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„Bei uns ist es sicherer als beim Einkaufen“

„Bei uns ist es sicherer als beim Einkaufen“

Nils Walther, Chefarzt der Klinik für Chirurgie am Krankenhaus Emmaus Niesky, führt hier eine minimalinvasive Operation durch. Foto: Sven Claus

Aufgrund der Pandemie bleiben viele medizinisch notwendige Behandlungen aus. Das Unbehagen, sich im Krankenhaus behandeln zu lassen ist ein Grund dafür. Im Falle des Emmaus-Krankenhauses in Niesky kommt hinzu, dass der Name Emmaus mit den tödlich verlaufenden Fällen im Altenpflegeheim Abendfrieden der Diakonissenanstalt Niesky in Verbindung gebracht wird. Die Chefärzte am Emmaus versichern, dass gerade Krankenhäuser aufgrund der Hygienestandards derzeit ungewöhnlich sichere Orte seien.

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Rainer Stengel, Leitender Chefarzt in Niesky, erläuterte dem NSK das Sicherheitskonzept. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Niesky. Rainer Stengel, Leitender Chefarzt in Niesky und Nils Walther, Chefarzt der Klinik für Chirurgie, berichten, dass sie nach einem Arbeitstag – wie andere auch – an der Supermarktkasse in Niesky das ein oder andere Gespräch aufschnappen. Zuletzt sei auch zu hören gewesen, dass „die da bei Emmaus Corona hatten und man derzeit wohl kaum ins Krankenhaus gehen könne – vor allem eben nicht dorthin“.

Einmal von den tragischen Zufällen abgesehen, die dazu führen, dass ein Ausbruch eine Einrichtung trifft, eine andere nicht, habe das Emmaus-Krankenhaus als unmittelbarer Nachbar des Altenpflegeheims an Covid-19 erkrankte Senioren natürlich aufgenommen. Mittlerweile ist das Prinzip fest eingespielt, dass für Pandemiepatienten das Caroluskrankenhaus in Görlitz zuständig ist.
Damit müsste doch eigentlich der Krankenhausbetrieb – von den Hygieneerfordernissen abgesehen – wieder seinen normalen Gang gehen, könnte man annehmen. Rainer Stengel bestätigt: „Wir sind jetzt im sogenannten Regelleistungsbetrieb. Das heißt, wir befinden uns nicht mehr im Ausnahmezustand, den wir im April hatten, wo wir komplett die Leistungen heruntergefahren hatten“ und als zwei von drei Stationen gänzlich geschlossen gewesen seien. Damit sei seinerzeit auch nur noch die Erbringung von einem Drittel der eigentlichen Leistungen möglich gewesen. „Die nicht behandelten Patienten schieben wir nun natürlich vor uns her“, sagt der Chefarzt und gibt zu bedenken: „Geplante Eingriffe werden – wenn man sie zu lange schiebt – irgendwann Notfälle.“

Es sei zwar nicht so, dass jeder zweite gleich zum Notfallpatienten werde, aber immer wieder sei nun zu hören, dass Menschen, die nun wieder zur Verfügung stehenden Kapazitäten nicht nutzen möchten.

Aus Angst vor Corona kämen viele jetzt nicht ins Krankenhaus. „Auch wenn wir Eingriffe für notwendig erachten, sagen Patienten, sie würden lieber noch warten, bis die Krise vorbei sei. „Das Problem ist nun tatsächlich, dass z.B. Durchblutungsstörungen akut werden können und dass wir Maßnahmen zu einem späteren Zeitpunkt deutlich erweitern müssen. Das reicht bis zur erhöhten Gefahr von Amputationen“, so Rainer Stengel.

Kollege Nils Walter bestätigt aus chirurgischer Sicht: „Wir operieren Patienten derzeit mit viel schlimmeren Befunden. Diese hätte man vor sechs Wochen operieren müssen. Es gibt etwa Krebspatienten, die einen viel ausgeprägteren Befund haben, weil weder in der Diagnostik, noch in der Behandlung etwas passiert ist. Und je länger man wartet, umso schlechter ist das Ergebnis, egal was ich als Arzt tue.“ Für die nächste Zeit befürchtet er, dass bei schwereren Befunden in dieser Folge auch die Verweildauer im Krankenhaus länger werden dürfte sowie auch der Anteil derer, die auf der Intensivstation zu versorgen seien.

„Vor der Corona-Pandemie hatten wir eine Wartezeit für geplante Eingriffe von etwa drei bis vier Wochen. Diese Zeit wird steigen, je mehr Menschen Eingriffe weiter aufschieben.“ Damit nehme auch die Gefahr zu, dass vermehrt entschieden/priorisiert werden muss, wer gleich und wer später zu behandeln wäre.

