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Die dicht gedrängten Tage des MP in Görlitz

Die dicht gedrängten Tage des MP in Görlitz

MP M. Kretschmer und OB O. Ursu ließen sich von Bärbel Reichel und Uta Möller vom Steinmetzbetrieb Reichel bei Einweihung eines Sendemastes am Grünen Graben en passant in die Geschichte des Betriebes und Besonderheiten der Steinmetzkunst einführen.

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Stößchen! Der Ministerpräsident mit dem japanischen Firmenchef von Sysmex Partec und dem Görlitzer Geschäftsführer Michael H. Esther (links). Foto: Till Scholtz-Knobloch

Das Strickmuster ist stets gleich. Um den engen Terminplan eines Ministerpräsidenten drängen sich herausragende Termine an einem Ort. Der 17. Januar war wieder so ein Tag politischer Synergien. Michael Kretschmer wohnte einem Richtfest, der Einweihung einer neuen Sendeanlage und dem Neujahrsempfang des Oberbürgermeisters in seiner Heimatstadt bei. Die Botschaften waren aufeinander abgestimmt.

Görlitz. Zu mittäglicher Stunde rauschte Michael Kretschmer in der Arndtstraße heran. Innenstadtnah hatte hier der japanische Hersteller von Diagnosetechnik „Sysmex Partec“ zum Richtfest der neuen Lager- und Produktionshalle geladen. Der „Senior Vice President“ am Standort Görlitz Michael Esther betont gegenüber dem Niederschlesischen Kurier, dass der japanische Konzern das außerjapanische Geschäft weitgehend nach Görlitz verlagert hat. „Hier ist der Standort der Technologie, neu ist nun für uns der weltweite Versand. Wir sind alleiniger Produzent bestimmter Geräte im Konzern“, so Esther. Bislang sei die Auslieferung von Außenlagern erfolgt. Seine englische Titulatur beruht auf der komplett in englischer Sprache geführten Unternehmenskommunikation. Neben häufigen Skype-Konferenzen sowie japanischen Mitarbeitern in Görlitz reise er selbst einmal im Quartal an den Unternehmenssitz im japanischen Kobe.

Für dreieinhalb Millionen Euro investiert das mit etwa 150 Mitarbeitern in Görlitz präsente Unternehmen nun dort, wo bis zum letzten Jahr die verkommene einstige Kantine des Feinoptischen Werkes stand. Das neue Gebäude wird ab 1. April für die Produktion von Halbzeugen aus Metall, Kunststoff und elektronischen Kleinbauteilen, die Fertigung und Montage von medizinischen und biotechnologischen Analysegeräten und deren Zubehör sowie deren Verpackung, Lagerung und den weltweiten Versand genutzt. Bei Sysmex Partec entstehen u.a. HIV-Schnelltestgeräte, für die es vor allem Abnehmer in Afrika gibt.

„Die mikrobiologische Qualitätskontrolle hingegen geht eher in entwickelte Industrieländer wie die USA, Kanada, Lateinamerika, Europa, China oder Japan“, so Michael Esther, der das Richtfest nutzte, beim Ministerpräsidenten schnelle Bahnanbindungen nach Berlin oder Dresden einzufordern. Diese seien am Standort ebenso notwendig wie gute ÖPNV-Verbindungen für die von den Dörfern kommenden Mitarbeiter. Die Betonung der Anbindung an Berlin und Dresden wirkt wie abgesprochen, denn der Ministerpräsident macht dies ebenso zu seiner zentralen Botschaft seiner Rede.

Derzeit werden bei Sysmex Partec Ingenieure für Optik und Elektronik gesucht, da man Wachstumschancen bei Anwendungen für die Lebensmittelindustrie sieht. Zur Frage, wie groß das Mitarbeiterpotenzial in der innerstädtischen Lage sei, betont Michael Esther: „Wir wollen ein Hightechunternehmen sein und schaffen mehr über Rationalisierung und Effektivitätssteigerung als über die pure Expansion oder Manpower. Wir sind letztlich eine Manufaktur und produzieren auf Kundenwunsch hin.“

Ohne dass der Standort Görlitz abendlich in der ARD-Tagesschau genannt wird, gibt der Ministerpräsident am Ort des Richtfestes noch eine Stellungnahme zur Berliner Kohlerunde tags zuvor. Trotz Kohleausstieg sollten die Infrastrukturen nicht völlig aufgegeben werden, letztlich müsse man auch in schwierigen Tagen noch auf konventionelle Energieträger bauen können. Geschickt meidet Kretschmer dabei den Wortschatz vom Erhalt von Kraftwerken, der dennoch damit im Raum steht.

