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Wie Bautzen an seinen Güterbahnhof will

Wie Bautzen an seinen Güterbahnhof will

Landrat Michael Harig, Ministerpräsident Michael Kretschmer, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und Oberbürgermeister Alexander Ahrens tauschten sich zum Güterbahnhof aus (v.l.n.r.). Foto: LZ

Bautzen strahlt in diesen Tagen ein ungewohntes Bild der Einigkeit in die Welt aus. Das hat durchaus Seltenheitswert. Sowohl die Verwaltung als auch der Stadtrat wollen gern den Güterbahnhof einer kommunalen Entwicklung unterziehen. Allerdings ist das kein leichtes Unterfangen.

Bautzen. „Die Stadt kämpft weiter um den Güterbahnhof“ – mit diesen Worten übertitelte die Verwaltung zu Wochenbeginn eine Pressemitteilung. Zuvor hatten Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer Bautzen einen Kurzbesuch abgestattet. Beide reisten mit dem Zug an. Empfangen wurden Sie auf dem Bahnsteig von Oberbürgermeister Alexander Ahrens und Landrat Michael Harig. Beide nutzten die Gunst der Stunde, um das Augenmerk der Gäste auf die Situation des Güterbahnhofes zu lenken. Einige der Flächen liegen laut Rathausangaben seit langer Zeit brach. „Dieser Zustand ist aufgrund von deren Größe und Lage für die Stadt nur schwer nachvollziehbar“, betonte Stadtsprecherin Laura Ziegler, „haben sie doch für die Entwicklung der Kommune ein nicht zu verachtendes Potenzial.“ Das Problem an der Sache: Das Areal gehört der Deutschen Bahn (DB). „Die scheint an den Flächen bislang festzuhalten.“

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Vom Bahnsteig aus ist der Güterbahnhof gut auszumachen.

Rückblick: Bereits im Februar 2017 hatte die Stadt eigenen Angaben zufolge eine Anfrage an die DB gerichtet. Zehn Monate später habe sie die Nachricht erhalten, dass das Bahnunternehmen auf Gleis- und Umschlaganlagen in diesem Bereich nicht verzichten könne und keine andere Nutzung vorgesehen sei. „Diese Aussage wurde im Rahmen eines persönlichen Gespräches mit Bautzens Oberbürgermeister im April 2018 bestätigt“, weiß Laura Ziegler. „Weitere Monate und Gespräche später wurde dem Landrat und dem Oberbürgermeister im November 2018 in gewisser Weise Hoffnung gemacht. Man könne sich vorstellen, Teile des Geländes freizustellen. Eine eindeutige Zusage gab es jedoch nicht.“ Vor diesem Hintergrund soll nun die Position der DB weiter hinterfragt werden, um Klarheit über die Zukunft der Flächen zu erlangen.

Deutsche Bahn prüft Machbarkeit

Dass die Kommune in ihren Bemühungen durchaus ein Stück weiter sein könnte, verdeutlicht Regierungssprecher Ralph Schreiber: „Die DB hatte gegenüber dem Oberbürgermeister der Stadt Bautzen geäußert, dass man sich eine Abgabe von Bahnflächen vorstellen könne, wenn die Stadt dafür Ersatzflächen anbiete. Dies habe er abgelehnt. In einem Gespräch beim Sächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA, Anm. d. Red.) hat der Konzernbevollmächtigte eine weitere Prüfung zugesagt. Für das SMWA ist einer der zu klärenden Punkte die tatsächliche Entbehrlichkeit der Bahnflächen.“

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Blick ins Atrium: Trockenbauer Andreas Schubert und Bauherr Gerald Lucas (r.) freuen sich über den zügigen Arbeitsablauf im Mittelteil des Bahnhofsgebäudes. Fotos: RK

Darüber hinaus führte der Regierungssprecher aus, dass die Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden-Görlitz, für die das SMWA die komplette Vorplanung finanziert, eine zentrale Forderung des Freistaates Sachsen an den Bund und im Rahmen des Strukturwandels sogar ein sogenanntes Leuchtturmprojekt sei. „Die Realisierung dieses Projekts darf unter keinen Umständen durch die Umnutzung des Güterbahnhofareals gefährdet werden.“

