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Wieso schon seit 100 Jahren in Uhsmannsdorf gekickt wird

Wieso schon seit 100 Jahren in Uhsmannsdorf gekickt wird

Bei Grün-Weiß Uhsmannsdorf ist man auch nach 100 Jahren „ganz nah dran“ am Geschehen. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Uhsmannsdorf. Seit etwa 1885 hatte der Fußball mit dem runden Ball – auch Rugby galt damals als Fußballvariante – von der Reichshauptstadt und etwas später von Karlsruhe aus die Großstädte Deutschlands erobert. Er blieb zunächst jedoch ein Vergnügen der bürgerlichen Oberschicht – in der Niederschlesischen Oberlausitz übrigens erstmals beim 1906 gegründeten SC Preußen, dem späteren STC Görlitz. Führend waren in der Lausitz damals jedoch Viktoria und Askania Forst.

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Ganzer Stolz der Uhsmannsdorfer Fußballabteilung sind die erfolgreichen Frauen. Foto: SV Grün-Weiß 90 Uhsmannsdorf

In den Schießpausen des 1. Weltkrieges fand Fußball jedoch eine rasende Verbreitung und mit der Emanzipation der Arbeiterbewegung gab es nach dem Krieg auch die nötige Freizeit dazu. 1921 rollte so eine Gründungswelle von Fußballklubs durch nun auch kleinere Städte des Reiches. Dass zu diesem frühen Zeitpunkt auch Uhsmannsdorf bereits vom Virus befallen war, liegt an der Glasindustrie.

„Das wurde bei uns durch die Zeitzeugen Erich Michaelis und Friedrich Max urkundlich dokumentiert. Fußballspielen war für die Glasmacher in dieser Zeit eine Möglichkeit zum Ausgleich ihrer schweren körperlichen Arbeit. Gespielt wurde auf einer Wiese hinter der ehemaligen Deponie in Richtung Horka. In den dreißiger Jahren entstand die Spielstätte auf dem jetzigen Standort“, weiß Günther Schnabel, 2. Vorsitzender des SV Grün-Weiß 90 Uhsmannsdorf e.V. zu berichten, der sich mit Vereinskollegen zum Jubiläum auf Spurensuche begeben hat. Dabei stieß man auch auf die Chronik „Fußball in Schlesien 1933/34-1944/45“ des Deutschen Sportclubs für Fußballstatistiken e.V., in der die Uhsmannsdorfer 1938 im „Bezirk Niederschlesien, 1. Kreisklasse, Kreis 15 Muskau“ zu finden sind. Bis zur nationalsozialistischen Gleichschaltung mit Bildung des Sportgaus Schlesien gehörten die Uhsmannsdorfer dem Südostdeutschen Fußballverband (SOFV) an, der den Fußball in Schlesien, der Mark Posen und der Niederlausitz organisierte.

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Der Fußball zieht in Uhsmannsdorf wie überall auch bei weniger gutem Wetter die Leute raus! Hier beim Spiel von Grün-Weiß gegen Blau-Weiß Empor Deutsch Ossig. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Aus Zeitzeugenaussagen ist bekannt, dass es zu Auswärtsspielen noch mit Fahrrad oder dem Zug ging. „Zum Teil waren das lange Anfahrtstrecken, da es noch nicht viele Fußballmannschaften in der Umgebung gab. Gegner waren beispielsweise der STC Birkenstedt (Nowe Czaple), TV Feste Eiche Schleife, der TuSV Niesky, VfB Muskau, TSV Friesen Halbendorf oder der VfB Priebus (Przewóz), wobei nach besagter Fundstelle von 1938 damals immerhin ein Mittelfeldplatz in der Tabelle erreicht werden konnte“, so Güther Schnabel.
Nicht unproblematisch war in der Zwischenkriegszeit das Verhältnis zwischen dem deutschen Turnen und der „englischen Fußlümmelei“. Im Rahmen der sogenannten „reinlichen Scheidung“ 1923/24 trennten sich viele Vereine unter dem Druck, entweder einem Sport- oder einem Turnverband anzugehören – nicht jedoch beiden. Der Nationalsozialismus zwang beide Seiten auch hier in eine Gleichschaltung. Ob erst dadurch oder schon zuvor, ist in Uhsmannsdorf nicht bekannt – 1938 traten die Kicker jedenfalls unter dem Dach des TV Uhsmannsdorf an – immerhin hatte die Turnbewegung ja schon im Kaiserreich eine breite Basis auf den Dörfern. Man darf beim TV also die Wurzeln annehmen.

