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Schutzwall aus farbigen Betontannen

Schutzwall aus farbigen Betontannen

Ein Dutzend dieser aus Beton gegossenen Tannen soll den Gästen des Wenzelsmarktes ein ungetrübtes Weihnachtsmarktvergnügen ermöglichen. Foto: RK

In Bautzen ist ab sofort wieder Weihnachtsmarktzeit. Gerade auf dem Kornmarkt werden vor allem kleine Besucher bis kurz vor Heiligabend Karussell & Co. vorfinden. Um das an die viel befahrene Staatsstraße angrenzende Areal sicherer zu machen, hat die Stadt diesmal zu einem außergewöhnlichen Mittel gegriffen.

Bautzen. Noch bevor am Freitag im Herzen der Spreestadt der Auftakt für den 635. Wenzelsmarkt erfolgte, sorgte bereits im Internet ein Thema für mächtig viel Aufregung. In diesem Jahr sollen zum ersten Mal zwölf Betontannen entlang des Kornmarktes die Besucher vor möglichen Gefahren bewahren. Den Vorstoß selbst bezeichnet die Stadtverwaltung als dekorativen Schutz für den Wenzelsmarkt. „Besucher sollen bestmöglich geschützt werden“, erklärte Rathaussprecher André Wucht. „Deshalb hat die Stadtverwaltung erstmalig veranlasst, am Rande des Kornmarktes mobile Absperrungen aufzustellen. Diese sind nicht nur robust – sondern auch dekorativ.“ Zwar gehe man im Rathaus nicht von einer konkreten Bedrohungslage aus. Grund zur Sorge bestehe für die Gäste des Weihnachtsmarktes also nicht. „Dennoch möchten die Verantwortlichen dazu beitragen, das Sicherheitsgefühl der Besucher zu stärken“, sagte der Rathaussprecher.


Vor dem Hintergrund des Anschlages auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz mit 12 Toten vor zwei Jahren betrachtet offenbar auch das Landeskriminalamt Sachsen (LKA) ein solches Vorgehen für angemessen: „Die Bedrohungslage in Deutschland und in Europa ist nach wie vor unverändert. Aufgrund ihrer oftmals zentralen Lage, dem hohen Besucheraufkommen und den offenen Zugangsmöglichkeiten begründen auch die in Sachsen stattfindenden Weihnachtsmärkte eine besondere Gefährdungsrelevanz“, teilte die Behörde in einer am Dienstag versandten Medieninformation mit. Allerdings betonte auch das LKA, dass aktuell keine Veranlassung bestehe, auf die Durchführung von Weihnachtsmärkten beziehungsweise deren Besuch zu verzichten. Einem in jüngster Zeit bekanntgewordenen Hinweis zu einer möglichen Gefährdungslage seien die Ermittler nachgegangen. „Das Ganze mündete in einem Ermittlungsverfahren, das durch die Generalstaatsanwaltschaft Sachsen gegen zwei in Untersuchungshaft befindliche Beschuldigte geführt und durch das LKA bearbeitet wird.“

