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Wenn ein Original verloren geht

Wenn ein Original verloren geht

Schon Max Panitz hatte ein ganzes Leben in dem Laden verbracht, den sein Vater Carl einst gründete und von Sohn Johannes weiterbetrieben wurde. Foto: Sandi Wermes

Sohland/Spree. Sie haben um seine Zukunft gekämpft und am Ende doch verloren: Im Ringen um den Erhalt eines Traditionsgeschäftes im Ortsteil Taubenheim blieb ein Rettungsversuch durch den Dorfclub erfolglos. „Wir haben uns sehr darum bemüht, dass der Laden weiterhin Bestand hat oder dieser zumindest als Museum genutzt werden kann“, sagte Sylvia Hauptmann, die sich seit Jahren in dem Verein engagiert. „Leider sind wir an den fehlenden finanziellen Mitteln und den zu erwartenden Auflagen gescheitert.“ Denn das Gebäude, in dem sich der Gemischtwarenhandel bislang befand, stehe unter Denkmalschutz. Gleichzeitig gehe mit ihm und dem Tod des letzten Inhabers eine Ära in dem rund 1.500-Seelen-Dorf zu Ende. 

Mehr als ein Jahrhundert lang hatte dort die Familie Panitz den Ton angegeben und die Taubenheimer mit allem versorgt, was sie zum Leben benötigten. Der unverwechselbare Laden, so sagt Silvia Hauptmann, gehörte zum Dorfmittelpunkt. 1887 von Carl Panitz gegründet, ging er über an seinen Sohn Max Panitz. Enkel Johannes Panitz führte das Geschäft schließlich ins 133. Jahr. 

„Der Besuch des Ladens war wie eine Zeitreise, denn er wurde in Jahrzehnten kaum verändert“, erinnert sich die Vereinsmitstreiterin. „Ein vielfältiges Angebot lockte Kunden an, auch weit über die Grenzen von Taubenheim hinaus.“ Ganze Generationen von Kindern seien dort mit Schulbedarf aller Art versorgt worden. Zum Sortiment hätten Bücher, Textilien, Kurzwaren und Spielzeug gezählt – aber auch ausgefallenere Dinge wie Sargwäsche, Holzpantoffeln und Leiterwagen. „Die scheinbare Unordnung im Laden hatte dabei einen tieferen Sinn“, erklärt Silvia Hauptmann, „denn es war fast unmöglich, in dem Sammelsurium nicht fündig zu werden. Dank guter Beziehungen zu seinen Händlern konnte Johannes Panitz auch so manche ‚Bückware’ für seine Kunden beschaffen. Viele Taubenheimer erinnern sich sicherlich noch gut daran, wenn zur Weihnachtszeit die Tür zum Spielzeugparadies geöffnet wurde. Dann kamen Puppen, Teddys, Schaukelpferde und Kaufmannsladen zu Vorschein. Die ließen Kinderherzen einfach höher schlagen.“

Bis zuletzt war Johannes Panitz täglich im Geschäft, um auch ein Schwätzchen mit seinen Kunden zu halten. Er galt im Dorf als echtes Original und ist sich ein Leben lang treu geblieben. Sein blauer Kittel war sein Markenzeichen, seine raumfüllende Stimme zeugte von Präsenz. Geradlinig und konsequent versagte er sich jedweder Technik, sowohl im Privaten als auch im Geschäft. Silvia Hauptmann weiß selbst dazu eine Anekdote zu erzählen: „Alle Waren wurden von Hand ausgepreist. Die Buchführung und Steuererklärung erfolgte handschriftlich. Mit Fug und Recht kann man sagen: Er war verwurzelt mit seinem Geschäft, mit seinen Kunden, mit seinem Taubenheim.“ Vor Kurzem starb Johannes Panitz im Alter von 89 Jahren. Die bevorstehende Schließung machte ihn unendlich traurig, weiß Silvia Hauptmann. „Schon lange prophezeite man im Ort, dass er die Aufgabe des Ladens nicht lange überlebt. Das sollte sich bewahrheiten. Mit seinem Tod ist er der Schließung nur drei Wochen zuvorgekommen.“

Die Dorfbewohner indes werden ihm ein Andenken bewahren, da ist sich nicht nur das Vereinsmitglied felsenfest sicher. Allerdings schwingt etwas Schwermut in Silvia Hauptmanns Stimme mit, wenn sie feststellt: „Schade nur, dass dies nicht in Form des Ladens geschehen kann.“ 

Roland Kaiser / 25.03.2020

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Kommentare zum Artikel "Wenn ein Original verloren geht"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Carola schrieb am

    Die Corona Zeiten beweisen, was doch durch Lockerungen alles möglich ist. Warum geht es nicht im normalen Leben? Wieso muss man immer tausende Auflagen bereithalten für Dinge, welche so viele Menschen erfreuen würde, niemandem schadet und einem Menschen seine wirklich wohlverdiente Ehre erweisen könnte. Ich kann mich allem Geschriebenen von Silvia Hauptmann nur anschließen. Auch ich war 23 Jahre meines Lebens Taubenheimerin und kenne dieses Geschäft so gut wie alle anderen Taubenheimer. Es war einmalig! Dieser Text weckt unzählige Erinnerungen meiner Kindheit und darüber hinaus. Ich kann nur hoffen, dass es am Ende doch noch einen Weg gibt und ein paar Augen, die zugedrückt werden, um Herrn Panitz sein unvergleichliches Geschäft in irgendeiner Form am Leben zu erhalten.

  2. Humpi schrieb am

    Wie wahr, die Unordnung war grandios, aber Herr Panitz wusste genau wo was war, das hat mich immer wieder fasziniert

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