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Todesmarsch durch Lawalde wirft Fragen auf

Todesmarsch durch Lawalde wirft Fragen auf

Dieser Gedenkstein auf dem Friedhof in Lawalde erinnert an die Opfer des Todesmarsches 1945. Foto: Archiv/privat

Lawalde. „Ich stand am Straßenrand und aß einen Apfel“, berichtet ein Augenzeuge. „Aus Richtung Löbau kam ein eigenartiger Menschenzug. Als sie nahe bei mir waren, schmiss ich den Griebsch in den Straßengraben und sah, wie einer der Männer sich bückte. Sogleich schlug ein anderer mit einem Gummiknüppel auf ihn ein.“

Diese Erinnerungen hat der Lawalder Bürger bis heute nicht vergessen. Seither sind 75 Jahre vergangen. Damals war er ein Kind und lange noch kämpfte er mit Gewissensbissen, dass der Mann seinetwegen verprügelt worden war.

Was war geschehen? Der Junge war Augenzeuge eines sogenannten „Todesmarsches“ geworden. Als die Front 1945 näher rückte, versuchten die Nazis Spuren zu verwischen, indem sie Konzentrationslager und ihre Außenstellen räumten.

Die Häftlinge wurden auf die Straße getrieben und oft ziellos durchs Land gejagt. Viele kamen dabei ums Leben. So ist es auch in Lawalde geschehen. Auf dem Friedhof liegen zwei Häftlinge begraben. Es ist bekannt, dass die Häftlinge in der Feldscheune des ehemaligen Rittergutes übernachteten. Die Scheune stand ungefähr dort, wo sich später das Tierheim befand. Die beiden Toten sind am Wegesrand hinter dem Rittergut beigesetzt worden. Jemand erinnert sich, dass das Grab mit einem Holzkreuz gekennzeichnet war und dass Lehrer mit Schülern in den nachfolgenden Jahren zum Gedenken am 8. Mai dorthin gingen. Wahrscheinlich Anfang der 50er Jahre erfolgte die Umbettung auf den Friedhof. „Es ist eigenartig, dass wir im Kirchenarchiv keinerlei Informationen dazu haben. Wir wissen auch nicht, wann und wer den Gedenkstein ,Opfer des Faschismus’ gesetzt hat. Er trägt ein rotes Dreieck, was auf ,politische Häftlinge’ hinweist“, sagt Pfarrerin Karin Baudach. Der Zug durch Lawalde sei leider kein Einzelfall gewesen. Vieles würde jedoch im Dunkeln liegen. Die grobe Route führte von Hartmannsdorf (heute Miloszów in Polen), wo sich ein Außenlager des KZ Groß Rosen/Schlesien befand, bis hin in das KZ Buchenwald. Von den circa 700 Männern sind 399 dort am 12. März 1945 angekommen. Allein auf dem Weg von Zittau nach Buchenwald sind nach Aussage eines Wachmannes 99 Häftlinge erschossen worden. Die Marschroute führte über Spitzkunnersdorf, Seifhennersdorf und Löbau nach Bautzen. So zeigt es zum Beispiel die Karte im Werk „NS-Terror und Verfolgung in Sachsen“, das bei der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung kostenlos bestellt werden kann.

Die Lawalder Augenzeugen berichten aber übereinstimmend, dass die Häftlinge aus Richtung Löbau kamen. Wohin gingen sie? Machten sie hier in Lawalde nur einen Übernachtungsstopp, um am nächsten Tag wieder nach Löbau zurückzuziehen und von dort nach Bautzen? Oder ist es ein bisher noch unbekannter Marsch gewesen? Kann sich noch jemand erinnern, einen solchen Zug gesehen zu haben? Haben Eltern oder Großeltern einmal davon erzählt? Gibt es in einem Archiv eine Notiz davon? Karin Baudach würde sich sehr freuen, weitere Puzzleteilchen zu finden. Denn: „Irgendwo auf dieser Welt gibt es Menschen, die bis heute nicht wissen, wo ihre Brüder, Männer und Onkel geblieben sind.“

Informationen senden Sie bitte per E-Mail an karin.baudach@evlks.de.

Redaktion / 06.12.2020

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Kommentare zum Artikel "Todesmarsch durch Lawalde wirft Fragen auf"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Jürgen schrieb am

    ich interresiere mich für die Geschichte von Lawalde

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