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Sternwanderung über die Grenzen hinweg

Sternwanderung über die Grenzen hinweg

Für Dauerbrenner und Cheforganisator Klaus Zimmermann findet bei der Sternwanderung über die Grenzen hinweg am 1. Mai Europa statt. Foto: Andreas Herrmann

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Klaus Zimmermann legte bei der Wanderung zum „Popova skala“ (Pfaffenstein) eine kleine Verschnaufpause auf diesem Grenzstein ein. Foto: Andreas Herrmann

Der SPD-Ortsverein Zittau lädt am Dienstag, 1. Mai, zur 24. Wanderung zum böhmischen „Popova skala“ (Pfaffenstein) oberhalb von Hradek n. N. im Lausitzer Gebirge ein. Treffpunkt ist um 10.00 Uhr am Forsthaus Lückendorf. Zu den langjährigen Cheforganisatoren und Dauerbrennern dieser Tour zählt Klaus Zimmermann.

Zittau. Der 77-jährige Zittauer, Mitbegründer der SPD in Zittau, langjähriger Stadtrat und und seit 1989 Mitglied der SPD hat heute zwar keine Wahlfunktion mehr, ist aber seit 1995 Mitverantwortlicher und Anschieber der Sternwanderung am 1. Mai. „1994 bin ich arbeitslos geworden und beschäftigte mich mit der Zittauer SPD-Geschichte. Ich stieß dabei im Staatshauptarchiv Dresden auf Aussagen aus der Zeit der Sozialistengesetze von 1878 bis 1890 und der Folgejahre. Damals umgingen die SPD-Mitglieder entsprechende Versammlungsverbote und organisierten über Jahre hinweg zum 1. Mai Sternwanderungen auf den Hochwald.“ Das sei die zündende Idee für die heute mittlerweile traditionelle Wanderung auf den „Popova skala“ gewesen – „nun abgewandelt mit Blick auf unser Europa und erst recht im Dreiländereck Deutschland, Polen, Tschechien“, wie er sagt.

Klaus Zimmermann erinnert sich, „dass wir damals bereits gute Verbindungen nach Hradek zum ,Obcanske forum’ und zur CSSD, den dortigen Sozialdemokraten, hatten. Mit dem langjährigen Vorsitzenden Josef Jurek (Beppo) fand ich den engagierten Mitstreiter auf tschechischer Seite. Gemeinsam suchten wir uns den Pfaffenstein auf böhmischer Seite als Ziel der neuen 1. Mai-Sternwanderung aus – und dabei ist es auch geblieben.“
Der beiderseitige Wille war das eine, wie aber eine Sternwanderung und die auch noch von deutscher Seite aus über die „Grüne Grenze“ organisieren? „Das war schwierig genug“, berichtet er. Letztlich holte Klaus Zimmermann dafür die Grenzerlaubnis des Bundesgrenzschutzamtes Pirna mit Duldung der tschechischen Grenzpolizei ein. Die wollten den genauen Grenzübertritt im Wald und die genauen Personenzahlen wissen, erzählt er. Im Endeffekt sei alles aber nicht so heiß gegessen worden. 
Zweimal standen tschechische Grenzer am Übergang. Kontrolliert wurde nie. „Auch später nicht, als jede Menge Polen aus Lesna und Luban mit uns gemeinsam die Grenze vom Forsthaus Lückendorf her kommend passierten“, blickt er zurück.
Anfänglich war nach Auskünften von Klaus Zimmermann alles noch recht holprig: „Trotz Pressemitteilungen waren wir im ersten Jahr vielleicht so an die 25 Teilnehmer. Bei richtig schlechtem Wetter liefen auch mal nur zwölf Sachsen mit. Dann durfte auch einmal am Treffpunkt kein Lagerfeuer zum Würstelbraten entzündet werden oder es fehlte an Bier usw.“ Musik dazu habe es auch noch keine gegeben. 
Es sprach sich aber herum, dass es möglich ist, am 1. Mai im Gebirge direkt über die Grenze ins Tschechische wandern zu können. Die Resonanz stieg stetig an. „Für Hunderte von Besuchern reichten unsere Kräfte und vor allem die unserer tschechischen Freunde nicht mehr aus. Da kam den Grottauern die geniale Idee, ihre Freiwillige Feuerwehr mit in den Wald zu holen“, sagt er. Und das sei die Lösung gewesen. Die gesamte Versorgung mit Getränken und Gegrilltem liegt seitdem in deren Händen einschließlich der forstamtlichen Genehmigungen usw. Mit dem Beitritt von Tschechien und Polen zum Schengenraum 2004 entfiel ab 2007 auch die Einholung einer Grenzerlaubnis.
 
