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„Länger zu warten 
ist keine Option“

„Länger zu warten 
ist keine Option“

Martin Walde (li.) als Mitinitiator und Hagen Domaschke als Wahlleiter bekennen sich zu den Zielen des Serbski Sejm.

Acht Jahre nach der erstmaligen Vorstellung wird es ernst: Bis zum Jahresende soll der Serbski Sejm, die demokratisch legitimierte sorbische Interessenvertretung, gewählt sein.

Region. 2011 schwirrte erstmals die Forderung nach einem (damals noch so genannten) „Serbski Sejmik“, einer demokratisch legitimierten Vertretung der Sorben, durch den politischen Raum. Bis 2014, so hieß es damals, solle diese neue Institution arbeitsfähig sein. Zwischenzeitlich wurde es jedoch still um die Initiative. Doch jetzt ist sie mit dem am 1. Mai in Schwarzkollm veröffentlichten Wahlaufruf für den „Serbski Sejm“ wieder höchst präsent. Wir unterhielten uns mit den Mitinitiatoren Martin Walde und Thomas Zschornak sowie mit Wahlleiter Hagen Domaschke.

Herr Walde, Herr Zschornak, warum gibt es den Serbski Sejm nicht schon längst?

Zschornak: Es ist manchmal interessant, mit den eigenen Aussagen von vor mehreren Jahren konfrontiert zu werden. Wir haben damals wirklich gedacht, es würde nur ein halbes Jahr dauern. Doch die Kräfte, die auf dem bisherigen Zustand beharren wollen, sind viel stärker als angenommen. Wir wollten den Serbski Sejm aus der Domowina (Domowina – Bund Lausitzer Sorben e.V., Anm. d. Red.) heraus auf die Beine stellen, um sie zu stärken. Wir hatten erkannt, dass uns die vorhandene Struktur als Verein in dem Bemühen, das sorbische Volk zu vertreten, nicht voranbringen. Ein Verein ist immer nur Bittsteller, er kann nicht auf Augenhöhe mit den politisch Verantwortlichen verhandeln. Viele sahen unsere Bemühungen als Attacke gegen die Domowina, was sie aber gar nicht waren. Im Gegenteil.

Walde: Wir wollten auch auf höherer Ebene ins Gespräch kommen, doch die Politik reagiert nicht. Sie sagt, ’das müssen die Sorben selbst entscheiden’, spricht aber nur mit der Domowina. Das ist paradox.

Und warum soll der Serbski Sejm ausgerechnet jetzt gewählt werden?

Zschornak: Auch wenn es eine Zeitlang ruhig um uns war, so haben wir doch kontinuierlich weitergearbeitet.

So haben wir uns nach Finanzierungsquellen umgeschaut. Die Stiftung für das sorbische Volk hat unseren Antrag abgelehnt, da sie keine politische Arbeit unterstützen dürfe. Deshalb müssen wir, die Initiatoren, die Wahl aus eigener Kraft, also aus privaten Mitteln und aus Spenden, stemmen. Noch länger zu zögern ist aber keine Option. 2019 sind Wahlen in Sachsen und Brandenburg, und bis 2020 wollen wir nicht warten.

Wie ist heute Ihr Verhältnis als Initiatoren des Serbski Sejm zur Domowina?

Walde: Wir haben erkannt, dass wir unseren Weg nicht aus einer Vereinsstruktur wie der Domowina heraus gehen können. Diese Struktur wäre dem Anliegen nicht adäquat. Maria Michalk vom Rat für sorbische Angelegenheiten behauptete jüngst im sächsischen Landtag, ein Verein sei die demokratischste Form der Mitbestimmung, die es gibt. Doch das ist grotesk, wenn man sich ins Bewusstsein ruft, wie die Demokratie in unserem Staat aufgebaut ist. Natürlich gibt es auch in einem Verein Wahlen, aber nur unter den Mitgliedern. Alle Anderen bleiben außen vor. Das hat mit einem wirklich demokratischen Wahlrecht nichts zu tun. Wir wollen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts bilden, diesen Anspruch hat die Domowina aufgegeben. Sie will lieber ein Verein bleiben. Ich habe selbst als Präsidiumsmitglied darum gekämpft, die Domowina zu einer durch Wahlen legitimierten politischen Interessenvertretung des sorbischen Volkes umzugestalten. Doch dafür gab es im Vorstand keine Mehrheit. Die Chance wurde bereits 1990 verpasst.

