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Zittauer erlebte den Militärputsch in Chile

Zittauer erlebte den Militärputsch in Chile

Diplomat Günter Küpper auf dem Dienstweg vor der Moneda, dem Regierungssitz in Chile, nach der Bombardierung 1973. Foto: privat

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Günter Küpper (rechts) bei der Amtseinführung des letzten DDR-Botschafters in Chile im Sommer 1973. Foto: privat

Jedes Jahr am und um den 11. September herum dreht sich bei Günter Küpper in den Erinnerungen das Rad der Zeit noch einmal zurück. Denn der heutige Leiter des Geo-Zentrums Zittau und damalige Hobbygeologe erlebte als Diplomat am 11. September 1973 den Militärputsch in Chile.

Zittau. Mit der weltweiten Anerkennung der DDR seien damals Kader für den diplomatischen Dienst gesucht worden, erinnert er sich. Er passte sozusagen ins Profil.
Günter Küpper absolvierte zu jener Zeit ein Jahr eine Ausbildung im Außenministerium der DDR in Berlin. „1972 bin ich an der Botschaft in Chile als Mitglied der Leitung, verantwortlich für Administration, Finanzen, Technik, einheimische Angestellte sowie auch Protokoll und Handel, eingesetzt worden“, berichtet er. Es sei die größte Abteilung der rund 50 Mitarbeiter gewesen.
Günter Küpper erinnert sich noch gut an die damalige politische Situation in Chile. Die Unidad Popular mit Präsident Dr. Salvador Allende war die erste sozialistische Regierung in Chile. Konzerne wurden enteignet. Das Kupfer gehörte wieder Chile wie viele andere Reichtümer des Landes auch.
Besonders die USA mit ihren Verbündeten und dem einheimischen Kapital versuchten mit allen Mitteln, diese vom Volk gewählte Regierung zu stürzen – mit Mord und mit Streiks im Land, mit Diffamierungen in den Medien und viel Geld für die Regierungsgegner.
Mehrere Putschversuche seien verhindert worden, erzählt er.

Am 11. September 1973 hatte Günter Küpper in der Botschaft Dienst. Die ganze Nacht über wurden Berichte über Radio Bulnes gegeben, dass sich Militär von Valparaiso nach der Hauptstadt bewegt und aus Kasernen Panzer in Richtung Zentrum unterwegs sind.
Der Präsident gab eine Erklärung ab. Es waren seine letzten Worte. Gegen 12.00 Uhr kamen Meldungen vom Tod Allendes und der Regierungsübernahme durch eine Militär-Junta.
Die Moneda, der Regierungssitz, war bombardiert worden, genauso wie auch die Residenz des Präsidenten. Danach seien drei Tage totale Ausgangssperre verhängt worden, erzählt er.

Die Milikos wüteten im ganzen Land, erschossen Menschen oder brachten unzählige in KZ-Einrichtungen     – etwa 40.000 waren im Zentralstadion von Santiago. Danach sei die Ausgangssperre stundenweise gelockert worden, berichtet er. „Wir konnten uns das Chaos mit ansehen. Es gab aber plötzlich wieder volle Läden mit allem, was dem Volk zuvor enthalten worden war – zu unglaublich hohen Preisen“, sagt er.     Nach dem Putsch reisten in zwei Gruppen alle Mitarbeiter der Botschaft aus – ein Rest von vier Mitarbeitern blieb. „Ich war ohne Familie dabei. Unter dem Schutz des finnischen Staates war es eine schwere und gefahrenvolle Arbeit weit weg von der Heimat mit einer Sperre für alle Informationen. Unseren 23-jährigen chilenischen Kraftfahrer, Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes und Kassierer für 20 Leute, hatte seine Frau nach Tagen erschossen im Mittelstreifen einer Avenida gefunden. Das war für mir unglaublich und sehr erschütternd. Ich hatte so einen guten Mitarbeiter und Freund verloren. Die junge Familie haben wir weiter unterstützt.“ Die vielen Militärkontrollen seien sehr gefährlich gewesen. Denn: „Die Maschinenpistole wurde dabei auf die Person gerichtet. Eine falsche Bewegung hätte schon tödlich sein können.“ In Meldungen seien 4.000 bis 15.000 Tote angegeben worden. „Täglich konnte ich im Rio Mapocho, dem Fluss durch Santiago, Tote sehen. Das war einfach grauenvoll“, erzählt er. Alles Tun und Handeln sei auf politische und wirtschaftliche Interessen gerichtet gewesen, der Mensch spielte da keine Rolle mehr.
„Wir selbst wohnten in der Schule. Nun war ich dort allein mit den vielen Möbeln, Geschirr und anderen Gegenständen aus rund 20 Wohnungen“, blickt er zurück. Und er fährt fort: „Unsere Hilfe wurde gesucht. Wir machten die Schule zum Asyl für Allende-Anhänger.“ Insgesamt betreute Günter Küpper 125 Chilenen, darunter Minister, Senatoren, Direktoren und Leonhardo, der ihm vom Chef de Mission ans Herz gelegt wurde. Am Tag der Abreise in die DDR nach zwei Monaten gemeinsamer Zeit sagte ihm der Chef de Mission: „Er war der Schwiegersohn von Erich Honecker.“ Erich Honecker war vom 3. Mai 1971 bis zum 18. Oktober 1989 als Erster Sekretär bzw. Generalsekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands der mächtigste Politiker der Deutschen Demokratischen Republik.

Nach 45 Jahren Abstand seien die Ereignisse heute immer noch aktuell, meint Günter Küpper. Alle Chilenen waren sofort integriert, arbeiteten in Betrieben und Einrichtungen oder studierten. Bei der ersten Möglichkeit eines freien Lebens in Chile seien alle zurückgekehrt, sagt er. Als Hobby-Mineraloge hatte Günter Küpper in seiner Freizeit tolle Bedingungen, insbesondere in den Kupfer-, Gold- und Silberminen. „1976 kehrten wir in die DDR zurück. Damals wurde unser Sohn eingeschult“, erzählt er. Nach zwei Jahren Tätigkeit an der Hochschule Zittau absolvierte Günter Küpper einen erneuten Einsatz im diplomatischen Dienst in Rom.
„1983 habe ich die Fachgruppe Mineralogie Zittau gegründet und leite ehrenamtlich seit 15 Jahren das Geo-Zentrum“, sagt er. Viele Belege aus Chile und anderen Ländern sind dort ausgestellt. Jeder Stein ist für ihn Erinnerung an viel Schönes, aber auch an Tod und Folter.

Steffen Linke / 10.09.2018

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