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Bei der Kathleen Schokoladenfabrik gehen die Lichter aus

Bei der Kathleen Schokoladenfabrik gehen  die Lichter aus

Mit dem Aus des Werkes am Standort Niederoderwitz endet hier eine über 90-jährige Schokoladentradition. Zuletzt wurden noch Osterhasen produziert. Foto: privat

Oderwitz. Zu diesem Datum sind alle Mitarbeiter offiziell gekündigt. Die eigentliche Produktion endete aber schon einige Tage vorher. Am Mittwoch, 9. März, war gegen circa 17.00 Uhr, der allerletzte Schokoladenartikel, ein 150 Gramm Osterhase, gegossen worden. 

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Trauerflor ziert schon seit längerem das Eingangsgebäude der Kathleen Schokoladenfabrik  in Oderwitz. Foto: privat

Circa 20 Beschäftigte werden noch bis 31. Dezember 2022 Restarbeiten durchführen, sprich Maschinen abbauen und das Firmengelände beräumen. Als vor etwa 24 Monaten bekanntgegeben wurde, dass der traditionsreiche Betrieb geschlossen wird, waren 167 Mitarbeiter bei Kathleen beschäftigt. Seitdem haben sich schon mehrere von ihnen neue Jobs gesucht, sodass bis vor kurzem noch 110 Beschäftigte im Alter von Ende 20 bis Mitte 60 angestellt waren, ob als Handwerker, in der Verwaltung, als Maschinen- und Linienführer, als Bandleiter, als Mitarbeiter in der Produktion oder im Lager- und Logistikbereich. Nach langwierigen Verhandlungen sei im März 2021 ein Interessensausgleich und Sozialplan zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber abgeschlossen worden, heißt es. Viele Kollegen nehmen jetzt noch bestehende Urlaubstage in Anspruch oder bauen Überstunden ab. 

Je näher das Ende rückt, umso mehr schwingt bei vielen Arbeitnehmern Wehmut mit. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit beträgt circa 20 Jahre. 

Einige Mitarbeiter haben noch nie woanders gearbeitet, sogar auch hier gelernt. Viele Familien arbeiten bzw. haben hier gearbeitet, teilweise über Generationen hinweg. Mit dem Aus endet eine über 90-jährige Schokoladentradition in Niederoderwitz. 

Da bleiben viele Erinnerungen, zum Beispiel an die Osterfeste für die Kinder, die 20 Jahre lang von Werkleitung und Betriebsrat gemeinsam organisiert wurden. Schätzungsweise bis zu 4.000 Besucher stürmten dann das Festgelände der Kathleen Schokoladenfabrik. 

Jeder Kollege bzw. jede Kollegin verbindet sicher ganz persönliche Erinnerungen mit diesem Werk. 

Ein ehemaliger Geschäftsführer sagte mal bei seinem Abschied: „Es war immer etwas Besonderes, in dieses Werk zu kommen. Hier schien es, als ob die Zeit stehengeblieben ist – wie in einer eigenen kleinen Schokoladenwelt.“ Und das war sicher nicht abwertend, sondern ehern bewundernd gemeint. Dieses Werk mit seinen Mitarbeitern war etwas Besonderes, der Zusammenhalt, die Kollegialität und die Einsatzbereitschaft haben die Schokoladenfabrik über manch schwere Zeit gerettet, verlautet es aus der Belegschaft. Dass am 31. März nun Schluss sei, würde „nicht im Entferntesten an den Mitarbeitern in Niederoderwitz liegen.“ Die Führung des Unternehmens hatte wirtschaftliche Gründe dafür angegeben. 

Die Belegschaft war daraufhin geschockt – und diese Schockstarre hielt schon ein paar Wochen an. Im Laufe der Jahre habe es immer wieder wirtschaftliche Schwierigkeiten gegeben, diese seien auch durch die hohe Einsatzbereitschaft und manchen Verzicht der Mitarbeiter gemeistert worden. Mit der Übernahme bzw. Fusion durch die Gubor/Rübezahl- gruppe im April 2019 verbanden viele Beschäftigte die Hoffnung auf den wirtschaftlichen Aufschwung. Zwölf Monate später seien diese Hoffnungen bitter enttäuscht worden. 
In der folgenden Zeit zeigte sich wieder einmal deutlich, warum die Niederoderwitzer Belegschaft etwas Besonderes war. Weder trat die erwartete Kündigungswelle ein, noch ließ die Produktivität oder Qualität nach. Natürlich war über die folgenden Monate die bevorstehende Schließung das Thema Nummer eins. Manchmal auch verbunden mit der Hoffnung, dass aus Politik oder Wirtschaft Hilfe kommt und das bittere Ende doch noch abgewendet werden kann. Erst im April bzw. Mai 2021 begann eine (kleine) Kündigungswelle. 

