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„Diese Freiheit – das ist schon krass"

„Diese Freiheit – das ist schon krass"

Die 16-jährige Rothenburgerin Emilia Scholte steht kurz davor sich endlich auch allein in die Lüfte erheben zu dürfen. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Die Görlitzer Segelflieger bereiten sich auf die neue Saison vor. Und mancher der derzeit acht Flugschüler hat den Traum, Pilot großer Passagierflugzeuge zu werden. Das ist gar nicht so abwegig, wie man vielleicht denkt.

Görlitz. 16 Jahre ist das Alter, in dem Jugendliche sich oft von ihren Eltern lösen und ihren eigenen Weg gehen. Für Emilia Scholte gilt das zumindest an den Wochenenden nicht. Die 16-jährige Rothenburgerin begleitet dann ihren Vater Nikolai Scholte nach Görlitz. Doch während dieser den Wagen nach Görlitz lenkt, darf Emilia nun bald allein durch die Lüfte segeln. „Diese Freiheit in der Luft und die Kontrolle, die man spürt – das ist schon krass“, meint die schüchterne junge Dame, die sich familiär vom Fliegerbazillus hat infizieren lassen.

„Insgesamt acht junge Leute haben wir mittlerweile schon“, zählt Nikolai Scholte vom Görlitzer Flugsportclub durch. Und das sollen auch noch einige mehr werden. Den Grund, dass es nicht bereits mehr sind, vermutet Scholte im Image des Flugsports als elitäre Sportart, bei der man hohe Kosten wittert. Doch dem sei eigentlich nicht so. „Ich denke nicht, dass wir ein teures Hobby betreiben, wenn ich einen Vergleich mit anderen Sportarten ziehe. Es ist eher zeitaufwändig. Die Ausbildung zieht sich meist über zwei bis mitunter vier Jahre hin und ist finanziell etwa mit dem Pkw-Führerschein vergleichbar.“ Er selbst sei im vergangenen Jahr etwa 20 Stunden in der Luft gewesen und habe damit Kosten von etwa 300 bis 350 Euro gehabt. Die Fluggebühr richte sich dabei nach Flugzeugtyp und Flugminuten. Hinsichtlich des Starts muss er überlegen. „Ich glaube so 2,50 Euro kostet der Start durch eine Winde“.
Derzeit läuft noch die Winterwartung der Flugzeug- und übrigens auch der Windentechnik auf dem Landeplatz Görlitz, um die kommende Flugsaison abzusichern. Hierbei werden natürlich auch die jungen Flugschüler in die Abläufe eingebunden – so erlernen sie technisches Grundwissen und erhalten den notwendigen Einblick in die Welt der Flugzeugtechnik. Eine besondere Herausforderung war in diesem Winter gerade die Umrüstung der Startwinde von Stahlseilen auf die moderneren und effizienteren Kunststoffseile. Zudem erwarb der Flugsportclub Görlitz ein modernes Leistungssegelflugzeug vom Typ DG300, das den in die Jahre gekommenen Jantar Standard 3 ersetzt.

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Sebastian Schollbach hat den Sprung vom Segelflugzeug in Görlitz in eine Boing geschafft. Foto: privat

Auf diesem neuen Flugzeug wird auch die Fortgeschrittenenschulung der Flugschüler durchgeführt werden.
Vereinsvorsitzender Robert Grau erläutert. „Mit der Winde kann man jedoch nur auf eine Höhe gebracht werden, die sich aus der Länge des Seils ergibt, beim Start durch ein Motorflugzeug kann man dem Piloten hingegen sagen, er solle einen über die Landeskrone schleppen oder über die Windräder nach Ludwigsdorf oder die Königshainer Berge – und zwar auf eine viel größere Höhe.“
Von den acht Jugendlichen, die im Görlitzer Flugsportclub derzeit ihre Pilotenlizenz erwerben möchte die Hälfte später einmal im Cockpit eines Verkehrsflugzeugs sitzen. Dass dies durchaus möglich ist, beweisen einige Werdegänge ehemaliger Görlitzer Flugschüler. So sind heutige Kampfhubschrauber- und Airlinepiloten ihre ersten fliegerischen Schritte im Verein gegangen. Sebastian Schollbach etwa hat hier seine Segelflugausbildung abgeschlossen und ist mittlerweile als Pilot einer Boeing 777, dem größten zweistrahligen Verkehrsflugzeug der Welt, auf der ganzen Welt unterwegs. Er hat seinen Traum vom Berufspiloten erfüllt, damit begonnen hat er im Görlitzer Flugsportclub.

Während Emilia Scholte so weit noch nicht denkt, hat Maximilian Nüstedt diesen Traum im Grunde schon viele Jahre fest im Visier. „Seit meiner Kindheit habe ich Interesse am Fliegen“, betont er. Er habe mit den Eltern häufig im Flugzeug Urlaubsreisen unternommen und habe sich nach seinem Umzug von Bremen nach Görlitz gleich umgeschaut, wo hier ein Flugplatz sei. „Ich bin einfach mal rausgekommen und sehr nett von den Leuten im Verein aufgenommen worden“.