In der DDR wurden die Leibesbetätigungen dann ganz nach sowjetischem Vorbild in den betrieblichen Rahmen überführt. So entstand quasi als Nachfolger des TV die BSG Chemie Uhsmannsdorf als Betriebssportgemeinschaft des Flachglaswerkes. „Männer, der Nachwuchs und später auch Frauenmannschaften spielen seitdem von der Kreisklasse bis zur Kreisliga um Punkte und Titel. Die Männer erzielten nur einen Kreismeistertitel, dafür stand die Geselligkeit immer hoch im Kurs. Die Junioren konnten je nach Jahrgangsstärke da schon besser mithalten. Sie gewannen mehrere Kreismeisterschaften und spielten auch in der Bezirksklasse. Gegenwärtig sind es die Frauen, die Kreismeistertitel in der Kreisliga erringen“, betont Günther Schnabel stolz.

Nach der Wende wurde aus der BSG Chemie Uhsmannsdorf der SV Grün-Weiß 90 Uhsmannsdorf e.V. gegründet. Das Traditionsbewusstsein für „Chemie“ ist jedoch wach geblieben. Im Vereinswappen findet sich so auch das „C“ mit dem umschlossenen Erlenmeyerkolben der Sportvereinigung Chemie. Bei der Mitgliederversammlung im September oder Oktober wird der Verein sich so wohl auch mit der Frage beschäftigen, ob man Chemie wieder im Namen tragen möchte.

Für die Fußballer haben sich die Bedingungen auf dem Spielfeld und im Sozialbereich seit 1990 wesentlich verbessert. Und im Zeichen der heute beliebtesten Sportart verkündet der Verein sogar: „Der Vorstand des Sportvereins ist der Meinung, dass mit dem Gründungsjahr des organisierten Fußballs in Uhsmannsdorf die Basis für den gesamten Sportverein geschaffen wurde. Über eine frühere Existenz des Turnvereins wurden keine weiteren Untersuchungen durchgeführt.“ Neben dem Fußball und Turnen bzw. der Gymnastik sind in Uhsmannsdorf auch der Frauenfeldhandball, Billard und Bohle- und Classic-Kegeln bei Frauen, Männern und Nachwuchs oder der Tischtennis zum Zuge gekommen, wobei letztere heute im SV Füchse eigenständig organisiert sind.

Neben den Fußballern sind bei Grün-Weiß besonders die Kegler auf Titeljagd gegangen. Neben Bezirksmeistertiteln wurde mit Torsten Horschig ein Jugendlicher DDR-Meister und einmal Zweiter. Die Jugendmannschaft Kegeln wurde ebenfalls einmal DDR-Meister. Durch die Privatisierung der modernen Vierbahnanlage in Uhsmannsdorf ist der Kegelsport jedoch leider zum Erliegen gekommen. Die Billardkameraden spielen um Punkte und leben Geselligkeit in Ihrem schönen Domizil. „Eine Würdigung des 100. Jubiläums mit den anderen Vereinen des Ortes wird es coronabedingt wohl in diesem Jahr nicht mehr geben“, muss Günther Schnabel jedoch mitteilen. Vorstellbar seien 2022 jedoch Festivitäten zum Jahrestag „100+1“.

Till Scholtz-Knobloch / 11.07.2021

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