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Sollte es denn in Bautzen eine „Cancel Culture“ geben?

Sollte es denn in Bautzen eine „Cancel Culture“ geben?

Viele Menschen in Bautzen und Umgebung sind nicht immer einverstanden mit dem, was sie als Mainstream bezeichnen. Muss man sie zu Wort kommen lassen oder nicht? Foto: Archiv

In der vergangenen Woche gab es eine gewisse Aufregung um eine Diskussionsveranstaltung, die ursprünglich in der Bautzener Krone stattfinden sollte und dann verlegt werden musste. Das sind die Hintergründe.

Bautzen. Seit mehreren Jahren ist Bautzen für Einige zum Synonym für eine sehr lebendige politische Kultur geworden. Selbst große Fernsehsender wie Arte haben teils mehrteilige Berichte und Reportagen über die Spreestadt ausgestrahlt. Und nach wie vor nehmen jeden Montag hunderte Bürger an Demonstrationen in der Stadt teil. Ein klares Thema gibt es dabei schon lange nicht mehr. Aber es scheint viele Dinge zu geben, die die Menschen umtreiben. Und zu denen sie sich öffentlich äußern wollen. 

Ein ursprünglich bedeutender Katalysator waren sicherlich die Coronamaßnahmen, die besonders auch in der Oberlausitz und auch hier wieder in Bautzen auf teils versteckte, teils offene Gegenwehr stießen. Kaum war das Thema nicht mehr ganz so präsent in der Wahrnehmung, ging es mit dem Krieg in der Ukraine, der damit einhergehenden Energiepolitik und nun auch wegen der zunehmenden Teilhabe der Bundesrepublik am Krieg im Osten Schlag auf Schlag, was die Gründe angeht, die die Leute, besonders am Montag, auf die Straße treibt. Unter diesen befinden sich wohl auch einige zwielichtige Gestalten. Aber auch wenn es von vielen anders gesehen wird, ist prinzipiell das Demonstrationsrecht ein Grundrecht und jeder soll demonstrieren dürfen. Egal mit wem, egal für oder gegen was. Die Verfasser des Grundgesetzes hatten schließlich erlebt, was es bedeutet, wenn Grundrechte nur für einen gewissen Teil der Bevölkerung gelten. 

Aus dem Dunstkreis der Organisatoren oder Sympathisanten der regelmäßigen Montagsdemonstrationen wurde nun ursprünglich für den 9. Februar eine Diskussionsveranstaltung in der Bautzener Krone organisiert. In der Einladung dazu heißt es, dass die Bürgerinitiative „Von Bürgern für Bürger“ unter dem Thema „Krisen und ihre Chancen“ einen Gesprächsabend veranstaltet, bei dem der Publizist Ernst Wolff und der Psychiater Joachim Maaz unter der Leitung des Finanzberaters Alex Quint zu politischen und ökonomischen Themen sprechen sollten. 

Dass es dabei nicht unbedingt regierungskonform zugehen sollte, war aus dem kurzen Vorstellungstext bereits ersichtlich. Und auch die Referentenauswahl offenbarte dem interessierten Publikum, dass hier durchaus Dinge zur Sprache kommen werden, die bei einigen ideologische Bauchschmerzen verursachen. 
Der Großteil der Bevölkerung hätte wahrscheinlich gar nicht gemerkt, dass diese Veranstaltung stattgefunden hat, wenn nicht plötzlich vonseiten der BWB, der Träger der Stadthalle, mitgeteilt wurde, dass die Durchführung der Veranstaltung in der Krone nicht möglich sein wird. 

