Waldorfpädagogik in Ferienspaßform als gesellschaftlicher Kompass

Das alte Griechenland stellte – wie hier mit attischem Kompass – einen roten Faden des Seminars dar. Foto: Elisa Lorkowski
Ober-Neundorf. Ein „attischer Kompass“ ist kein realer Kompass, sondern vielmehr ein Begriff, der im Kontext der Geschichte und Kultur des antiken Griechenlands verwendet wird – insbesondere im Zusammenhang mit dem athenischen Staatswesen. Er steht für die moralischen und politischen Werte, die die Bürger Athens leiten sollten, und kann auch als Metapher für eine verlorene oder fehlgeleitete Orientierung verstanden werden.
In der Geschichte Athens, insbesondere während des Peloponnesischen Krieges, gab es eine Erosion der gemeinsamen Werte und eine zunehmende Verwirrung über das, was richtig und falsch ist. Der Begriff des „attischen Kompass“ seht seither ggf. also bei einem aktuellen Kontext stets auch für eine Besinnung auf den Wesenskern antiker Errungenschaften wie etwa der Demokratie.
Eine Woche Lernen mit allen Sinnen, gemeinschaftliches Erleben und lebendige Wissensvermittlung folgte im großen Themenfeld ’Antikes Griechenland’ beim Ferienkurs „Schule am Schloss“ in Ober-Neundorf dieser Ethik und ermöglichte 15 Kindern und Jugendlichen von neun bis 15 Jahren eine besondere Sommererfahrung. Im Zentrum stand ein pädagogisches Konzept, das die Prinzipien humanistischer Bildung mit der Herzlichkeit und Praxisnähe der Waldorfpädagogik verband.
Ganz im Sinne von Wilhelm von Humboldt, der Bildung als „die höchste und proportionierlichste Bildung aller Kräfte eines Menschen zu einem Ganzen“ verstand, setzte der Kurs auf eine Balance von kognitiven, künstlerischen und sozialen Elementen. Die Kinder und Jugendlichen erfuhren Lernen als lebendigen, selbstwirksamen Prozess – fernab von schulischem Leistungsdruck.
Das Programm reichte von Naturwissenschaft, Sprache und Philosophie über Theater, Handwerk und Musik bis hin zu sportlichen Aufgaben nach antikem Vorbild. Täglich gab es Raum für künstlerisches Gestalten und persönliche Entwicklung – in einer Umgebung, in der Lernen nicht als Aneignung von Fakten, sondern als Entfaltung innerer Potenziale begriffen wurde.
„Begeisterung ist Dünger für das Gehirn“, sagte der Neurobiologe Gerald Hüther, und genau das war spürbar: Die Kinder entdeckten neue Interessen, entwickelten Selbstvertrauen und bauten Freundschaften auf. Einen besonderen Akzent setzten auch die gemeinsamen Mahlzeiten: Gekocht wurde von einer chinesischen Köchin, die mit biologischen, regionalen Zutaten nicht nur für gesunde Ernährung sorgte, sondern auch interkulturelle Impulse einbrachte.
„Das antike Griechenland – der thematische Fokus der Woche– zog die Kinder spürbar in seinen Bann. Von der Odyssee, über die Demokratie bis hin zu einem Hineinschnuppern in die Philosophie setzten sie sich lebendig mit den Inhalten auseinander“, sagte Ferdinand, einer der pädagogischen Begleiter.
Elisa Lorkowski, die die Maßnahme ebenso begleitete, ergänzt: „Bemerkenswert war die hohe Lernbereitschaft der Kinder, trotz Ferienzeit. Zum Glück kamen auch die Freizeiterlebnisse nicht zu kurz. Zum Beispiel unsere Schatzsuche in der historischen Altstadt von Görlitz.“ Die legendäre Managementtrainerin Vera F. Birkenbihl formulierte einst: „Lernen soll das Hirn erfreuen – nicht erschrecken.“ In Ober-Neundorf wurde dieses Prinzip eine Woche lang im Geiste eines attischen Kompass verwirklicht und war also mehr als nur eine Metapher für Werte in Zeiten verlorener Orientierungen.