Direkt zum Inhalt springen
Info & Kommentare

Messerattacke: Was darf in Polizeimitteilungen rein?

Messerattacke: Was darf in Polizeimitteilungen rein?

Dienstagabend nach der Messertat Foto: Matthias Wehnert

Görlitz/Rothenburg. Dienstag letzter Woche hatte ein zunächst Unbekannter in der Straßenbahn-Linie 1 am Demianiplatz mehrfach auf einen 17-jährigen eingestochen, ehe der Täter floh. Der Geschädigte wurde schwer, jedoch nicht lebensbedrohlich verletzt. Der Tatverdächtige war selbst mit der Tram unterwegs, hatte diese an der Haltestelle bereits verlassen, stieg dann aber wieder ein, zückte ein Messer und stach zu. 

Die Polizei hatte dazu auch mitgeteilt, dass erste Ermittlungen zu einem 17-jährigen deutschen Tatverdächtigen führten und zu dessen vorläufiger Festnahme tags darauf. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Görlitz erließ der Ermittlungsrichter am Amtsgericht Görlitz gegen den Beschuldigten einen Untersuchungshaftbefehl. Die Görlitzer Kriminalpolizei und die hiesige Staatsanwaltschaft ermitteln zum Verdacht des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie zu Motiv und den Hintergründen der Tat.

Die Redaktion fragte in diesem Falle nicht zum ersten Mal bei der Polizeidirektion an, ob mit deutscher Tatverdächtiger deutscher Nationalität oder doch eher deutscher Staatsangehörigkeit gemeint sei. In der Annahme der heute fast immer unterstellten zweiten Wortbedeutung wollte der Niederschlesische Kurier wissen, ob der Tatverdächtige möglicherweise einen Migrationshintergrund habe und falls ja welchen.

„Aufgrund des laufenden Strafverfahrens werden seitens der Polizei derzeit keine weiterführenden Angaben gemacht“, hieß es dazu auch dieses Mal. Das von der Polizei ’empfohlene’ Nachhaken dazu bei der Pressestelle der Staatsanwaltschaft ersparte sich die Redaktion aus bisheriger Erfahrung. Mittlerweile kann aus Hörensagen einer privaten Leserbeobachtung vermutet werden, dass der Tatverdächtige „autochthoner“ (alteingesessener) Deutscher sein dürfte, der am besagten Abend unter dem Einfluss gewisser Mittel gestanden haben könnte.

Das Dilemma als solches bleibt: Kann der Medienkonsument überhaupt ungefiltert informiert werden? Diese Frage stellte sich auch im Falle der Mitteilung seitens der Polizeihochschule Rothenburg über beamtenrechtliche Schritte gegen einen Auszubildenden der Polizei. Anlass seien strafrechtliche Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Beleidigung sowie der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Der Tatverdächtige soll öffentlich auch „rechtsmotivierte Äußerungen“ getätigt haben, die die Polizeihochschule auf Nachfrage ebenso nicht wörtlich zur Einschätzung durch die Öffentlichkeit preisgibt. Juristisch nachvollziehbar, da ein nicht abgeschlossenes Verfahren keine Quasi-Beweisaufnahme in der Öffentlichkeit zulässt. Thomas Knaup, Leiter der Stabsstelle Kommunikation bei der FH in Rothenburg konkretisiert jedoch, dass Beleidigungen auch sexueller Natur gewesen seien sowie Äußerungen, „die als Verherrlichung des Nationalsozialismus gewertet werden können. (...) Auch wenn auch für den Beschuldigten bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt und die Nutzung des Konjunktivs in der Schilderung des Sachver-haltes derzeit noch geboten ist, wiegt das Geschehen für die Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) als personalführende Dienststelle des Auszubildenden derart schwer, dass die geschilderten beamtenrechtlichen Schritte unverzüglich eingeleitet wurden.“ Die heikle Frage des wirklichen Informationsgehaltes politisch diffiziler Tatbestände war daraufhin Inhalt eines reflektierten telefonischen Austausches mit der Redaktion. Hingegen wartet diese auch nach mehren Tagen noch auf eine Antwort zu einer Interviewanfrage an das Görlitzer Polizeipräsidium. Dabei sollte es um den inhaltlichen Wert der Mitteilung einer Staatsangehörigkeit von Tatverdächtigen gehen soll.

Thomas Knaup erinnerte im Telefonat mit der Redaktion zurecht daran, dass die Mitteilung der Staatsangehörigkeit im Austausch mit dem Deutschen Journalistenverband (DJV) einst vereinbart worden sei. In der Praxis hat in Zeiten eiliger Einbürgerungspraxis die gut gemeinte Vorgabe jedoch vielfach in die Sackgasse geführt und vernebelt oft.

Till Scholtz-Knobloch / 07.11.2023

Schlagworte zum Artikel

Was sagen Sie zu dem Thema?

Schreiben Sie uns Ihre Meinung

Die Mail-Adresse wird nur für Rückfragen verwendet und spätestens nach 14 Tagen gelöscht.

Mit dem Absenden Ihres Kommentars willigen Sie ein, dass der angegebene Name, Ihre Email-Adresse und die IP-Adresse, die Ihrem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, von uns im Zusammenhang mit Ihrem Kommentar gespeichert werden. Die Email-Adresse und die IP-Adresse werden natürlich nicht veröffentlicht oder weiter gegeben. Weitere Informationen zum Datenschutz bei alles-lausitz.de finden Sie hier. Bitte lesen Sie unsere Netiquette.

Weitere aktuelle Artikel