Domaschke: Wir machen eigentlich nur die Hausaufgaben, welche die deutsche staatliche Seite von uns Sorben fordert: Uns endlich einig zu werden. Dafür bietet die Wahl zum Serbski Sejm eine große Chance. Wir sind stark daran interessiert, dass sich viele Domowina-Vertreter zur Wahl stellen. Wir streben keine Konkurrenz an.

Herr Domaschke, Sie sind zum Wahlleiter berufen worden. Könnten Sie sich bitte kurz vorstellen?

Domaschke: Gern. Ich komme aus einer sorbisch-deutschen Familie aus Hoyerswerda, bin 42 Jahre alt und lebe in Dresden. Auch wenn wir zuhause seit der Generation meiner Eltern nicht sorbisch gesprochen haben, war für mich immer klar, dass ich auch Sorbe bin. Hier in Dresden habe ich lange aktiv nach einer Möglichkeit gesucht, sorbisch zu lernen. Ich engagiere mich im Stup dale-Verein (zur Schaffung sorbischer Bildungsangebote in Dresden, Anm. d. Red.) und spiele in einer Band unter anderem Musik mit sorbischen Texten.
Ich habe meine Bereitschaft erklärt, als Wahlleiter zu fungieren, und wurde durch den Ältestenrat berufen. Das hat freilich den Nachteil, dass ich nicht selbst kandidieren darf.
Wie sind Sie zu den Initiatoren des Serbski Sejm gestoßen?

Domaschke: Ich finde dieses Projekt sehr modern und interessant, gerade in einer Zeit, in der viel über Bürgerbeteiligung und Stärkung der Demokratie gesprochen wird. Der Serbski Sejm verfolgt genau diese Ziele. Wenn er Erfolg hat, kann das positive Auswirkungen weit über das eigentliche Anliegen hinaus haben. Er könnte dazu beitragen, dass Mehrheiten ihr Verhältnis zu den jeweiligen Minderheiten generell überdenken.

Gehen wir davon aus, dass die Wahl erfolgreich verläuft. Wie soll der Serbski Sejm, der ja bislang noch keine gesetzliche Grundlage hat, nach außen wirken?

Domaschke: Zunächst: Eine Wahl ist ein demokratisches Grundrecht. Sie bedarf keiner weiteren gesetzlichen Grundlage. Wir orientieren uns an der Wahlordnung zum Rat für Angelegenheiten der Sorben/Wenden in Brandenburg. Die Europäische Freie Allianz, die im Europaparlament die Rechte von Regionen und Minderheiten vertritt, wird Beobachter entsenden. Das verleiht der Wahl ein ganz anderes Gewicht. Doch tatsächlich: Unsere Wahl und ihr Ergebnis sind zunächst eine reine Privatinitiative. Doch mit ihr erfüllen wir den Wunsch vieler Sorben und die Forderung der deutschen Mehrheit, eine legitimierte sorbische Volksvertretung zu schaffen. Darauf muss dann der zweite Schritt folgen: Verhandlungen mit der Bundesrepublik Deutschland, dem Land Brandenburg und dem Freistaat Sachsen zu einem Staatsvertrag, der alle Rechte und Pflichten regelt. Ziel ist ein weitreichendes Mitspracherecht in allen Belangen, die das sorbische/wendische Volk betreffen, vor allem in den Bereichen Kultur und Bildung, Nutzung natürlicher Ressourcen und Strukturwandel. Die Sorben sollen künftig als Körperschaft des öffentlichen Rechts direkt über die ihnen zur Verfügung gestellten Mittel entscheiden und nicht auf dem Umweg über die Stiftung für das sorbische Volk, in der der Bund und die Länder das letzte Wort haben. Insofern ist es irrig zu glauben, dass mit der Wahl die Arbeit erledigt sei. Sie fängt dann erst richtig an.

Wie fest sind Sie davon überzeugt, dass der Serbski Sejm zustande kommt?

Domaschke, Walde und Zschornak: Felsenfest. Das Interesse an der Kandidatur ist groß. Dabei sind keine Einzelbewerbungen zulässig, die Nominierung muss aus einer Gruppe heraus erfolgen, die sich nachweislich für die Belange der Sorben einsetzt. Damit wollen wir das Unterwandern durch Kandidaten, die nicht hinter den Zielen des Serbski Sejm stehen, verhindern.

Service: Die Wahl zum Serbski Sejm findet als Briefwahl statt. Alle Informationen über das Wahlprozedere, Voraussetzungen und Fristen kann man im Internet unter www.serbski-sejm.de nachschlagen.

Redaktion / 10.07.2018

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