Nach dem Druck der aktuellen Zeitungsausgabe meldete sich das Verkehrsunternehmen selbst zu Wort. Dessen Sprecher Holger Auferkamp zufolge steht die Deutsche Bahn dem Anliegen offen gegenüber und ist dazu bereits mit dem Planer im Gespräch. „Da zur Umsetzung der geplanten Stadtentwicklungsmaßnahmen eine Umverlegung der sich im betroffenen Areal befindlichen betriebsnotwendigen Anlagen der DB erforderlich ist, wurde mit dem Planer vereinbart, dafür zunächst eine Machbarkeitsuntersuchung durchzuführen.“

Stadträte plädieren für kommunale Entwicklung des Güterbahnhofes
 

„Das Areal hat bekanntermaßen ein hohes Potenzial für die Bautzener Stadtentwicklung“, bestätigte die Sprecherin der Kreisverwaltung, Sarah Günther. „Der Landkreis unterstützt die Stadt dabei bereits seit längerer Zeit. Landrat Michael Harig versteht sich dabei als Vermittler und Türöffner. So hat er bereits Gespräche mit Verantwortlichen bei der Bahn und der Staatsregierung geführt. Dabei regte der Landrat die Bildung einer Planungsgruppe an, um die grundsätzliche Bereitschaft des Verkehrsunternehmens für eine Freistellung von Flächen zu konkretisieren und mit den Vorstellungen der Kommune in Einklang zu bringen.“

Doch nicht nur er ließ sich bereitwillig vor den Karren der Stadtverwaltung spannen. Auch die Bauunternehmer Gerald Lucas und Jörg Drews warben bereits, wie sie dem Oberlausitzer Kurier verrieten, bei den unterschiedlichsten Stellen für einen Übergang des Güterbahnhofes in kommunales Eigentum. „Allerdings müssen wir auch feststellen, dass die Verwaltung in dieser Angelegenheit durchaus überlastet und überfordert wirkt“, kritisierte einer der Herren. Fest steht aber auch für sie: Auf dem Güterbahnhof lässt sich so manches Nützliche umsetzen, das wiederum den südlichen Teil von Bautzen deutlich aufwerten würde.

„Man könnte das Gelände für öffentliche Einrichtungen, Sportanlagen, Parkhäuser oder Parkplätze sowie mittelfristig für eine Stadthalle nutzen“, meinte der Chef der SPD-Stadtratsfraktion, Roland Fleischer. Und er ist sich sicher: „Ideen werden kommen.“

„Gesetzt den Fall, die Bahn lenkt ein, dann müssten wir Stadträte innerhalb kurzer Zeit darüber nachdenken, ob wir kreditfinanziert dieses Areal ankaufen wollen“, gab indes CDU-Stadtrat Dirk Lübke zu bedenken. „Die Entwicklung würde viel Geld verschlingen. Wir wären hierbei sicherlich auf die Hilfe und Unterstützung von Land und Landkreis angewiesen. Ich kann mir vorstellen, für den Fall den Güterbahnhof im Rahmen einer Landesgartenschau zu entwickeln.“ Sein Parteifreund Karsten Vogt, der den CDU-Fraktionssitz innehat, merkte hingegen an: „Die negativen Erfahrungen vom Lauenareal und auch vom Krone-Gelände zeigen, wie wichtig es ist, dass die Stadt bei der Entwicklung großer Flächen in der Lage ist, diese zielgerichtet zu steuern. Die Chance, das Gelände des Güterbahnhofes durch die Fördermittel des Kohle-Strukturwandels zu gestalten, dürfen wir uns nicht entgehen lassen. Insofern muss das Engagement von Stadt und Landkreis durch den Stadtrat unterstützt werden.“

„Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass der Schienenfahrzeugbauer Bombardier noch einen Gleisanschluss benötigt“, dämpfte der Grüne Claus Gruhl die Euphorie um eine mögliche Entwicklung des Anwesens. Allerdings sieht selbst er Möglichkeiten für die Umsetzung verschiedenster Projekte. „Die Verhandlungen mit der DB sollten unbedingt weitergeführt werden“, bekräftigte er die Aussagen seiner Stadtratskollegen.

