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Slawenburgen waren größer als gedacht

Slawenburgen waren größer als gedacht

Friederike Koch-Heinrichs zeigt eine Abbildung, welche die bisherigen Erkenntnisse über die Burganlage Ostro zusammenfasst.

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Im Lichte der neuen Erkenntnisse werden auch ältere Funde, wie sie hier Anita Hoffmann bearbeitet, noch einmal neu bewertet.

Lange Zeit glaubte man, die Besiedlungsgeschichte der Oberlausitz genau zu kennen. Moderne Untersuchungsmethoden lassen jetzt daran zweifeln.

Kamenz. Die slawischen Wallburgen in der Oberlausitz waren wesentlich größer als bislang vermutet. Zu dieser Erkenntnis ist das Museum der Westlausitz bei Untersuchungen im Bereich der Anlagen in Kopschin und Ostro gekommen. „Anlass der Grabung in Kopschin war der Fund einer kleinen Schnalle aus der Zeit der Völkerwanderung am äußeren Wallrand“, erklärt Museumsleiterin und Archäologin Friederike Koch-Heinrichs. „Wir wollten nach weiteren germanischen Funden aus dieser Zeit suchen. Dabei haben wir ein Grabenwerk slawischen Ursprungs aus dem 10. Jahrhundert gefunden, aber nichts Germanisches.“ Doch die Neugierde der Kamenzer Forscher war geweckt, man wollte wissen, wo der Graben hinführt. „Wir haben seinen Verlauf mit dem Bohrstock nachverfolgt, was sehr mühsam war“, berichtet die Museumsleiterin. 

Schließlich half den Archäologen eine noch relativ neue Untersuchungsmethode: die Geomagnetik. „Mit ihrer Hilfe können Abweichungen vom natürlichen Magnetfeld der Erde aufgespürt werden“, erläutert Friederike Koch-Heinrichs. Die Sensoren erfassen dabei Ablenkungen der Erdmagnetwellen von ihrer normalen Richtung und errechnen daraus ein Bild des Untergrundes. „Das Verfahren ist relativ kostengünstig, wobei in relativ kurzer Zeit recht große Flächen untersucht werden können. Und es handelt sich um eine zerstörungsfreie Methode, die einen guten Überblick über das Geschehen unter unseren Füßen gibt“, fasst die Museumschefin die Vorteile der Geomagnetik zusammen. Allerdings hat die Methode auch Grenzen: In Dubring, einer heute stark bewaldeten Anlage, erzielte sie keine brauchbaren Ergebnisse. Ganz anders in Kopschin: „Wir haben Hinweise auf eine sehr dichte Besiedlung auf der Seite der Vorburg, also über die eigentliche Wallanlage hinaus, gefunden.“

Um die nur zeitweise vorhandenen Möglichkeiten auszureizen – Patrick Mertl, der Geomagnetik-Forscher, kommt aus Mainz – dehnte man die Untersuchung auch auf die zweite große Burgwallanlage östlich von Kamenz, nämlich Ostro, aus. Und auch hier gab es spektakuläre Befunde: „Wir haben Grubenhäuser und Pfosten aus der Lausitzer Kultur und aus der Slawenzeit gefunden. Eine besonders große Überraschung bildete jedoch ein weiterer Wall, der in der Landschaft gar nicht mehr zu erkennen ist, durch die Geomagnetik aber gut zum Vorschein kommt“, berichtet Friederike Koch-Heinrichs. Über diesen Wall konnten die Verteidiger der Burg den Zugang abriegeln. In Kuckau, der dritten großen Wallanlage in der Gegend um Panschwitz-Kuckau und Crostwitz, stießen die Forscher wie in Kopschin auf einen bis dahin unbekannten Graben.

Viele neue Erkenntnisse also, die es jetzt zu einem Bild der Besiedlungsgeschichte in der slawischen Zeit zusammenzusetzen gilt. „Klar ist, dass alle untersuchten Burgen größer sind, als zuvor angenommen“, fasst Friederike Koch-Heinrichs die wichtigste Erkenntnis zusammen. Kopschin, die größte Anlage, bringt es auf fünf Hektar, Ostro auf drei. Die hier gefundenen Strukturen innerhalb der Hauptburg deuten auf eine stadtartige Anlage hin, die nicht nur der Verteidigung diente.

„Anders als in der Niederlausitz gab es in der Oberlausitz außerhalb der Burgen keine großflächige Besiedlung“, so die Kamenzer Archäologin. Ungewöhnlich sei auch die räumliche Nähe zweier so großer Burgen. Wozu man die Burgen brauchte, ist schon seit längerem klar: Es handelte sich beim 9. und 10. Jahrhundert um eine höchst unruhige, kriegerische Zeit mit vielen Kontrahenten: verschiedene slawische Stämme, Franken, Ungarn bekämpften sich, gingen Bündnisse ein, bekämpften sich wieder …

„Die neu entwickelten Forschungsmethoden geben uns die Möglichkeit, Erkenntnisse zu gewinnen, ohne in den Boden eindringen und Befunde zerstören zu müssen“, fasst Friederike Koch-Heinrichs die Situation zusammen. „Im Licht der neuen Erkenntnisse betrachten wir jetzt Luftaufnahmen und ältere Funde noch einmal neu.“ Doch auch Patrick Mertls Mission ist noch nicht beendet. Wer weiß, was er mithilfe der Geomagnetik noch zutage fördert

Uwe Menschner / 02.05.2022

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