Viele der wanderfreudigen Besucher von deutscher Seite und von Hradek gehen zunächst auf den „Popova skala“ hinauf, um die Aussicht auf die umliegende Region zu genießen. Die Teilnehmer kommen anschließend zum etwas tiefer gelegenen Sattel zum großen Treff mit Bier, Limo, Wurst und böhmischer Musik – und manchmal tanzen sogar welche. Nicht nur Klaus Zimmermann gefällt diese herrlich Frühlingsstimmung. „Genaue Besucherzahlen können wir nicht nennen, weil es keine zeitliche Begrenzung gibt“, sagt er. Es sei ein ständiges Kommen und Gehen von Wanderern, Radfahrern, Familien, Seniorengruppen sowie Besuchern aus anderen Bundesländern und aus den Partnerstädten.
Vom Forsthaus Lückendorf bis zum Treff am Sattel (sedlo) unter dem Pfaffenstein sind es knapp vier Kilometer. Mit Pausen am Hufeisenstein und an der Mordkiefer kann die Wanderung schon etwas über eine Stunde Zeit in Anspruch nehmen. Manchmal klettern Bergsteiger auch auf den Hufeisenstein. Da schauen die Teilnehmer auch mal etwas länger hin. Die Feuerwehr baut vor Ort alljährlich Tische und Bänke auf. Dort sitzen die Ausflügler bunt gemischt beieinander. Die Musiker singen meist tschechisch. Es gab noch niemanden, der sich daran störte, sagt er. „Erstaunlicherweise war uns das Wetter zu 90 Prozent wohl gesonnen, mal kühler, mal wärmer, meist aber sonnig“, freut er sich. 

Klaus Zimmermann und die vielen „Wiederholungstäter“ fasziniert diese Sternwanderung am 1. Mai: „Das allein ist schon etwas. Daran wird natürlich erinnert. Und es ist Frühling. Die Menschen fühlen sich frei, es ist alles ein so herrlich unkompliziertes Getümmel. Wir freuen uns über die Offenheit, unsere offenen Grenzen und die pure Wohlfühlatmosphäre. Hier findet Europa statt.“ Für ihn ist es das glatte Gegenstück „zur hohlen SED-Phrase ,Proletarier aller Länder vereinigt euch’“. Diese Sternwanderung schweißt die Teilnehmer auch zusammen. Klaus Zimmermann genießt es einfach, „so viele Leute zu sehen und wieder zu sehen, sich einander begrüßen zu können, Wanderempfehlungen für den Heimweg zu geben und vom Aussichtsfelsenberg unser schönes heimatliches Kleineuropa zu zeigen.“

Die Ausflügler verabschieden sich nach der Wanderung mit einem kräftigen Ahoi! Auf Wiedersehen bis zum nächsten Jahr. „Die Veranstaltung hat kein festgelegtes Ende. Wenn ich mit meiner Frau und meinen Freunden heimwärts ziehe, kommen uns immer noch neue Besucher entgegen – und die Feuerwehr bleibt, solange das Bier reicht“, sagt er. 

Redaktion / 30.04.2018

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