„Für die stationären Aufnahmen haben wir Kapazitäten, die sich an einer gewissen Grenze befinden, weil ja nach wie vor Betten für etwaige Isoliermaßnahmen bereitstehen müssen“, betont Rainer Stengel die aktuelle Situation. Für Dinge, die ambulant durchgeführt werden dürften wie z.B. Magen- oder Darmspiegelungen und Ultraschalluntersuchungen habe es bislang eine überschaubare Wartezeit von drei Wochen gegeben. „Mittlerweile hat sich diese Zeit verdoppelt, bei Ultraschalluntersuchungen sind wir sogar bei schon acht bis zwölf Wochen“. Auch dabei würde es immer wieder auch Befunde geben, „die chirurgisch oder internistisch zu behandeln sind und die nun eben auch erst zeitverzögert gesehen werden“.

Folgen nicht getroffener Diagnosen oder fehlender Behandlungen entwickeln sich damit zum eigentlichen Problem. Denn, „die Menschen können in großer Sicherheit zu uns kommen“, erklärt Chefarzt Stengel.

„Die größte Angst ist ja, sich im Krankenhaus anzustecken. Dass das jedoch nicht passiert, dafür tragen wir Sorge.“ Das fange damit an, dass nicht mehr über vier oder fünf Türen der Zugang zum Haus möglich ist, sondern hinter der Tür zur Notaufnahme anhand eines Fragebogens potenzielle Gefahren ergründet und im Verdachtsfall Patienten auch isoliert werden, „bis wir wissen, dass ein Patient tatsächlich coronafrei ist“. Stengel betont, dass es zwar nirgends im Leben eine 100-prozentige Sicherheit gäbe, „aber wir halten die Sicherheit so hoch, dass man mit einem guten Gefühl zu uns kommen kann.“ Ein Mund-Nasen-Schutz ist beispielsweise bei allen Transporten Pflicht; in den Zimmern selbst schränken solche die Patienten jedoch nicht ein. „Bei jedem mit schon geringen Erkältungssymptomen wird gleich ein Abstrich vorgenommen.“
„Vergleichen Sie die Sicherheitsmaßnahmen in den Krankenhäusern, mit dem, was in den Geschäften oder im normalen öffentlichen Raum stattfindet. Im Krankenhaus geht alles sehr deutlich darüber hinaus“, wirft Chefchirurg Nils Walther ein und erläutert: „Die Wahrscheinlichkeit, dass man sich im Krankenhaus infiziert, ist aus meiner Sicht nicht größer, als wenn sie irgendwo einkaufen gehen – im Gegenteil: Beim Einkaufen werden sie ja nicht gescreent. Wir schauen hingegen nach Risikopatienten, um diese isoliert zu behandeln, ehe nach einem Abstrich klar ist, dass der betreffende negativ getestet wurde. Wir müssen uns ja auch selber schützen.“ Wenn jemand komme, der im Verdacht der Covid-Erkrankung stehe, dann dürfe dieser ohnehin nicht aufgenommen werden, dafür seien letztlich explizit andere Krankenhäuser bestimmt worden wie z.B. das Carolus-Krankenhaus in Görlitz. Die Kliniken im Landkreis hätten untereinander über das Landratsamt jedoch einen kurzen Draht. Unterschiede in der Handhabung der Hygieneregelungen gäbe es daher nicht, sagt Rainer Stengel.
Nils Walther geht auch in seinem Privatleben ganz rational an die Sache ran. „Wenn ich nach Hause komme, wasche ich mir als erstes die Hände mit Seife. Das habe ich früher nicht immer getan. Ein Desinfektionsmittel habe ich daheim jedoch nicht, das ist unnötig. Dass wir uns nach jedem Kontakt im Krankenhaus die Hände desinfizieren ist hingegen gar nicht neu, das haben wir auch schon vor der Pandemie so gemacht.“
Rainer Stengel betont: „Lästig ist für Patienten derzeit im Grunde nur, dass man nicht mehr so einfach ins Krankenhaus rein- und rausgehen kann.“ Aber genau das sei letztlich ein Teil eines verantwortlichen Hygienekonzepts. Wir haben einen klaren medizinischen Auftrag, wir haben aber auch einen diakonischen Auftrag“, fügt er an. Dies sei wichtig, da gerade bei kritischen Krankheitsverläufen Kontakt zu Angehörigen stattfinden dürfe und auch müsse. Dennoch werde auch dabei genau auf die hygienischen Vorgaben geschaut. „Es gibt immer mal Reibungspunkte, wo wir nicht so schnell sein können wie es erwartet wird oder wie wir wollen, aber es ist überhaupt keine Frage, dass Angehörige zu Besuch kommen können und vielleicht auch Abschied nehmen müssen. Auch solche Kontakte würden in Würde und dennoch bei Einhaltung hygienischer Richtlinien ermöglicht.
 

Till Scholtz-Knobloch / 31.05.2020

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