Im Ergebnis der umfangreichen Ermittlungs- und Exekutivmaßnahmen auch in Justizvollzugsanstalten werde unter Einbeziehung des Bundeskriminalamtes eingeschätzt, dass der Eintritt eines gefährdenden Ereignisses zum aktuellen Zeitpunkt als unwahrscheinlich gilt. Die Untersuchungen würden jedoch weiterlaufen. Sie seien darauf gerichtet, die Gefährdungseinschätzung fortzuschreiben, um bei Änderungen kurzfristig reagieren zu können.
Zurück an den Kornmarkt: Bei der Bautzener Absperrvariante handelt es sich um Betonteile, die ineinander gesteckt sind. Diese wurden der Silhouette eines Tannenbaumes nachempfunden und sogar entsprechend eingefärbt. Jeder der Bäume wiegt knapp eine Tonne – und bildet somit nach Ansicht der Verwaltung eine optisch wahrnehmbare und robuste Barriere. Daran jedoch hat der Chef der Stadtratsfraktion der Linken, Steffen Grundmann, so seine Zweifel: „Bereits im April vergangenen Jahres wurden quaderförmige und über zwei Tonnen schwere Betonsperren einem Test unterzogen. Dabei wurden ein gerader Aufprall eines Lkws und der im Winkel von 45 Grad untersucht. In beiden Fällen zeigte sich: Die Betonsperren hielten das Fahrzeug nicht auf. Die Tannen in Bautzen hingegen wiegen nicht einmal so viel und sind nicht annähernd so kompakt wie die dem Test unterzogenen Betonsperren.“ Und weiter: „Hätte man die Betontannen einfach nur als rein dekorative Elemente um den Wenzelsmarkt herum platziert, gäbe es meinerseits gar keine Kritik. Diese Teile aber ernsthaft als Sicherheitsgewinn für eine völlig diffuse Bedrohung verkaufen zu wollen, ist seitens der Stadtverwaltung zumindest naiv.“ Dem Sponsor hingegen unterstellt der Linken-Stadtrat weniger harmlose Motive: „Er wusste genau, wie sich die besorgten Bürger in der Stadt dazu äußern werden.“ Damit verweist er auf Kommentare in sozialen Netzwerken, die rassistische und fremdenfeindliche Ressentiments steigern würden. Auch andere Parteien im Stadtrat können der Initiative der Verwaltung nicht viel Gutes abringen. „Ich halte die Dinger für überflüssigen Aktionismus“, antwortete der Bündnisgrüne Claus Gruhl auf eine Anfrage des Oberlausitzer Kuriers. „Die Gefährdungslage in Bautzen muss erstmal jemand nachweisen.“ Roland Fleischer, Fraktionschef der SPD, fügte hinzu: „Wir halten den Vorstoß für unverhältnismäßig, obwohl einige Kommunen ihre Märkte mit Beton bereits absichern. Doch wo fängt man an und wo hört man auf?“ Alternativ dazu schlug der frühere stellvertretende Leiter des hiesigen Polizeireviers vor, alles so zu belassen wie bisher. „Das hat gut funktioniert.“ Karin Kluge vom Bürgerbündnis Bautzen hingegen kann der Idee der Betontannen deutlich mehr abgewinnen als irgendwelchen Betonklötzen. „Auf allen Weihnachtsmärkten werden Sicherungsmaßnahmen ergriffen. Ich persönlich finde das auch gut so.“ In Ulm beispielsweise sollen überdimensionalgroße Betonspatzen für den Schutz der Besucher sorgen.


FDP-Mann Mike Hauschild wiederum sieht dadurch den Weg für bestimmte Kräfte geebnet: „So wie die Verwaltung gehandelt hat, hat sie den rechten und linken Angstmachern unnötig Argumente für falsche Behauptungen geliefert. Außerdem verunsichert sie damit nur die Bürgerschaft. Hätte es inzwischen eine Beratung durch Fachleute gegeben, und damit meine ich die Umsetzung des Beschlusses zu einem Wenzelsmarktkonzept, wären wir um diese Provinzposse herumgekommen.“


Laut Rathaussprecher André Wucht ist bereits im Frühjahr die Hentschke Bau GmbH mit dem Vorschlag an die Verantwortlichen herangetreten, Absperrelemente zwischen dem Markt und den angrenzenden Fahrbahnen aufzustellen. „Zwölf der speziellen Tannenbäume wurden als Prototypen aufgebaut. Die Aufstellung erfolgte für die Stadt kostenfrei.“ Das bestätigte Stefan Hörnig. Er arbeitet beim besagten Bauunternehmen als Prokurist. „Es gibt keine Vereinbarungen mit der Stadt, die über die kostenlose Bereitstellung der vorhandenen Bäume hinausgehen. Bei Hentschke wurde die Idee verfolgt, eine Schutzmaßnahme aus Betonelementen, die sich stilistisch an einen Weihnachtsmarkt anpassen, zu konzipieren und anzubieten. Leider gelang es uns im Laufe dieses Jahres jedoch nicht, von befragten Kommunen tatsächliche Erwartungen an die konkret erforderliche Schutzwirkung benannt zu bekommen. Deshalb konnte die Berechnung und Entwicklung eines Schutzsystems samt Zertifizierung bisher nicht im erforderlichen Maße weiter vorangetrieben werden.“ Dennoch werde eine gewisse Schutzfunktion erzielt und gleichzeitig das weihnachtliche Ambiente gewahrt, so der Fachmann.


In diesem Rahmen feiert Bautzen nun also bis zum 23. Dezember seinen 635. Wenzelsmarkt – hoffentlich ohne besondere Vorkommnisse. Seit Freitag bieten rund 90 Händler und Gastronomen inmitten der romantischen Altstadt ihre Waren an. Drumherum erwartet die Gäste ein abwechslungsreiches Programm.
Mehr Infos dazu gibt’s unter www.bautzen.de.

Roland Kaiser / 01.12.2018

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