Kampf gegen weiße Flecken

Mit halbstündiger Verspätung zieht der Tross anschließend zu einer anderen infrastrukturellen „Baustelle“ der Lausitz weiter. Mit Vodafone-Vertretern nimmt Michael Kretschmer im Anschluss eine Erweiterung einer Mobilfunkstation am Grünen Graben in Betrieb. Durch Erweiterung der Sendekapazitäten ist nun eine stabile Mobilfunkversorgung auf deutscher Seite möglich. Damit setzt der Düsseldorfer Digitalisierungskonzern eine Ver-pflichtung aus dem sächsischen Mobilfunkpakt um. Bis zum Jahresende sind entlang der Lausitzer Neiße im Freistaat mehr als 154 Ausbaumaßnahmen an 134 Standorten geplant.

Michael Kretschmer betont in einem Pavillon beim Steinmetzbetrieb Reichel gegenüber des auf einem Schornstein thronenden Sendemastes: „Nach intensiven Gesprächen hat die Bundesnetzagentur die grenzüberschreitende Koordinierung der Frequenznutzung vereinfacht. Dadurch können jetzt auch die Funklöcher an der deutsch-polnischen Grenze geschlossen werden. Das Hochfahren der Funkleistung in Görlitz wird zu einer spürbaren Verbesserung der Mobilfunkversorgung für Unternehmen und Bürger führen.“
„Vodafone arbeitet mit Hochdruck am Ausbau des Mobilfunknetzes für Sachsen“, sagte Gerd von der Osten, Abteilungsleiter Network Deployment bei Vodafone Deutschland. „Dafür investieren wir nachhaltig in den Netzausbau im Freistaat. Zum 31. Dezember 2019 haben wir unsere Versorgungsverpflichtung mit 99 Prozent für sächsische Haushalte deutlich übererfüllt, gleichwohl geht der Netzausbau natürlich weiter. Nach der Weichenstellung durch die Politik können nun die grenznahen Regionen wesentlich vom LTE-Ausbau profitieren. Grundlage war die Vereinfachung des gesetzlichen und technischen Koordinierungsaufwandes. Neben dem flächendeckenden LTE-Ausbau arbeiten wir auch intensiv am Ausbau der Mobilfunktechnologie der Zukunft 5G.“

Am 27. August 2019 hatten der Freistaat Sachsen und die drei großen Mobilfunkbetreiber Vodafone Deutschland, Deutsche Telekom AG und Teléfonica Germany GmbH & Co. OHG einen Mobilfunkpakt geschlossen. Darin hat sich der Freistaat bereit erklärt, zur Schaffung eines investitionsfreundlichen ordnungspolitischen Rahmens auf Bundesebene hinzuwirken. Darüber hinaus soll die Zusammenarbeit aller am Mobilfunkausbau beteiligten Akteure in einer „Task Force“ koordiniert werden. So sollen unter anderem die Genehmigungsprozesse für Mobilfunk- und Infrastrukturbetreiber vereinfacht werden. Außerdem wird der Freistaat geeignete Liegenschaften des Landes für den Mobilfunkausbau zur Verfügung stellen. Die genannten Telekommunikationsunternehmen haben ihrerseits Maßnahmen zum Schließen „weißer Flecken“ zugesagt. Bis 2022 sollen in Sachsen mindestens 1.050 neue 4G/5G-Mobilfunksendeanlagen neu gebaut und die Standorte in den Grenzregionen auf volle Leistung gebracht werden. Im IV. Quartal 2020 wird dann die Umsetzung der Ziele evaluiert.

Arbeitsteilung wird sichtbar

Auch wenn der Ministerpräsident am Abend dem Neujahrsempfang von Oberbürgermeister Octavian Ursu zusätzlichen Glanz durch sein Beisein verleiht und in seiner Rede erneut den Strukturwandel und Infrastrukturprojekte beschwört, so tritt der Macher aus Dresden nun zugunsten des auserkorenen Umsetzers in Görlitz zurück. Ursus Auftritt überzeugt in der neuen Schenckendorffsporthalle neben der Jägerkaserne die breite Görlitzer Parteienlandschaft mit Ausnahme der Linken – Mirko Schultze deutet Ursus Worte später als Rückgriff auf Fortschrittsideen der 90er Jahre. Aber wohl eher aus politischem Prinzip.

Statt einer üblichen Rede wählt die Choreographie des Abends die separate multimedial und durch Gesprächsgäste begleitete Präsentation von Projekten. Axel Krüger, Kommunikationsexperte und Vorstandsmitglied bei Motor Görlitz meinte gar: „Dieser Abend hat Lust auf Zukunft gemacht.“ Besonders faszinierte Gäste die Idee, Görliwood durch eine Ausbildungsakademie aufzuwerten, die z.B. Handwerker gezielt auf Erfordernisse am Set hin fit macht. Vielleicht wird Görlitz dann noch häufiger „gebucht“.

Till Scholtz-Knobloch / 26.01.2020

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