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Foodsharer wollen aufs Rad umsatteln

Foodsharer wollen aufs Rad umsatteln

Verzehrbare Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Milch, aber auch Joghurt, Käse oder Wurst lassen sich in den sogenannten Fairteilern der Foodsharer abgeben. Dafür wirbt in Bautzen seit 2020 Christin Wegner und ihr Team. Foto: Archiv

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Fairteiler auf zwei Rädern: Dieses Vehikel soll bald an verschiedenen Orten in Bautzen anzutreffen sein. Foto: privat

In den zurückliegenden Jahren bildete sich bei zahlreichen Menschen ein verändertes Bewusstsein für Lebensmittel. Einen Anteil daran haben die Aufklärer der Foodsharing-Bewegung. Seit 2020 sind diese auch in Bautzen aktiv. Über mehrere Abgabestellen verteilen sie nicht nur Obst und Gemüse und retten es so vor dem Wegwerfen. Demnächst soll dieser Service um eine mobile Form erweitert werden.

Bautzen. Der Frühling naht mit großen Schritten. Bautzens Foodsharer, deren selbsterklärtes Ziel es ist, der auch in der Oberlausitz anzutreffenden Wegwerfkultur ein Stück weit Einhalt zu gebieten, wollen umsatteln. Aufs Fahrrad. Der mit Lebensmitteln vollbepackte Drahtesel soll möglichst ab Mitte März an verschiedenen Standorten in der Spreestadt zu finden sein. Zugreifen kann dann ein jeder der will. Allerdings fehlt den rund 50 Mitstreitern im Alter von 18 bis 63 Jahren noch die notwendige Genehmigung dafür. „Wir sind da guter Hoffnung, dass wir diese vonseiten der Stadt zeitnah bekommen“, meint Christin Wegner. Aus dem Rathaus verlautete dazu auf Anfrage: „Der besagte Antrag auf Sondernutzung ist im entsprechenden Amt eingegangen und wird derzeit bearbeitet. Da mehrere Orte im Stadtgebiet angegeben wurden, an dem der Fairteiler aufgestellt werden soll, ist die Bearbeitung umfänglich. Ein Ergebnis wird zeitnah vorliegen und den Antragsstellern mitgeteilt.“ 

Das sogenannte Foodsharing war vor zwei Jahren in Bautzen etabliert worden. 
Zunächst begann alles in Höhe des Postplatzes mit einer Basis samt Regalen und Kühlschrank, über die sich Nahrungsmittel kostenlos beziehen lassen. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, nicht verdorbenes Obst, Gemüse und andere verzehrbare Dinge anzuliefern, um so zu verhindern, dass am Ende all das unangetastet im Müll landet. Im Laufe der Zeit existierten sogar Pläne, in Eigenregie Kartoffeln auf einem Feld in Oberkaina anzubauen und diese an den Mann oder die Frau zu bringen. Davon sind die Aktivisten jedoch inzwischen abgerückt, wie die 34-Jährige gegenüber dem Oberlausitzer Kurier einräumte. „Es gibt kein Feld mehr seit diesem Jahr, weil wir uns neuen Projekten widmen wollen“, betonte sie. „Wenn Corona es zulässt, möchten wir mehr Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit betreiben, um unsere Arbeit für andere Menschen transparenter zu gestalten. Zudem wollen wir am Tag der Lebensmittelverschwendung, der auf den 2. Mai fällt, erneut mit einer Aktion auf das Thema aufmerksam machen. Darüber hinaus sind wir bestrebt, der Clean-up-Bewegung ‚Bautzen räumt auf‘ unter die Arme zu greifen.“ Dazu habe es bereits erste Gespräche gegeben. 

Aktuell legt Christin Wegner verstärkt den Fokus auf die Arbeit in den sozialen Netzwerken. Das hat auch einen guten Grund: „In der Vergangenheit zeigte sich, dass auf diese Weise Kooperationen mit Betrieben entstehen können und das sollte ein weiteres Ziel in diesem Jahr sein. Insbesondere wenn die Gastronomie jetzt wieder öffnen kann, stehen Restaurants für uns Lebensmittelretter im Mittelpunkt.“ Und noch etwas brennt ihr auf den Nägeln: „Ich möchte gern Tipps geben, wie sich Lebensmittel verwerten lassen, um zu zeigen, dass beispielsweise eine braune Banane nicht weggeschmissen werden muss. Auch möchte ich aufzeigen, was wir in der Lage sind zu retten, um so ein Bewusstsein für die Mengen an Lebensmittel zu schaffen, die sonst versteckt einfach in den Abfall wandern würden. Schlussendlich sollen dann unter anderem die Gastronomen und Händler aus dieser Transparenz heraus entscheiden, ob sie uns ihre unverkäuflichen Lebensmittel geben und damit unseren Grundgedanken unterstützen möchten. Die Aufklärungsarbeit erachten wir als einen ganz wichtigen Bestandteil unseres Tuns, um ein Umdenken hinsichtlich der Lebensmittelwertschätzung zu erreichen.“ 

