwasser der Neiße.“ Darüber hinaus gibt es laut Schinowsky Befürchtungen einer Auswaschung von Uran, Quecksilber und Cadmium. Bereits heute seien erhöhte Werte in tschechischen Neiße-Zuflüssen festzustellen.

PGE selbst wiederum warnt vor der Situation, die eintreten würde, wenn die bis zum 30. April geltende Konzession nicht verlängert würde. Es gäbe dann Schwierigkeiten bei der Befüllung des Restloches mit Wasser, da die Form der Böschung noch nicht optimal sei. In der Folge könne es zu Rutschungen kommen. Zudem würde sich die Befüllung mit der Stilllegung des Tagebaus Jänschwalde überschneiden, was die Rekultivierungszeit beider Tagebaue erheblich verlängern würde. Außerdem könnte man gezwungen sein, das Kraftwerk Turow aus anderen Quellen, zum Beispiel deutschen Lagerstätten, zu beliefern, um seinen Betrieb aufrecht zu erhalten.

Uwe Menschner / 13.11.2019

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Kommentare zum Artikel "Pro und Contra zur Turow-Erweiterung"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Rigo schrieb am

    Ich bin und habe mich leider bis jetzt nicht richtig Informiert über den Umfang und die Auswirkungen der Tagebauerweiterung in Turow. Aber seid 2 Jahren haben wir ein Wasserproblem (Hausbrunnenversorgung)(wir sind ein so genanntes "Brunnendorf"), welches immer mit der Behauptung abgetan wurde, das das absinken des Grundwasserspiegels hier in Schönbrunn nichts mit der Grube in Turow zu tun hat.

    Aber ich lese immer häufiger, dass es auch auf deutscher Seite Auswirkungen gibt. Mein Problem an der Sache ist, dass wir in ganz Schönbrunn kurz vor dem austrocknen der Hausbrunnen sind. Aber auf der rechten Seite von Schönbrunn ("Großer Berg" Seite) gibt es ein Quellgebiet, welches nach wie vor genügend Wasser hat. Also die Behörden können auch recht haben. Wir Schönbrunn-er haben jedenfalls einen Antrag auf eine Wasserleitung gestellt.

    Die Belastungen für den einzelnen Hausbesitzer sind aber derartig hoch (1.Planung durch die SOWAG: 37000.- € pro Haushalt, aber dann liegt die Wasserleitung noch nicht in meinem Haus, dabei sind die 20000.-€ Förderung Pro Haushald vom Land Sachsen für die Brunnendörfer schon mit ein berechnet), das eine Verlegung der Wasserleitung nicht durchführbar ist. Abgesehen davon dass die SOWAG das Geld für diese Wasserleitung nicht hat.

    Also kurz gesagt, wir haben ein Trinkwasserproblem und niemand fühlt sich Verantwortlich, es muss doch aber im Jahr 2000 nach Christus möglich sein das Wasserproblem zu lösen, besonders wo es nur ein "Geldproblem" ist. Wie wird denn mit dem Problem auf Seiten der PGE umgegangen, wo doch die Tschechische Seite das Absinken des Grundwasserspiegels schon durch den Tagebau nachgewiesen hat. Muss die PGE für den Schaden aufkommen?

  2. Erhard Jakob schrieb am

    Oh je! Es geht um die ernste Sache der Zukunft!

  3. Wolfgang schrieb am

    Die vorgeschriebene grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung ist ungenügend! Bei der Erörterung am 19.9. in Bogatynia konnte PGE auf einfachste Fragen nicht antworten! Z.B. wo das Wasser für den ab 2044 geplanten Restlochsee herkommen soll. Die Auswirkungen in Tschechien und Deutschland wurden kaum untersucht, große Teile nicht ins Deutsche übersetzt, die Übersetzung ins Tschechische Sinnentstellt. Bei den Emissionsgrenzwerten fürs Kraftwerk nicht der aktuelle Stand der Technik angestrebt. Bewohner des Ortes Opolno Zdroj sollen aus ihrer Heimat vertrieben werden. Emissionen aus der Grube und der Wasserhaushalt im Dreiländereck mit völlig wiedersprüchlichen Annahme geplant...

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