Der Schüler des Augustum-Annen-Gymnasiums hat auf Instagram Werbung gemacht und auch gleich zwei Mitschüler seines Gymnasiums bereits mitgezogen. „Wir hatten auch schon einen jungen Mann, der eine umfassende Hausarbeit für die Schule über den Flugbetrieb verfasst hat. Auch das war eine Werbung, die Schüler angesprochen hat“, wirft Nikolai Schulte in das Gespräch ein. Aber Segelfliegerei und der Traum vom großen Fliegen? Sowohl Schulte als auch Nüstedt erheben ihre Stimme: „Die Segelfliegerei ist gerade eine sehr gute Voraussetzung, denn das Segelfliegen ist das eigentliche Fliegen. Wer das kann, der schafft es letztlich auch eine große Boing zu fliegen wie das von uns ja bereits Sebastian Schollbach bewiesen hat.“ Die Segelflieger hätten eben ein Verständnis für die Physik des Fliegens. „Das ist keine Computerfliegerei und besser als jeder Simulator“, sagt er, während Maximilian Nüstedt ergänzt: „Viele Piloten sagen heute doch, ihr beruf sei einer wie viele andere auch. Das ’richtige’ Fliegen betreiben manche aus Leidenschaft dann sogar noch im Verein.“

Wer Interesse an der Fliegerei hat, ist bei den Görlitzer Fliegern also immer gern gesehen und kommt am besten an einem Sonnabend vorbei, um neben der Fliegerei auch das Drumherum zu schnuppern. Ab 9.00 Uhr sind die Vereinsmitglieder dann in der Regel auf dem Flugplatz zu finden und beantworten gerne Fragen zu Ausbildung und Technik.

Der Umgang ist ungezwungen und praktisch. Oft sitzen die Vereinsmitglieder vor oder nach gemeinsamer Arbeit an ihren Fluggeräten beisammen und besprechen die Aufgaben – gänzlich unelitär in lässiger Alltagskleidung, die nicht behindert. Erst in zweiter Linie sind natürlich auch formelle Dinge zu erledigen. So zog der Verein dieser Tage Bilanz, denn im März führten die Görlitzer Flugsportler auch ihre diesjährige Mitgliederversammlung durch. Da die satzungsgemäße Amtszeit des Vorstandes abgelaufen war, wurde dieser neu gewählt. Der alte Vorstand ist auch der Neue! Die Mitglieder sprachen dem 1. Vorsitzenden Robert Grau, Schatzmeister Heinz-Dieter Schüch, Ausbildungsleiter Steffen Czarschka sowie dem technischen Leiter Sebastian Franke ihr Vertrauen für die nächsten fünf Jahre aus.

Sehr zufrieden zeigte man sich bei der Auswertung der vergangenen Flugsaison. Da es das Wetter im vergangenen Jahr besonders gut mit den Segelfliegern meinte, konnten die Anzahl der Starts, die Gesamtflugzeiten und die geflogenen Streckenkilometer mit Vereinsflugzeugen im Vergleich zum Vorjahr bedeutend gesteigert werden. So stehen 1.491 Starts mit einer Gesamtflugzeit von 407 Stunden in den Bordbüchern.

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Vor dem Start ist Segelfliegerei auch Teamwork, wie hier Maximilian Nüstedt (im weißen T-Shirt) erlebt. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Der Görlitzer Flugsportclub, der zwei Einsitzer, einen Doppelsitzer, ein Motorflugzeug und einen Motorsegler sein Eigen nennt – hinzu kommen private Segler –, führte im vergangenen Jahr sein Fliegerlager in Simsdorf (Szymanów) bei Breslau durch. Auch über dessen Verlauf gab es nur zufriedene Gesichter. Gerade für die jungen Flugschüler bedeutete das Fliegerlager erstmals, wichtige fliegerische Erfahrungen auf einem fremden Flugplatz und noch dazu im Ausland zu sammeln. Zudem waren die Görlitzer Flugsportler Gastgeber für zwei Vereine, aus Böblingen und Verden, die ihre mehrwöchigen Fliegercamps am hiesigen Flugplatz durchführten. Das Feedback war so gut, dass die Böblinger Flugsportler in diesem Jahr erneut in Görlitz gastieren werden.

Till Scholtz-Knobloch / 05.04.2019

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Kommentare zum Artikel "„Diese Freiheit – das ist schon krass""

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Erhard Jakob schrieb am

    Im alter von 16 Jahren am ich in Klix auch meine Segelflug-Ausbildung gemacht und die Prüfung bestanden. Das alles für einen GST-Mitgliedsbeitrag von 75 Pfennig (DDR) monatlich. Für diesen Betrag konnten wir einen ganzen Monat Segelfliegen. Das war schon krass!

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