Wieder vergeht ein Stück Bischofswerda

Gabriela Ziegenbalg sichtet mithilfe von Rocci Klein die Filmplakate und entscheidet sich schließlich für den Gruselklassiker „The Fog.“

Nicht mehr richtig da und noch nicht weg: Die verbliebenen grünen Sessel hatten alle schon einen Adressaten.
Im Lebensfilm des Bischofswerdaer Kinos ist die letzte Szene gespielt worden: Am vergangenen Wochenende fand der Ausverkauf statt. Alles musste raus.

Stefan Wiese sicherte sich das Thekendisplay – der Bischofswerdaer will es sich an die Wohnzimmerwand hängen.
Bischofswerda. Eigentlich sollte der finale „Take“ sang- und klanglos über die Bühne gehen. Dem Bischofswerdaer Fotografen und Journalisten Rocci Klein ist es zu verdanken, dass viele Freunde der früheren Volkslichtspiele von der Trauminsel ihrer Kindheit und Jugend Abschied nehmen und sich eine handfeste Erinnerung daran sichern konnten. So wie beispielsweise Gabriela Ziegenbalg, die aus Großharthau gekommen war: „Ich habe auf der Karl-Liebknecht-Straße gewohnt und bin mit dem Kino groß geworden. Mit ihm verbinden sich viele schöne Erinnerungen“, erzählt sie. Und weiter: „Besonders schön waren immer die kostenlosen Vorstellungen am Weihnachtstag um 14.30 Uhr für Kinder.“ Die Volkslichtspiele in ihrem jetzigen Zustand zu sehen, sei hart: „Es ist traurig, dass sie nicht am Leben erhalten werden konnten. Wieder geht ein Stück Bischofswerda verloren.“
Gabriela Ziegenbalgs ganz persönliche Erinnerung sind ein paar Filmplakate, beispielsweise von dem Gruselklassiker „The Fog“: „Ein ganz großer Film.“
Stefan Wiese will ein bisschen mehr. Der „Ur-Schiebocker“, wie er sich selbst bezeichnet, hat sich das Thekendisplay gesichert. „Ich will es mir als Andenken an die Wohnzimmerwand hängen“, berichtet er. Auch er erinnert sich besonders an die Weihnachtsvorstellungen, zu denen er immer mit einem Freund gekommen war.
Rocci Klein selbst wohnt in der Nachbarschaft des Kinogebäudes und beobachtete eines Tages, wie Arbeiter die Leuchtschrift abmontierten. „Ich bin aus Neugierde rübergegangen und habe gefragt, was jetzt passieren soll. So bin ich mit dem Insolvenzverwalter ins Gespräch gekommen.“ Er hätte es schade gefunden, wenn das Interieur des Bischofswerdaer Kinos einfach so verschwunden wäre, und erhielt die Erlaubnis, den Ausverkauf zu organisieren. Und so stellte der Fotojournalist ein Bild in Facebook ein und erhielt innerhalb weniger Stunden 300 Anfragen. Besonders die Kinosessel – darunter die 48 „roten“ aus dem kleinen Kino – waren heiß begehrt. Die Hälfte der roten Sessel findet nun ihren neuen Platz im vom Kleiderfundus e.V. betriebenen „kleinsten Kino Bischofswerdas“, das die Schiebocker Lichtspieltradition – wenn auch in einem weitaus kleineren Rahmen – weiterführt.
Doch auch die „normalen“ grünen Sessel aus dem großen Saal erwiesen sich alles andere als Ladenhüter. „Unter anderem die Jugendclubs aus Demitz-Thumitz, Frankenthal und Piskowitz haben sich größere Kontingente gesichert. Doch auch Privatleute kaufen die Sessel – oftmals ohne bereits zu wissen, was sie mit ihnen machen wollen. Es geht einfach um ein Stück Erinnerung“, weiß Rocci Klein.
Was später einmal aus dem Gebäude der Volkslichtspiele werden soll, weiß noch niemand. Die mit der Verwertung beauftragte Perlick Industrieauktionen GmbH aus Chemnitz bietet das ganze Gebäude auf ihrer Website zur Versteigerung an.
Die Volkslichtspiele gehörte einst zum Hotel „König Albert“, das auch das benachbarte heutige Polizeigebäude umfasste und dem sie als Ball- und Konzertsaal dienten. Die Lichtspieltradition reicht bis 1910 zurück.
Dass sie 2012 enden musste, hat sicher mehrere Gründe – doch dieser zählt zweifellos dazu: „Wenn die Leute alle ins Kino gegangen wären, als es noch offen war, wäre das heute nie passiert“, wie eine ältere Dame anmerkte.
Kommentare zum Artikel "Wieder vergeht ein Stück Bischofswerda"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Hallo, als ehemalige Schiebockerin habe ich unter Google Suchmaschine den Artikel über das gute, alte Kino entdeckt. Schade, dass es nicht mehr ist. Herr Ihle u Frau Hermann im Kassenhäusschen werden immer in Erinnerung bleiben.
Ich habe ebenfalls in der Karl-Liebknecht-Str gewohnt. Es verging kein Samstag nachmittag 14:30 Uhr, ohne in der Vorstellung mit meiner Freundin gewesen zu sein. Ebenfalls ein Muss jedes Jahr zu Weihnachten die Nachm.vorstellung.
Viele Grüße aus Alsenborn /Rheinland Pfalz Regina Erbach-Maschel