Eher ernüchtert äußerte sich FDP-Mann Mike Hauschild zu den bisherigen Bemühungen, das Gelände in kommunale Hand zu überführen: „Es gibt vonseiten der Stadtverwaltung keine Ideen, die mit den Stadträten diskutiert werden. Dabei könnten wir uns schon längst zu konkreten Grobplanungen öffentlich austauschen und so zum Beispiel die Themen zusätzliche Schule oder Stadthalle besprechen.“ Das Gelände fordere auch Mut – sowohl beim Denken als auch Investieren. Karsten Vogt bestätigte, dass die Stadträte aktuell über keine offiziellen Informationen bezüglich des Güterbahnhofes verfügen – einschließlich einer möglichen Kontaminierung des Bahngeländes.

Arbeiten im Bahnhofsgebäude schreiten zügig voran

Indes hat sich Peter Schulze vom AfD-Kreisverband Bautzen offenbar mit dieser Materie bereits auseinandergesetzt. „Uns liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor“, meinte der Nicht-Stadtrat. „Allerdings ist im Bereich der Gleis-trassen unter Umständen von einer Belastung durch Kupfer-Chrom-Arsenverbindungen auszugehen. Damit wurden früher die Holzschwellen impräg-niert.“ Allerdings sind Kontaminierungen nach seiner Ansicht keine große Hürde. „Der Gewinn für die Stadt wäre aber ein großer Sprung.“ Die Vorstellungen des AfD-Mannes reichen von bahnhofsnahem Wohnraum, über ausreichend Parkplätze bis hin zu einem langgestreckten Schallschutzriegel, der ein Niedrigkostenparkhaus beherbergen könnte. Zudem plädierte er für einen attraktiven, schnellen und wettergeschützten Fußgängerübergang zum Bahnhof.

Auf der gegenüberliegenden Seite werden unterdessen weiter Tatsachen geschaffen. Im Inneren des Bahnhofsgebäudes geht die etwa acht Millionen Euro teure Umbaumaßnahme planmäßig voran. Zwischen dem Richtfest am kommenden Dienstag und der voraussichtlichen Fertigstellung liegen nur noch vier bis fünf Monate, wie Bauherr Gerald Lucas unserem Blatt bei einem exklusiven Rundgang durch das Haus aufzeigte. Auf einem Teil der insgesamt rund 6.000 Quadratmeter großen Fläche entstehen 123 Büro- und zwölf Besprechungsräume für Mitarbeiter des Landratsamtes. Diese sind künftig über ein zentrales Treppenhaus und zwei Fahrstühle erreichbar. Einziehen werden bis zum Spätherbst die Führerschein- und Zulassungsstelle sowie andere Behörden der Kreisverwaltung. Aber auch eine Krankenversicherung, der Verkehrsverbund ZVON und eine Bäckerei mieten Geschäftsräume an. Zudem sind nach Bauende öffentliche Toiletten und ein Fahrkartenverkauf im Bereich der Bahnhofshalle zu finden.

„Um das zu erreichen, mussten Wände entfernt und an anderer Stelle neu gesetzt werden“, erinnert sich Gerald Lucas. „Es wurden neue Fenster eingesetzt und im Mittelbau 21 Bestandsrundbogenfenster von 4,30 auf 5,50 Meter Höhe vergrößert, damit auch in den oberen Etagen genug Licht einfallen kann. Über der Bahnhofshalle ist zudem ein 19 Meter hoher Innenhof entstanden, der mit einer Glaskuppel abschließt. Weiterhin ließen sich sechs von acht Wandbildern des Künstlers Alfred Herzog mit Darstellungen des Waggonbaus und anderer traditioneller Wirtschaftszweige der Region sichern und erhalten.“ Selbst drei große Bahnhofsuhren sollen demnächst das Gebäude wieder schmücken. „Im Gegensatz zum Berliner Flughafen BER halten wir unsere Termine“, bemerkte der Bauherr stolz, bevor er sich wieder dem Tagesgeschäft widmete.

Die Außenanlagen sind ebenfalls ein gutes Stück vorangekommen. Direkt vor einem der Seitenflügel des Bahnhofsgebäudes entstehen Stellflächen für Kunden der Krankenversicherung und der Bäckerei. Etwas weiter entfernt sollen zusätzlich 230 öffentliche Parkplätze aus dem Boden gestampft werden. Jedoch ist in dem Fall noch der Planer am Werk. Am 21. Mai ab 15.30 Uhr dürfen sich Interessierte selbst ein Bild vom Baufortschritt machen.

Roland Kaiser / 18.05.2019

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