Nur einige wenige Mitarbeiter haben von dem Angebot Gebrauch gemacht, in andere Werke des Unternehmens zu wechseln. Die Entfernung zu den anderen Standorten ist einfach so groß, dass es nicht in Frage kommt, zu pendeln. Die meisten Kollegen haben Haus und Hof, Familie, Freunde und ihr soziales Umfeld hier, sind tief mit dieser Region verwurzelt. Deshalb seien diese Angebote abgelehnt worden. Natürlich spielt auch die momentan günstige Arbeitsmarktsituation eine Rolle. 

Ein nicht unerheblicher Teil der Belegschaft geht in Rente oder Vorruhestand. Andere haben sehr gute Chancen, auf dem Arbeitsmarkt schnell wieder eine neue Anstellung zu finden – leider nicht alle. 
Die derzeitige Werkleitung hat jedenfalls mit vielen Firmen in der Region Kontakt aufgenommen, um möglichst vielen Mitarbeitern ab 1. April 2022  neue Jobs zu vermitteln. Inwieweit diese Bemühungen Früchte tragen, bleibt abzuwarten. 

Für die Belegschaft bedeutet das Aus dieses traditionsreichen Werkes in Oderwitz in erster Linie der Verlust ihres, teilweise vor der Haustür liegenden, Arbeitsplatzes. Es verstärkt sich auch sicher das subjektive Gefühl, dass hier alles den Bach runter geht – je nachdem, wie die Zukunft für jeden Einzelnen aussieht. 

Für die Oderwitzer und die in der Umgebung lebenden Bürger kann die Schließung auch im Freizeitbereich noch Nachwirkungen haben, denn das Niederoderwitzer Bad bezog sein Wasser vom Wasserwerk der Schokoladenfabrik. Mit der Schließung wird diese Quelle wohl spätestens 2023 versiegen. Die Gemeinde Oderwitz bemüht sich da laut vorliegenden Informationen um eine Lösung. Sportvereine, Kindergärten, Schulen sowie die Oberlausitzer Tafel wurden bisher von der Schokoladenfabrik unterstützt – zukünftig nicht mehr. 

Und was wird aus den Produktionsanlagen und dem Firmengebäude? Einige Teile werden verschrottet, andere in andere Werke verlagert. Für das Gebäude könnte sich vielleicht ein Nachnutzer finden, hoffen Optimisten. Ansonsten droht aus der Immobilie, eine Industriebrache zu werden. 

Übrigens: Es gibt wohl keinen Mitarbeiter im Betrieb, der nicht schon mal Schokolade vom Band genascht hat. Das verliert sich zwar mit der Zeit und beschränkt sich dann nur noch auf neue Kreationen. „Oder man kann einfach keine Schokolade mehr sehen“, wie ein langjähriger Mitarbeiter betont.

Ab 28. März erfolgt bei Kathleen in Niederoderwitz der Fabrikverkauf mit vielen Schokoladenartikeln zu sehr günstigen Preisen – vorerst bis Ostern und danach noch ein paar Wochen immer donnerstags.

Steffen Linke / 23.03.2022

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Kommentare zum Artikel "Bei der Kathleen Schokoladenfabrik gehen die Lichter aus "

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Rolf Hasenöhrl schrieb am

    Der Verlust für uns ist groß, wir haben nur die Schokobecher aus der Oberlausitz genommen. Und wieder ist ein Stück Heimat verschwunden...

    Schade Schade

    Müssen wir jetzt doch auf die Westprodukte umsteigen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Fam. Hasenöhrl
    Jena

  2. Oberlau schrieb am

    Das wird nicht die letzte Fabrik sein, die diese Entwicklung nimmt. Die zentralistische Entwicklung u.a. auch im Handel und die Geiz ist Geil Mentalität, befördert diese Entwicklung maßgeblich.

    Die immer mehr voranschreitende Konzentration der Wirtschaft, führt nicht nur zu effizienteren Abläufen und innerbetrieblichen Kostenoptimierungen, sondern auch zu ungleichmäßigen wirtschaftlichen Strukturen in den jeweiligen Regionen.

    Hier wird dann wieder nach dem Prinzip Flickenteppich, die Fördermittelgießkanne angesetzt, um mit viel Geld wieder einige neue Arbeitsplätze zu schaffen. Und irgendwo kommen wir dann wieder auf die bekannten Worte, wir bauen auf und reisen nieder und haben Arbeit immer wieder.

    Nur stellt sich dabei irgendwann mal die Frage, haben wir etwas dazugelernt .

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