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Bekenntnis zum Ehrenamt versagt in der Praxis

Bekenntnis zum Ehrenamt versagt in der Praxis

Torsten Herbst (im dunkelblauen Shirt) wurde vom Landesbauftragten Bootsdienst der DRK-Ortsgruppe Bautzen, Andreas Feistel, nach dem Gespräch noch eine kurze Patrouillenfahrt auf den Bärwalder See eingeladen. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Klitten. „Mit 23 Badetoten im vergangenen Jahr sowie weiteren 13 Todesfällen im Jahr 2020 allein in Sachsen kommt den örtlichen Rettungsteams eine große Bedeutung zu. Während die Wasserrettung in anderen Bundesländern durch öffentliche Gelder mitfinanziert wird, sind die sächsischen Wasserwachten nach wie vor auf Spenden und freiwillige Helfer angewiesen“, betonte der FDP-Bundestagsabgeordnete Torsten Herbst im Vorfeld und zur Motivation seines Besuches am 18. August während der sitzungsfreien Zeit des Parlaments bei der Wasserrettungswache des Deutschen Rotes Kreuzes an der Marina Klitten am Bärwalder See.

„’Wir unterstützen Euch’, sagen alle aus dem gesamten politischen Spektrum“, lautete jedoch die einhellige Skepsis der Gesprächspartner aus dem DRK, darunter der Landesreferent Wasserwacht Joachim Weiß und Maik Warich, Vorstand des DRK-Kreisverbandes Weißwasser. Bei der Diskussion um das Rettungsdienstgesetz habe man im Grunde auch gespürt, dass man letztlich auch nur als eine Lobbygruppe wahrgenommen werde: „Wir wissen nicht, ob unsere Eingaben überhaupt wahrgenommen wurden. Eigentlich sind wir billige Arbeitskräfte bzw. wir bringen sogar eigenes Geld mit“, so der in Görlitz geborene und in Niesky aufgewachsene Dr. Kai Kranich, Leiter Kommunikation und Marketing beim DRK-Landesverband. 

Kranich hat zumindest eine eigene regionale Anknüpfung, während unter denjenigen, die ehrenamtliche Rettungsaufgaben wahrnehmen, Ortsfremde eher überwiegen. Aktuell werde die Aufsicht so auch von einer Gruppe aus dem Erzgebirge übernommen.

Frank Brosius, Ortsgruppenleiter der Wasserwacht Boxberg – und somit Klitten – überschlägt, dass der Ortsverband 30 bis 35 Mitglieder umfasse, darunter 20 bis 25 junge Leute. Ortsgruppe sei als solches jedoch bereits relativ zu sehen, denn Mitglieder stammen eben auch aus Reichenbach oder Pirna. „Wir bieten etwas an und die Großstädter freuen sich eher über die Leistungen“, so Brosius. Man unterliege in der Nachwuchsfindung ohnehin den Schwierigkeiten, die alle Vereine in der Region haben. Sei einmal ein Aktivposten gefunden und auch bereit in seiner Freizeit ohne Fahrtkostenerstattung mitzumachen, stünden Studium oder die arbeitsbedingte Abwanderung aus der Region im Raum. „Wer als junger Rettungshelfer im Sommer an die Ostsee fährt, bekommt am Tag immerhin so 25 bis 30 Euro Aufwandsentschädigung und Anreisekosten“. Da könne man niemandem übel nehmen, wenn er sein rettungsdienstliches Engagement in der Urlaubszeit dann auf eine leistungskräftigere Urlaubsregion ausrichte. Jeder Ehrenamtliche bringt dabei neben seiner Zeit und dem Geld für sachbedingte Aufwendungen, an denen die öffentliche Hand spart und – so die Kritik – angesichts kaum nachvollziehbarer Kontrollwut bei wenigen erstattungsfähigen Aufwendungen auch Wissen mit ein, das wiederum durch viel zeitliches und finanzielles Engagement zuvor erst einmal aufgebaut werden musste.

Und so ging es in dem Gespräch mit dem sächsischen Abgeordneten und Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion Herbst neben der bereits schwierigen Finanzierung der Wasserrettung insbesondere um Fragen des ehrenamtlichen Engagements als solchem.

An der Marina Klitten ist die Gemeinde Boxberg Eigentümer der Liegenschaft, doch die Gemeinde sei nach dem Vattenfall-Verkauf des Kraftwerkes finanziell erkennbar in der Defensive. Man sei auch aufgrund dieses kommunalen Handicaps schlechter dran als die Rettung am Bärwalder See in Görlitz, wo die Kommune den See besonders fördere.

Dennoch rede man eigentlich nicht über immense Beträge und zeige sich oft enttäuscht über sich wiederholende politische Bekenntnisse zum Ehrenamt, die bei leichten Hürden in der Praxis bereits wanken. Torsten Herbst konnte hier auch nur beteuern, dass er auf informeller Ebene das Gespräch mit dem neuen Landrat und den Kreistagsabgeordneten suchen möchte. Maik Warich bekannte trocken und und fast schon emotionslos: „Die Politik lässt uns hängen“. Häufig sei das Spielchen der Zuständigkeiten das Hindernis an sich.

Die Öffentlichkeit müsse sich jedoch klar sein, so der einhellige Tenor beim DRK, dass Rettungsdienstleistungen nicht naturgegeben angeboten würden. Letztlich könne überall eine Schild stehen, dass „hier“ aktuelle keine Aufsicht stattfinde. Vielleicht sei bislang auch einfach noch kein Vorfall eingetreten, der einen Weckruf ausgelöst habe. Zwar könnten sich an der Marina Klitten durch die ungünstige Westwindlage im Bootsverkehr Gefahrensitutionen leicht einstellen, doch in der Masse hätte man es zumeist mit eher glimpflich verlaufenden Einsätzen hilfloser Kitesurfer zu tun gehabt. Ein zweites größeres Feld sei die „Entlastung für den Regelrettungsdienst“ – also einfach die Tatsache dass man da ist und auch mal Spaziergängern am Ufer helfen könne.

Doch die Enttäuschung ist zum Greifen. Aus Eigeninitiative habe man sogar Autobahnnotrufsäulen an den See geholt – aber schon die Mobilfunkkosten zermürben die Helfer des Deutschen Roten Kreuzes.

Till Scholtz-Knobloch / 30.08.2022

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