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Verkehrsüberwachung per Ferndiagnose

Verkehrsüberwachung per Ferndiagnose

Binnen Sekunden sieht Tino Hausdorf, ob der Fahrtenschreiber Auffälligkeiten zeigt. Ein paar Kilometer später winken seine Kollegen den Lkw heraus – oder auch nicht.

Kontrollieren, ohne anzuhalten – das ist jetzt auf sächsischen Autobahnen möglich. Moderne Technik schafft die Voraussetzungen.

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Die Daten können auch im Fahrzeug – wie hier von Hauptmeister André Rücker (M.) – empfangen werden.

Region. Treffer! Fast ebenso viele rote wie grüne Punkte zieren das Display von Tino Hausdorfs Tablet, in der unteren linken Ecke zeigt ein großer roter Punkt zusammenfassend an: Hier könnte es sich lohnen, einmal genauer hinzusehen. Der in einem Streifenwagen direkt an der Autobahn A 4 postierte Hauptkommissar gibt seinen Kollegen am Rastplatz Oberlausitz ein Funksignal: Herauswinken!

Datenübertragung liefert Hinweise

„Unser neues System empfängt Daten zu 19 Merkmalen, die sich aus den Fahrtenschreibern der vorbeifahrenden Lkws auslesen lassen“, erklärt später Falko Schölzel. Er leitet den Verkehrsüberwachungsdienst bei der Polizeidirektion Görlitz, deren Gebiet bis Hermsdorf reicht, und damit auch den Großeinsatz, der an diesem Tag auf dem Rastplatz Oberlausitz stattfindet. Gilt es doch, der Öffentlichkeit und nicht zuletzt dem Dienstherrn – Sachsens Innenminister Roland Wöller – die neueste technische Errungenschaft zu präsentieren: Das DSRC – ausgeschrieben bedeutet das: „Dedicated Short Range Communication“ – auf Deutsch in etwa: Zuverlässige Kommunikation über kurze Entfernung.

Wer da miteinander kommuniziert, sind keine Personen, sondern in den Fahrtenschreibern verbaute Signalgeber sowie eine Antenne, die der Kontrollbeamte mit sich führt. In wenigen Sekunden übermittelt der Sender Informationen wie: Steckt eine gültige Fahrerkarte im Fahrtenschreiber? Sind die erfassten Bewegungsdaten plausibel? War in der jüngeren Vergangenheit die Stromversorgung unterbrochen? Hat in den letzten zehn Tagen eine Störung des Sensors vorgelegen? Beantwortet das System eine der beiden letztgenannten Fragen mit „Ja“, dann könnte dies ein Hinweis – aber noch nicht mehr – darauf sein, dass am Fahrtenschreiber manipuliert wurde. „Damit liegt ein begründeter Verdacht vor, der es uns erlaubt, das Fahrzeug zu kontrollieren“, erklärt Falko Schölzel.

Nur schwarze Schafe werden behelligt

Aufmerksam beobachtet auch Frank Wobst das Geschehen. Der Polizeioberrat leitet die Verkehrspolizeiinspektion der Polizeidirektion Görlitz. „Bisher standen den Beamten ausschließlich äußerlich erkennbare Merkmale zur Verfügung, um zu entscheiden: Kontrolliere ich dieses Fahrzeug oder nicht?“, berichtet er. So könne ein erfahrener Polizist per Augenschein recht zuverlässig erkennen, ob ein Lkw überladen ist oder grobe technische Mängel aufweist. Auch unzureichend gesicherte Ladung lässt sich – zumindest bei Fahrzeugen ohne Plane – gut identifizieren.

Legendär geworden sind die Kontrollfahrten, bei denen die Polizisten vom Reisebus aus schauen, ob die Lkw-Fahrer die Hände am Lenkrad haben oder mit etwas anderem beschäftigt sind. Doch der Fahrtenschreiber und die in ihm enthaltenen Daten blieben bislang verborgen. Unregelmäßigkeiten daran ließen sich nur auf gut Glück per Stichprobe erkennen.

Das ist jetzt anders: „Seit dem Juni 2019 müssen alle Lkw, die in der EU neu zugelassen werden, mit DSRC ausgerüstet sein“, betont Innenminister Roland Wöller. Darüber hinaus gilt dies ab 2025 für alle Fahrzeuge, die sich im grenzüberschreitenden Einsatz befinden. Im Klartext: Jeder polnische, tschechische oder niederländische Lkw auf deutschen Autobahnen muss dann über das System verfügen – und natürlich auch umgekehrt. Eine immense Erleichterung der Kontrolltätigkeit, die dadurch auch effektiver wird: „DSRC stellt sicher, dass wirklich nur die schwarzen Schafe herausgezogen werden“, betont Frank Wobst.

Sachsen ist wieder einmal Vorreiter

Wessen Schreiber keine Auffälligkeiten zeigt, bleibt unbehelligt. Manipulationen an Fahrtenschreibern werden oftmals vorgenommen, um die Überschreitung der Höchstlenkzeit zu vertuschen, sind also höchst sicherheitsrelevant.

In der Polizeidirektion Görlitz ist DSRC seit Mai 2021 täglich im Einsatz, ebenso wie alle anderen sächsischen Polizeidirektion verfügt die ostsächsische PD über genau ein solches System. „Damit ist Sachsen das erste Bundesland, das flächendeckend diese moderne Technik nutzen kann“, so Innenminister Roland Wöller.

Gerade auf der A 4 zwischen Dresden und Görlitz ist dies auch bitter nötig – stieg doch die durchschnittliche Anzahl der Lkw seit 2010 von knapp 5.700 auf fast 11.000 im Jahre 2020. Belastbare Angaben zur Kontroll- und Trefferhäufigkeit sind nach dieser kurzen Zeit noch nicht möglich; am Kontrolltag zeigten 4 von 20 erfassten Lkw Auffälligkeiten, die zu Einschätzung führten: „Treffer!“

Uwe Menschner / 11.07.2021

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