Eine direkte Anfrage bei der Stadtverwaltung ergab, dass man prinzipiell nicht Betreiber der Krone sei, sondern die BWB und man sich an diese wenden sollen. Da aber der Bautzener Oberbürgermeister, Karsten Vogt, immerhin der Aufsichtratsvorsitzende der BWB ist, und gemeinsam mit einigen Stadträten den Aufsichtsrat bildet, konnte man vermuten, dass die Entscheidung nicht ohne Abstimmung aus dem Rathaus erfolgte. Tatsächlich wird im zweiten Teil der Antwort erwähnt, dass im Laufe der Vertragsanbahnung die BWB Hinweise erhalten habe, dass „die Veranstaltung zu einem Imageschaden der Stadt Bautzen führen könnte“. Nach einem Gespräch mit dem Oberbürgermeister habe sich die BWB dann dazu entschieden, die Veranstaltung abzusagen. 
Der erste, der sich darüber empört zeigte, war Stadtrat Dirk Lübke. In einem offenen Brief bedauert er, dass der Oberbürgermeister offensichtlich den Einflüsterungen „diabolischer Kleingeister“ gefolgt sei, statt die Veranstaltung, wo „zwei eigenständige Denker (…) unter Vermittlung eines gescheiten Moderators öffentlich in unserer Stadthalle Krone aufeinandertreffen“ zu dulden. 

Auch im Stadtrat wurde daraufhin die Verlegung diskutiert. Wie aus einem Protokoll hervorging, stellte Sieghard Albert fest, dass das Vorgehen vonseiten der Stadt in der Bürgerschaft als Verletzung der Meinungsfreiheit angesehen würde. Ferner nahm er Bezug auf einen weiteren Punkt, der nach seinem Dafürhalten zur Absage geführt hat: Am 4. Februar hatte es nämlich bereits eine Sachbeschädigung an der Krone gegeben, was dazu geführt hatte, dass die BWB wohl auch Sicherheitsbedenken hinsichtlich der Diskussionsveranstaltung hatte. Karsten Vogt verwies Berichten zufolge darauf, dass es für die Veranstaltung noch keinen fertigen Vertrag gegeben habe, dass von einer Absage also keine Rede sein könne. Ferner habe er den befürchteten Imageschaden und auch die Sicherheitsbedenken bestätigt, wie es in dem Protokoll heißt. Es folgte anscheinend eine doch recht hitzige Debatte über dieses Thema. Besonders Steffen Tech vom Bürgerbündnis habe darauf verwiesen, dass er es höchst problematisch finde, wenn auch in Bautzen einige „Gesinnungspolizei“ spielten und dass daraus der eigentliche Imageschaden für die Stadt entstände. Dies wurde nach Mitteilung besonders von einigen Mitgliedern der CDU, der Grünen und der Linken bestritten. Andrea Kubank von der Linkspartei habe ferner betont, dass für sie Meinungsfreiheit dort aufhöre, „wo man sich von dem demokratischen Grundprinzip wegbewege“. 

Sei es wie es sei. Die Diskussionsveranstaltung, die nach Neukirch verlegt wurde, war offensichtlich sehr gut besucht. Das verweist in erster Linie darauf, dass das Interesse an derartigen Themen durchaus vorhanden ist. Ob es sich eine Gesellschaft, die sich selber als „offen“ bezeichnet, immer leisten kann, unbequeme Meinungen entweder zu ignorieren oder zu diskreditieren, wird weiter diskutiert werden müssen. Ferner bleibt die Frage im Raum stehen, nach welchen Kriterien jemand für sich die Autorität beansprucht, zu entscheiden, wer wann und wo was sagen und veranstalten darf und wer nicht. Zumindest bleibt, um einen Kommentar zu zitieren, „ein fader Beigeschmack“.

Benjamin Vogt / 18.02.2023

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Kommentare zum Artikel "Sollte es denn in Bautzen eine „Cancel Culture“ geben?"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. farnold schrieb am

    Es ist keine Überraschung mehr, dass sich vom Kontrollwahn getriebene Funktionäre wichtigmachen. Man will wissen, ob der Bürger korrekt spricht, ob er korrekt glaubt und vor allem, ob er korrekt handelt. Im Zweifel ist er verdächtig. Wie groß muss die Angst im Bautzner Rathaus sein, wenn es solche Veranstaltungen torpediert? Seit knapp zwei Jahren bin ich montags dabei, erst ging es um das Impfverbrechen, jetzt geht es um Krieg oder Frieden und wir drücken uns dazu sehr klar aus. Eure Feinde, liebe Räte, sind nicht wir vom Montag, es sind die, die sich kaputtlachen, wenn wir aufeinander losgehen.

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