Dass vor dem gesamten Hintergrund bislang eine Kooperation mit dem Bautzener Tafelverein nicht so zustande kam, wie es sich die Foodsharer einst vorgestellt haben, bedauert die Bundeswehrangestellte. Dabei wäre eine solche Zusammenarbeit nicht nur für sie sehr wünschenswert. „Weil wir in anderen Städten erleben, wie gut und produktiv diese sein kann.“ An der Spree sei die aktuelle Situation eher verzwickt: „Die Tafel holt stellenweise an den Wochenenden oder an Feiertagen keine Lebensmittel ab, da sie da keinen Bedarf für die Ausgaben und wahrscheinlich kein Personal haben (der Oberlausitzer Kurier konnte dies zum Redaktionsschluss nicht überprüfen, Anm. d. Red.). Da wir flexibel in unserer Arbeit sind, könnten wir diese Abholungen gewährleisten, damit diese Lebensmittel nicht weggeworfen werden müssten. Wir wollen, und das betone ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich, der Tafel keine Konkurrenz sein beziehungsweise ihr Lebensmittel wegnehmen.“ Fest stehe aber auch, dass die Foodsharer reichlich Abnehmer dafür hätten. „Notdienste beispielsweise rufen uns regelmäßig an und erkundigen sich nach Verpflegungspaketen. Weil sie wissen, dass wir schnell und unbürokratisch helfen können.“ Dass die Foodsharer inzwischen aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken sind, zeige der Zuspruch, auf den sie verweisen. „Mittlerweile haben wir seit vielen Wochen im Mehrgenerationenhaus im Stadtteil Gesundbrunnen mittwochs eine Lebensmittelausgabe“, erklärte Christin Wegner. „Diese wird ebenfalls gut angenommen und gibt den Menschen dort die Chance, gerettete Nahrungsmittel empfangen zu können. Wir haben das Ganze angefangen, weil so ein hoher Andrang am Fairteiler war.“ 

Mit der Idee, am Postplatz einen kostenlosen Nahrungsmitteltausch zu etablieren, punktete die Initiative im Jahr 2020 beim Ideenwettbewerb „MitmachFonds Sachsen“. Dank der Prämie in Höhe von 780 Euro sowie des ehrenamtlichen Einsatzes von zahlreichen Menschen ließ sich das mit Regalen und Kühlschrank ausgestattete Domizil schaffen. Selbst über den Ehrenamtspreis des Landkreises und Geld aus dem Bürgerhaushalt durften sich Christin Wegner und ihr Team freuen. „Von ersterem haben wir unseren Fairteiler mit Botschaften rund um das Thema Lebensmittelverschwendung bekleben können. Die zweite Zuwendung nutzten wir für weitere nachhaltige Hochbeete im Bereich Wallanlagen.“ Oftmals würden sogar Pflanzen gerettet. Auf diese Weise hätten die Foodsharer gemeinsam mit der Stadttochter BBB einer dunklen Ecke zwischen Fairteiler und Postplatz einwenig Farbe verleihen können. 

Zurück zu den Lebensmitteln: Was den Verzehr anbelangt, erfolge dieser auf eigene Gefahr, so die Foodsharing-Botschafterin. „Jedoch gibt es immer jemanden in unseren Reihen, der die Bestände auf deren Genießbarkeit kontrolliert. Wir reinigen den Fairteiler mindestens einmal pro Tag. Dafür gibt es einen festen Putzplan.“ In dem Zusammenhang sparte sie erneut nicht mit Kritik. „Für viele ist ein abgelaufenes Mindesthaltbarkeitsdatum Grund genug, um Lebensmittelprodukte in die Mülltonne zu werfen. Dagegen möchten wir etwas unternehmen. Die Rede ist nämlich davon, dass die Erzeugnisse durchaus länger genießbar sind. Das liegt nun einmal in der Natur des Wortes ‚mindestens’. Die Leute müssen zu einem Umdenken gebracht werden.“ Und das hat in Bautzen bei vielen Menschen bereits begonnen. 

Roland Kaiser / 05.03.2022

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