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Weitere Debatte um Theaterfusion entfacht

Weitere Debatte um Theaterfusion entfacht

Das coronabedingt geschlossene Theater in Bautzen sieht sich auch in Zeiten der Virus-Krise finanziell gut aufgestellt. Foto: Archiv

Region. Als Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen des Deutschen Bühnenvereins werde ich niemals für die Schließung von Theatern oder von Sparten in Theatern eintreten. Der das sagt, ist Lutz Hillmann – Intendant am Deutsch-Sorbischen Volkstheater (DSVTh) in Bautzen. Der Grund, weshalb er entsprechend Position bezieht, hat seinen Ursprung im tiefsten Bayern. Dort setzte sich jüngst eine in München ansässige Beraterfirma mit der Theaterlandschaft im Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien auseinander und verfasste ein 323-seitiges Gutachten. Dieses war zuvor auf Initiative des Landkreises und der Stadt Görlitz in Auftrag gegeben worden. 

Es ist nicht das erste Mal, dass an der Neiße nach Einsparmöglichkeiten gesucht wird. Und wieder steht der Gedanke einer Theaterfusion im Raum. Diesmal geht es um eine Zusammenlegung des Sorbischen Nationalensembles und der Neuen Lausitzer Philharmonie, die ihrerseits 1996 aus der Fusion der Lausitzer Philharmonie in Bautzen und dem Görlitzer Theaterorchester entstand. Parallel stünde das Aus des Görlitzer Musiktheater-Ensembles und des Balletts an – das Schauspiel in Zittau und Bautzen würde zusammengefasst werden. Der Kulturinteressierte müsste sich künftig vor Ort mit eingekauften Inszenierungen zufriedengeben und mit dem Status einer Zweigspielstätte von Bautzen.

Die politischen Aufschreie sind noch nicht gänzlich verhallt, auch wenn viele wussten, dass der Görlitzer Landrat Bernd Lange schon lange ungeliebte Maßnahmen in Sachen der schwierigen Finanzierung der Kultur anbahnen wollte. Seine Amtszeit endet kommendes Jahr und zum Ende einer Amtszeit ist es ohnehin das Vorrecht eines Altgediehenen, mit seiner ganzen Erfahrung auch mal scheinbar Unmögliches zu denken. Wenn sein möglicher Nachfolger aus eigenen Parteireihen, der CDU-Landtagsabgeordnete Stephan Meyer sagt, dass das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau (GHT) ein wichtiger Baustein für den erfolgreichen Strukturwandel sei, dann spricht daraus im Grunde auch die ganze Bandbreite, alle Optionen offen zu lassen. Es ist nicht falsch, jeder kann sich mit dem Satz identifizieren und dennoch lässt es (noch) alles zu. Der Görlitzer CDU-Kreisvorsitzende Florian Oest hat sich bekannt und deutlich von Bernd Lange distanziert. Mit der Unterstützung des Theaters hat er zunächst Sympathiepunkte im Wahlkampf auf seiner Seite.

Auch in Bautzen wird eine mögliche Fusion mit kritischen Augen betrachtet. „Ich möchte daran erinnern, dass hier bereits das Musiktheater, das Orchester und das Ballett abgewickelt wurden, sodass heute Schauspiel und Puppentheater übrig sind“, meint Lutz Hillmann. „Diese Strukturmaßnahmen haben bis heute eine einigermaßen stabile Finanzierung des DSVTh ermöglicht.“ Das Untersuchungsergebnis der Münchener Beraterfirma bestätige den guten Zustand der Kulturstätte im Herzen der Spreestadt. Doch der langjährige Chef des Hauses räumt auch ein, dass zum jetzigen Zeitpunkt niemand wisse, wie es nach der Corona-Pandemie für die Kultur weitergeht. „Momentan besteht in Bautzen keine Einsparaufgabe seitens des Trägers. Da wir in Bautzen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Tarif bezahlen, entstehen dadurch jedes Jahr Mehrkosten, die wir in unserer Finanzierung berücksichtigen müssen. Deshalb nehmen wir unter anderem Einsparungen im Haus vor und wir versuchen, entsprechend zu planen.“ Zudem seien die Eintrittspreise erhöht worden. „Als Ergebnis konnten wir vor der Corona-Pandemie die höchste Eigenerwirtschaftungsquote aller öffentlich geförderten Theater und Orchester Sachsens vorweisen. Unser Rechtsträger, der Landkreis Bautzen, hat zudem eine Erhöhung des Zuschusses in Aussicht gestellt.“ Die Mannschaft des DSVTh sieht demzufolge keine Notwendigkeit für eine weitere Zusammenlegung von Theatern in der Oberlausitz.

Doch wie schaut es mit den Vorschlägen für das Sorbische National-Ensemble (SNE) aus? Dessen Sprecher, Stefan Zuschke, kennt auf diese Frage aktuell nur eine Antwort. Es bestehe keine Erfordernis für eine Fusionierung der beiden Orchester, „da wir dadurch die sorbische Spezifik wie die der folkloristischen Bühnenmusik und das Spielen sorbischer Instrumente als gefährdet ansehen“. Das SNE habe einen anderen Kulturauftrag als ein Stadttheater.

Hintergrund: Die Gesellschafter des GHT stehen ab 2023 mit Auslaufen des sogenannten Kulturpakts vor einem Finanzierungsproblem ihres Theaters. Das auf vier Jahre befristete Abkommen mit dem Freistaat gibt Theatern und Orchestern die Möglichkeit, ihre Haustarifverträge und den damit verbundenen Bestandsschutz für die Beschäftigten zu beenden. Die Rechtsträger können in dieser Zeit Strukturveränderungen einleiten, die Finanzierung neu ordnen oder andere Maßnahmen treffen, um die Existenz ihrer Häuser zu sichern. Soweit keine Weiterführung erfolgt, muss die übliche Kostensteigerung von circa zwei Prozent pro Jahr durch das Haus eigenständig aufgebracht werden. Eine Sprecherin des Bautzener Landratsamtes erklärte in dem Zusammenhang, dass zunächst die entsprechenden Entscheidungen in Görlitz abgewartet werden müssten. „Erst danach können weitere und detaillierte Strukturkonzepte erstellt werden. Diese werden sich dann auch mit der jeweiligen Ausgestaltung der Strukturmaßnahmen und den Folgewirkungen beschäftigen.“

Till Scholtz-Knobloch / Roland Kaiser / 25.05.2021

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